Die Reichsbürgerbewegung „Königreich Deutschland“ versuchte in den vergangenen Jahren, in NRW Fuß zu fassen – mit wenig Erfolg.
„Königreich Deutschland“ verbotenDurchsuchungen auch in NRW – So ist die „Reichsbürger“-Szene aufgestellt

Polizeibeamte durchsuchten nach dem Verbot der Reichsbürger-Gruppe „Königreich Deutschland“ durch den Bundesinnenminister Gebäude in ganz Deutschland.
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Im Rahmen des Verbots der Reichsbürgerbewegung „Königreich Deutschland“ (KRD) durchsuchten Polizisten auch eine Wohnung im Raum Dortmund. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus Sicherheitskreisen erfuhr, verschafften sich Beamte einer Hundertschaft am Dienstag um sechs Uhr morgens Zutritt zum Gebäude. Das KRD-Mitglied, das dort mit seiner Lebensgefährtin lebt, soll für die Gruppe unter anderem Seminare gehalten haben. Beide hätten sich beim Einsatz ruhig verhalten.
Die Polizisten beschlagnahmten zahlreiche Dokumente, Bücher und Ausweisdokumente mit Bezug zum KRD sowie Vereinsvermögen. Dabei stellten die Polizisten auch „diverse waffenrechtliche Gegenstände“ sicher und, als Zufallsfund, eine Cannabis-Plantage. Ein entsprechendes Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet.
Mit dem KRD hat Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) die wohl größte „Reichsbürger“-Gruppe Deutschlands verboten. „Die Mitglieder dieser Vereinigung haben einen ‚Gegenstaat‘ in unserem Land geschaffen und wirtschaftskriminelle Strukturen aufgebaut“, sagte Dobrindt. Hunderte Einsatzkräfte durchsuchten bundesweit Wohnungen von führenden Mitgliedern. Den Gründer der Gruppe und selbsternannten „König von Deutschland“ nahmen sie offenbar fest.
„Das KRD war ein esoterisches Finanzimperium“
Das „Königreich Deutschland“ wurde im Jahr 2012 von Peter Fitzek gegründet, der sich direkt selbst zum König krönte. Die skurrilen Szenen der Zeremonie kursieren bis heute im Internet: Fitzek schritt auf einer Art Theaterbühne mit bedeutungsschwerer Miene zu einem Marmortisch und kniete nieder, während Anhänger ihm einen Hermelinmantel umlegten und „Reichsapfel und Zepter“ reichten. Aus Lautsprechern dröhnte eine Sinfonie von Johann Strauss. Mitten in Sachsen-Anhalt rief Fitzek mit dem KRD einen Fantasiestaat aus.
In den Jahren danach sammelte Fitzek, der sich selbst „Peter I.“ nennt, eine stetig wachsende Gruppe von Verschwörungsideologen, Souveränisten und Corona-Leugnern um sich. „Souveränisten“ bedeutet: Die Mitglieder des KRD glauben, die Bundesrepublik Deutschland sei kein souveräner Staat, sondern von den Alliierten besetzt. Deshalb, so die Logik der Monarchisten, könne man innerhalb der Bundesrepublik einen solchen „souveränen“ Staat gründen. Von den etwa 25.000 „Reichsbürgern“ in Deutschland werden circa 6.000 dem KRD zugerechnet.

