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Influencer-Skandal aufgebauscht?NRW-Finanzminister Optendrenk steht unangenehme Befragung bevor

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Eine Influencerin sitzt hinter einem Ringlicht und macht dabei Aufnahmen von sich.

Eine Influencerin sitzt hinter einem Ringlicht und macht dabei Aufnahmen von sich.  

Der Bericht über die erfolgreiche Jagd auf Influencer, die Steuern hinterziehen, sollte die Steuerermittler von NRW in ein gutes Licht rücken. Wurde dabei mit irreführenden Angaben jongliert?

Die erste Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses (HFA) im Düsseldorfer Landtag dürfte für NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk ein unangenehmer Termin werden. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, soll sich der CDU-Politiker zu einem fragwürdigen Vorgang erklären. Es geht um den Steuerbetrug von Influencern. Optendrenk hatte im Juli die Erfolgsmeldung verbreitet, das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität (LBF) prüfe ein „strafrechtliches Steuervolumen von rund 300 Millionen Euro“. Jetzt steht der Verdacht im Raum, dass Zahlen verwechselt wurden. „Nur“ eine peinliche Kommunikations-Panne? Oder wurde die Öffentlichkeit bewusst an der Nase herumgeführt? Das LBF wurde im Januar 2024 gegründet. Damals waren Spezialisten aus anderen Bereichen der Finanzverwaltung abgezogen worden, um die neue Spezialeinheit personell auszustatten. Ein Vorgang, der naturgemäß nicht nur Freude auslöste - in der Finanzverwaltung sind 1000 Stellen unbesetzt. Die Erfolgsmeldung im Zusammenhang mit dem Schlag gegen die kriminellen Influencer wurde kritisch beäugt – und löste Stirnrunzeln aus. Kurze Zeit später veröffentlichte das „Manager Magazin“ einen Bericht mit der Überschrift: „NRW-Finanzbehörden blamieren sich bei vermeintlichem Influencer-Skandal.“

Vermengung von Umsatz und Steuerpflicht

Offenbar wurden der Umsatz der Influencer und die Steuerschuld in der Erfolgsmeldung vermengt. Bei den 300 Millionen handelt es sich nicht um die Summe, die dem Fiskus vorenthalten wurde, sondern um den Betrag, den unter Verdacht stehende Influencer als Umsatz erzielt haben. Ein gewaltiger Unterschied. „Es liegt hier der Verdacht nahe, dass die Erfolgsbilanz einer Behördenneugründung aufgehübscht werden soll. Wir erwarten dazu lückenlose Aufklärung und maximale Transparenz“, sagt Ralf Witzel, Vize-Fraktionschef der FDP-Landtagsfraktion, unserer Zeitung. Der Politiker aus Essen beantragte einen Bericht der Landesregierung zu dem Vorgang in der nächsten HFA-Sitzung. Dort will Witzel erfragen, warum Optendrenk die missverständlichen Angaben vor der Veröffentlichung nicht präzisieren ließ.

Ralf Witzel, Vize-Chef der FDP-Landtagsfraktion, kritisiert NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU).

Ralf Witzel, Vize-Chef der FDP-Landtagsfraktion, kritisiert NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU).

Ein Spezialistenteam des LBF hatte eigenen Angaben zufolge ein Paket von 6000 Datensätzen ausgewertet. Die Ermittlungen seien „herausfordernd“ und benötigten „das gesamte kriminalistische Gespür der Fahnderinnen und Fahnder“, hieß es im Juli in einer Behörden-Mitteilung. Regelmäßig würden Influencerinnen und Influencer ihren offiziellen Wohnsitz an bekannte Briefkastenadressen, beispielsweise in Dubai, verlagern.

Tatsächlich versäumen viele Influencer, ihre Einkünfte anzumelden. „Ein Hotelaufenthalt, Schuhe, Goodie Bags oder auch die zeitliche Überlassung von Gütern jeder Art wie Uhren, Autos und Handtaschen sind Sachzuwendungen, die als geldwerter Vorteil zu versteuern sind“, sagt der Steuerberater Andreas Klenk unserer Zeitung. „Die Finanzverwaltung NRW setzt KI-gestützte Tools ein, die soziale Netzwerke danach durchforsten, wo Markennamen oder Markenprodukte werbewirksam präsentiert werden“, erklärt Klenk.

„Steuerpflichten seien aus Gründen der Gerechtigkeit natürlich auch in der digitalen Welt vollständig durchzusetzen“, betont FDP-Finanzexperte Witzel. Steuerhinterziehung sei eine ernstzunehmende Straftat. „Bei derlei Vorwürfen darf man daher von der Regierung maximale Seriosität der Angaben und Korrektheit aller Daten erwarten“, so der FDP-Politiker. Optendrenk müsse das machen, was er von seinem Amtsvorgänger Norbert Walter-Borjans (SPD) gefordert habe: „Weniger Robin Hood und mehr Haushaltssanierung, auch wenn Letztere mühsam ist und einen langen Atem braucht.“

Das NRW-Finanzministerium erklärte auf Anfrage, bei der Steuerhinterziehung von Influencern habe man es mit einem „flächendeckenden Phänomen“ zu tun. Bei den 300 Millionen Euro handele es sich „um eine vorläufige Größenordnung, nicht um einen bilanzierten Steuerschaden“. Die „konkrete steuerliche Auswirkung“ stehe  „naturgemäß erst nach Abschluss der Steuerverfahren“ fest.