Der Fußball Kreis Köln hat bürokratische Hürden aufgebaut, die faktisch zu einer Rückabwicklung der neuen Spielidee führen. Die Vereine reagieren entsetzt.
Ärger im KinderfußballKreis Köln bremst neue Spielformen aus – Vereine laufen Sturm

Kinderfußballtraining in den neuen Spielformen, hier beim Fußballverein ESV Olympia Köln.
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Hannes Wolf trägt eine weiße Trainingsjacke mit dem DFB-Adler auf der Brust. Er ist Trainer der U20-Nationalmannschaft und als Sportdirektor für die Bereiche Nachwuchs, Training und Entwicklung beim Deutschen Fußballbund zuständig. Jetzt steht er auf dem DFB-Campus in Frankfurt und sendet eine Videobotschaft. „Mich haben einige Hilferufe aus Fußballkreisen zum neuen Kinderfußball erreicht“, berichtet Wolf. „Ich möchte nochmal dafür werben, dass wir in den Kreisen keine bürokratischen Hürden für die Vereine schaffen, sondern für Flexibilität sorgen“, sagt der DFB-Trainer.

DFB-Trainer Hannes Wolf wendete sich in einer Videobotschaft an die Akteure im Kinderfußball.
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Wolf geht es um die neuen Spielformen im Kinderfußball. Die Idee, den Nachwuchs in vielen kleinen Feldern auf Minitore und Jugendtore kicken zu lassen, stößt immer noch auf Widerstand.
Thomas Staack: „Der Kreis Köln sabotiert die neuen Spielformen“
Die Mahnung des DFB-Sportdirektors, die Blockade aufzugeben, richtet sich auch an den Fußballkreis Köln. Dort sorgen neue Durchführungsbestimmungen im Kinderfußball für einen Proteststurm der Vereine und Jugendtrainer. „Der Kreis Köln sabotiert die neuen Spielformen“, ärgert sich Thomas Staack, Jugendtrainer des Kölner Fußballvereins Vorwärts Spoho und Referent für Kinder- und Jugendfußball. Die Ziele des neuen Kinderfußballs würden für unnötigen Formalismus wie Spielberichte, starre Spielpläne und hinterlegte Fotos geopfert. Das Ergebnis: Viele Kinder müssten jetzt – so wie früher – wieder auf der Ersatzbank schmoren oder dürften gar nicht mitspielen.

