Am Samstag ist Japan-Tag in Düsseldorf. Ein Gespräch mit dem Wissenschaftler Christian Tagsold über die Ursprünge der japanischen Community in der Landeshauptstadt.
Japan-Tag in Düsseldorf„Dahinter steckt viel Wirtschaftskraft“

Ein japanischer Geisha-Tanz wird 2016 beim Japan-Tag in Düsseldorf aufgeführt. (Archivbild)
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Herr Tagsold, in Düsseldorf lebt die größte japanische Community Deutschlands. Wieso?
Nach dem Zweiten Weltkrieg suchte Japan den Kontakt zur deutschen Stahlindustrie, um die eigene Schwerindustrie wieder anzukurbeln. Also bemühten sich einige japanische Unternehmen um einen Standort in der Nähe des Ruhrgebietes. Düsseldorf war als Landeshauptstadt des wirtschaftsstärksten Industriegebietes in Westdeutschland und auch wegen der Nähe zur Bundeshauptstadt Bonn attraktiv. Aber nicht nur in Düsseldorf siedelten sich Japanerinnen und Japaner an.
Wohin gingen sie außerdem?
Auch nach Hamburg zog es einige, weil sich Japan zu der Zeit von einem noch eher landwirtschaftlich geprägten Land zu einem Produktionsland entwickelte und der Export japanischer Güter wichtig wurde. Eine Hafenstadt wie Hamburg war für den Handel dieser Güter praktisch. Aber Ende der 60er Jahre war die japanische Wirtschaft gewachsen und es wurde nicht mehr so viel aus dem Ausland importiert. Wenig später wurde in Düsseldorf eine japanische Schule gegründet – und das war der Moment, indem die Landeshauptstadt NRWs Hamburg als Zentrum der japanischen Community Deutschlands überholte.
Warum?
Viele der japanischen Angestellten, die von ihren Unternehmen nach Deutschland entsandt wurden, kehrten und kehren noch immer nach etwa vier Jahren zurück nach Japan. Deshalb kam ihnen Anfang der 70er Jahre die Möglichkeit sehr gelegen, ihre Kinder auch im Ausland auf eine japanische Schule schicken zu können und sie nicht aus dem japanischen Schulsystem reißen zu müssen. Denn damals drohten sonst Schwierigkeiten, es später nicht auf die guten Universitäten in Japan zu schaffen. So gingen immer mehr japanische Familien nach Düsseldorf, die japanische Schule dort war die erste in ganz Europa.
Zwei Drittel der Angestellten geht wieder nach Japan zurück
Wie gut integriert ist die japanische Community in Düsseldorf?
Von Integration kann man in weiten Teilen nicht sprechen. Integriert sind eher diejenigen, die bleiben. Und das sind hauptsächlich Japanerinnen und Japaner, die im Servicebereich arbeiten, etwa Gastronomen, Friseure, Supermarktbetreiber oder japanische Bäcker. Diese Menschen machen grob geschätzt etwa ein Drittel der japanischen Community Düsseldorfs aus. Aber die anderen zwei Drittel, die Angestellten der Firmen und ihre Familien, kehren normalerweise wieder nach Japan zurück. Einige von ihnen lernen deshalb nie Deutsch. Sie unternehmen viel untereinander, auch über den japanischen Club, und haben weniger Kontakt zu ihrem deutschen Umfeld.
Der Japan-Tag wirkt aber so, als wäre die japanische Kultur ein fester Bestandteil Düsseldorfs.
Die Idee hinter dem Festival ist es, auf die japanische Community aufmerksam zu machen und so ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. Schließlich möchte sich die Stadt die guten Wirtschaftsbeziehungen mit Japan erhalten. Aber Japanerinnen und Japaner sind mitnichten Düsseldorfs größte Bevölkerungsgruppe mit ausländischen Wurzeln. Es leben beispielsweise viel mehr Menschen türkischer, ukrainischer oder polnischer Herkunft in der Stadt. Doch die japanische Community ist die, die sich am besten „vermarkten“ lässt, weil sie die größte in Deutschland ist und damit ein Alleinstellungsmerkmal hat. Außerdem steckt viel Wirtschaftskraft dahinter und die Erzählung von gutverdienenden japanischen Firmenentsandten kann als gelungene Migrationsgeschichte angesehen werden. Eine erfolgreiche Integrationsgeschichte ist es wie gesagt nicht. Aber vielleicht muss sie das auch nicht sein. Warum sollten Japaner, die nach vier Jahren wieder zurück in ihre Heimat gehen, zwingend Deutsch lernen müssen? Das heißt im Umkehrschluss natürlich nicht, dass man nichts voneinander erfahren darf und die Möglichkeit zu gegenseitigem Austausch nicht nutzen sollte. Dafür ist der Japan-Tag sehr gut geeignet. Es geht um eine Bereicherung durch die japanische Kultur.
…die beim Japan-Tag authentisch repräsentiert wird?
Ich halte zwischenmenschliche Begegnungen immer für authentisch. Wie könnte es unauthentisch sein, wenn Menschen etwas miteinander unternehmen und voneinander lernen? Inzwischen werden auf dem Japan-Tag verschiedene Bilder von japanischer Kultur bedient, was ich gut finde, weil Kultur immer vielfältig und nie einseitig ist. Es gibt zum Beispiel neben Kampfkunstvorführungen auch viele popkulturelle Angebote, wie einen Cosplay Wettbewerb oder in der Vergangenheit einen Wettbewerb im Manga-Zeichnen. Was da eingereicht wurde, hat mich begeistert.
Zur Person: Christian Tagsold lehrt seit Januar 2006 am Institut für Modernes Japan der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Zu seinen aktuellen Schwerpunkten zählt unter anderem die japanische Diaspora in Europa. So betreute er eine Dissertation zur Geschichte des japanischen Wirtschaftsstandortes Düsseldorf. Beim Japan-Tag am 24. Mai hält er zu dem Thema einen Vortrag.
Zum Japan-Tag: Der Japan-Tag findet seit 2002 jedes Jahr in Düsseldorf statt. Dieses Jahr steigt das große Kulturevent am 24. Mai. Ab 11 Uhr können Besucherinnen und Besucher an rund 90 Ständen entlang der Rheinuferpromenade die japanische Kultur entdecken. Die Gäste erwartet ein buntes Programm aus Aktivitäten wie dem Kyudo-Bogenschießen, Cosplay- sowie Karaoke-Wettbewerben und einem traditionellen Feuerwerk ab 23 Uhr. Zusätzlich gibt es in diesem Jahr eine Japan-Woche. Noch bis zum 27. Mai können Interessierte weitere Events wie Ausstellungen und Workshops zu japanischer Kunst, Geschichte und Kultur besuchen. Außerdem findet am 26. Mai in Düsseldorf der Wirtschaftstag Japan statt, bei dem Vertretende deutscher und japanischer Unternehmen über das Thema „Wasserstoffwirtschaft – Deutsche und japanische Geschäftsmodelle für die Zukunft“ sprechen.