Bei den Grünen wurde die Unschuldsvermutung im „Fall Gelbhaar“ nicht beachtet. Welche Konsequenzen zieht die Partei daraus?
Fall GelbhaarGrünen-Politiker sieht „Raum für Verleumdung“ bei Ombudsstelle auch in NRW

Nächtliche SMS können eine Grenzüberschreitung sein - und zum Fall für eine Ombudsstelle werden.
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Der „Fall Gelbhaar“ hat die Glaubwürdigkeit der Grünen schwer beschädigt. Der Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar hatte sein Mandat verloren, nachdem Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen ihn erhoben worden waren, die sich aber nicht bestätigten. Bei der internen Prüfung der Anschuldigungen kam es zu fatalen Fehlern. Arndt Klocke, Landtagsabgeordneter der Grünen, verlangt jetzt Konsequenzen: „Die derzeit geltenden Ombudsordnungen der Bundespartei, des NRW-Landesverbandes, aber auch des Kreisverbandes Köln lassen viel Raum für Verleumdung und üble Nachrede. Dies muss dringend und zeitnah geändert werden“, sagte der frühere Parteivorsitzende dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Jedes innerparteiliche Ombudsverfahren müsse den rechtsstaatlichen Grundsätzen und Gesetzen des Landes unterliegen, erklärte der Politiker aus Köln. „Eine Partei, die sich selbst als ‚Rechtsstaatspartei‘ bezeichnet, darf nicht zulassen, dass mit Willkür vorgegangen wird“, sagte Klocke.
Interner Bericht kritisiert Vorgehen der Grünen
Im „Fall Gelbhaar“ waren im Dezember 2024 drei Meldungen mit schweren Anschuldigungen gegen den Bundestagsabgeordneten innerhalb von 15 Minuten in der Geschäftsstelle der Berliner Grünen eingegangen. Ohne die Vorwürfe zu genau zu prüfen, wurden Landes- und Bundesvorstand informiert. Später stellte sich heraus, dass die angebliche Hauptzeugin für die Belästigungsvorwürfe eine fiktive Person war.
Eine Sprecherin des Bundesvorstands der Grünen räumte auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ schwere Fehler ein. „Die Partei war als Organisation mit diesem Fall auf allen Ebenen strukturell überfordert“, erklärte eine Sprecherin. Zur Aufarbeitung der Fehler solle nun eine Kommission eingesetzt werden.
Die ehemalige Justizministerin von Schleswig-Holstein und frühere Chefin der Kölner Grünen, Anne Lütkes, hat zusammen dem Juristen Jerzy Montag einen Bericht über den Vorgang vorgelegt, der kein gutes Haar am Vorgehen der Grünen lässt. Es sei nicht in Betracht gezogen worden, dass es sich bei „den einstürzenden Meldungen um ein zumindest organisiertes Vorgehen mit einer politischen Zielsetzung handeln könnte“, heißt es in der Untersuchung. Die Mitglieder der Ombudsstellen seien zudem oft nicht demokratisch legitimiert und zum Teil Angestellte der Partei.
Vorwürfe wegen sexueller Belästigung auch bei NRW-Ombudsstelle
Bei den NRW-Grünen hieß es, man wolle die Beschlüsse auf Bundesebene zu möglichen Strukturveränderungen abwarten. Auch in NRW seien Vorwürfe wegen sexueller Belästigung Ombudsstellen behandelt worden, hieß es. „Konkrete Zahlen oder Einzelfälle können wir aus Gründen der Vertraulichkeit nicht nennen“, erklärte eine Sprecherin. Viele Fälle bewegten sich unterhalb der strafrechtlichen Schwelle im Bereich von grenzverletzendem Verhalten gegenüber der sexuellen Selbstbestimmung.
Als grenzverletzend werden unter anderem angeblich zufällige Berührungen oder anzügliche Bemerkungen bezeichnet, die nicht strafbar sind. Auch das nächtliche Schreiben von SMS-Nachrichten kann eine Grenzüberschreitung darstellen. „In vielen Fällen konnte den meldenden Personen geholfen werden“, hieß es. „Oft gelang es auch, bei den gemeldeten Personen eine Reflexion ihres Verhaltens anzustoßen.“
Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen eine frühere Bezirkspolitikerin wegen des Verdachts der Verleumdung.