Aufbauschema im Kinderfußball bei einem Spielefestival: Auf dem linken Feld kicken die Spieler auf Jugendtore, rechts wurden vier Minitore aufgebaut.
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Die Einführung der neuen Spielformen hatte in der Fußballwelt heftige Kontroversen ausgelöst. Dabei kicken Teams aus mehreren Vereinen auf Kleinspielfeldern mit Jugendtoren und Minitoren parallel gegeneinander. Die jüngeren Jahrgänge spielen im 3 gegen 3 ohne Torhüter auf 4 Minitore und 4 gegen 4 mit Torhütern auf zwei Jugendtore. Innerhalb von einer Stunde gibt es bis zu sechs Begegnungen, aber keine notierten Ergebnisse und keine Tabellen. Ziel ist es, dass alle Spieler viele Ballkontakte erhalten. Kritiker beklagen, die neue Spielweise habe mit dem „richtigen Fußball“ nur noch wenig zu tun.
Keine Passkontrollen, Spielberichte oder Schiedsrichter nötig
Im Zentrum der Reform des Kinder- und Jugendfußballs stehen Wettspiele in mehreren kleinen Spielfeldern, damit alle Kinder mitspielen können. Als dazu in Köln 2017 eine Pilotstaffel gegründet wurde, fand das bundesweit Beachtung. Später entstand daraus die „3 gegen 3-Liga Köln“. Die Sportschau sprach von einer „Revolution im Kinderfußball“. Der Fußballkreis Köln nickte das Konzept ab.
Wie der Seniorenfußball war auch der Spielbetrieb im Kinder- und Jugendbereich im Fußballkreis Köln bis zu diesem Zeitpunkt durch ein engmaschiges Regelwerk geprägt. Verstöße gegen die Formalitäten wurden mit empfindlichen Verbandsstrafen geahndet. Mit der Reform des Kinderfußballs hielt ein völlig neuer Zeitgeist Einzug.
Die Vereine waren selbst für die Organisation der Spieltage zuständig, die in Spiele-Festivals umbenannt wurden. Alle Begegnungen wurden im Fair-Play-Modus – ohne Schiedsrichter – ausgetragen. Auf Passkontrollen und das aufwendige Ausfüllen von Spielberichten wurde verzichtet.
Kreisjugendausschuss Köln legt neue Regeln ohne Absprache fest
Vor zwei Jahren zogen erstmals dunkle Wolken am Horizont des Kinderfußballs auf. Der Fußballkreis bestand fortan darauf, dass alle Begegnungen und deren Teilnehmer in das „DFBnet“ eingetragen werden mussten. Ein erster Schritt, um die Lufthoheit über den Kinderfußball zurückzugewinnen und die Freiheit der Vereine einzuschränken. „Das hat viele unnötige Probleme verursacht, aber damit konnten wir noch ganz gut leben“, sagt Thomas Staack.
Vor wenigen Wochen, kurz vor dem Start in die neue Saison, traf die Kölner Kinderfußball-Szene dann der Schlag. Ohne vorherige Absprache legte der Kreisjugendausschuss Köln neue Regeln fest. Danach können nur noch zwei Vereine gegeneinander antreten. Im klassischen Ligabetrieb müssen nun die Ergebnisse notiert und in Tabellen ausgewiesen werden – das kommt einer kompletten Rückabwicklung der neuen Spielformen gleich. Auch wer wann gegen wen spielt, legt der Kreisjugendausschuss fest. „Die Reformverweigerer wollen die Uhr wieder zurückdrehen“, erklärt Thomas Staack. „Der Kreis Köln widersetzt sich bewusst den Vorgaben des DFB und dem Willen der Kölner Vereine.”
Vorwärts Spoho hat offenen Brief an den DFB geschrieben
Sein Verein Vorwärts Spoho hat einen offenen Brief an den DFB und den Fußballverband Mittelrhein (FVM) geschrieben, um sich über das Vorgehen zu beschweren. „Wir wollen Turniere mit mehreren Mannschaften in kleinen Spielformen jederzeit organisieren dürfen, ohne uns langwierige Genehmigungen einholen und Ordnungsgelder zahlen zu müssen“, heißt es in der Protestnote. Wer ernsthaft eine Reform und eine bessere Ausbildung von Spielerinnen und Spielern wolle, müsse auch dort Veränderungen herbeiführen, wo der Kinderfußball organisiert werde. Bei vielen Vereinen traf der Brief auf Unterstützung. Entscheidungen über Spielformen und Durchführungsbestimmungen müssten „im Dialog, nicht im Alleingang“ umgesetzt werden, sagt Sven Lüders, Jugendleiter beim ESV Olympia Köln. „Wir sind keine Angestellten, die Anweisungen entgegennehmen, sondern Mitglieder eines Verbandes, der von unten nach oben lebt.“
Als die Turniere noch eigenständig geplant werden konnten, sei „alles besser“ gewesen, betont auch Sascha Welter, Jugendleiter der Spvg. Rheindörfer Nord. Wie er fordern viele Vereine eine Rückkehr zur Selbstorganisation und haben sich beim DFB beschwert. „Unsere Turniere waren voll besetzt, die Kinder haben mit viel Freude gespielt, die Eltern waren hochzufrieden und wir hatten Einnahmen durch Getränke- und Kuchenverkauf. Bei nur einer Mannschaft als Gast ist kaum etwas los. Unsere Eltern und Kinder sind frustriert”, beklagt Welter.
Nicht zuletzt durch die Video-Intervention von DFB-Sportdirektor Wolf wurde der Fußballverband Mittelrhein jetzt aufgeschreckt. Auf Anfrage unserer Zeitung erklärte der FVM, man habe „mit Verwunderung zur Kenntnis genommen“, dass der Kreis Köln in Teilen von „verbindlichen Bestimmungen“ abweiche. „Der Fußballverband Mittelrhein steht hierzu mit den Verantwortlichen im Kreis Köln in engem Austausch, um eine einheitliche Umsetzung sicherzustellen“, erklärte der Verband. Was das konkret bedeutet, blieb offen. Auch die Frage nach möglichen Sanktionen wurde nicht beantwortet.
Hannes Wolf, der DFB-Botschafter der neuen Spielformen, erklärte im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, man habe viele Trainer und Vereine an der Basis überzeugt, den neuen Weg mitzugehen „Da geht es nicht darum, das Ganze bürokratisch im Computer einzugeben und Kaderlisten auf zwölf Spieler zu reduzieren. Das ist nicht wichtig, sondern wir wollen allen Kindern ermöglichen, auf unseren wunderbaren Fußballplätzen zu spielen“, sagte Wolf. Sein dringender Appell: „Wir brauchen kurze Wege, es muss vieles flexibel, kurzfristig und unbürokratisch möglich sein, damit die vielen Menschen im Ehrenamt, die vom neuen Kinderfußball überzeugt sind, nicht die Begeisterung verlieren.“