Peter Fitzek, selbsternannter „König von Deutschland“, bei einem Gerichtsprozess im Jahr 2019.
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„Das ‚Königreich Deutschland‘ war die organisierteste Gruppe innerhalb der Reichsbürger-Szene“, sagt Christoph Schönberger, Professor für Staatsrecht an der Universität Köln. Die Struktur der Szene sei eigentlich eher lose, sie besteht zu einem großen Teil aus Einzelpersonen, die nur im lockeren Kontakt zueinander stehen. „Beim KRD war das anders: Sie hatte eine klare Führungsfigur in Gestalt von Peter Fitzek.“
Die Ideologie des KRD ist eine Mischung aus Esoterik und rechtsnationaler Politik, die von Verschwörungserzählungen und Antisemitismus durchtränkt ist. Die Gruppe versuchte, gesellschaftliche Parallelstrukturen aufzubauen – inklusive einer eigenen Währung, vermeintlich alternativen Kranken- und Rentenkassen und bankartigen Strukturen. „Das ‚Königreich Deutschland‘ war ein esoterisches Finanzimperium“, fasst Schönberger zusammen. Dadurch geriet es immer wieder in Konflikt mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): Wer die Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennt, schert sich selten um ihre Gesetze. Fitzek ist unter anderem wegen Wirtschaftsstraftaten vorbestraft.
„Königreich Deutschland“: Erfolglose Expansion nach NRW
Lange konzentrierten sich die Aktionen des KRD auf die Lutherstadt Wittenberg in Sachsen-Anhalt. Doch der selbsternannte König wollte sein Reich expandieren: „Der Gemeinwohlstaat kommt nach NRW!“, schrieb das KRD auf seiner Webseite. Immer wieder veranstaltete die Gruppe Seminare und Vorträge in Nordrhein-Westfalen. Dabei versuchte sie vor allem, „zahlungskräftige Anhänger für das KRD zu akquirieren“, schreibt das NRW-Innenministerium auf Anfrage.
Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ wurde vor zwei Jahren eine Liste zugespielt von über einem Dutzend Kleinunternehmen in NRW, die sich als Betriebe im KRD wähnten. Keines der Unternehmen versteckte diese Verbindung. Sie schrieben ihre „Zugehörigkeit zum Königreich Deutschland“ ins eigene Impressum. Am offensichtlichsten machte es eine KRD-Anhängerin aus Bonn: „Ein Unternehmen im Königreich Deutschland arbeitet steuerfrei und kann dadurch seine Produkte und Dienstleistungen günstiger anbieten“, schrieb sie auf ihrer Webseite.
Mit der Kung-Fu-Schule „Campus Concept“ in Düsseldorf schaffte es ein Unternehmen 2022 in den NRW-Verfassungsschutzbericht. Beide Inhaber engagierten sich laut dem Nachrichtendienst als sogenannte „Vortragsredner“ und hielten Info-Seminare in NRW ab.

Die Kung-Fu-Schule „Campus Concept“ in Düsseldorf (Archivbild von Mai 2023)
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Die Expansion nach NRW verlief ohne großen Erfolg. Zuletzt bot die Gruppe nur noch sporadisch „Vernetzungswanderungen“ an, die Kung-Fu-Schule zog weg, ein ohne gaststättenrechtliche Erlaubnis geführtes „Vereinslokal“ des KRD in Köln-Holweide wurde bereits 2020 vom Ordnungsamt geschlossen und versiegelt. Von den 6000 Anhängern des KRD leben nur circa 100 in NRW, schreibt das Landesinnenministerium. Damit liege NRW „deutlich unter einer für unser Land erwartbaren Zahl“.
Reichsbürgerszene in NRW wächst
„Das Königreich Deutschland ist kein harmloser Fantasiestaat, sondern ein gefährliches Sammelbecken für Demokratiefeinde“, betont NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Dienstag. Es täusche Gemeinwohl mit Rentenkasse und Heilfürsorge vor, mache sich aber die Taschen auf Kosten anderer voll. „Mit dem heutigen Verbot ziehen wir eine unmissverständliche rote Linie: Der Rechtsstaat duldet keine Parallelstrukturen. Deutschland bleibt Bundesrepublik, wird nicht Königreich.“
Das Verbot des KRD trifft die Reichsbürger-Szene hart. Ihr Vermögen wurde beschlagnahmt, die Finanzstrukturen zerschlagen, einige Führungsfiguren erwarten nun Strafverfahren. Durch die Durchsuchungen und Beschlagnahmungen werde man „viel mehr über die bisherigen Strukturen erfahren, als bisher bekannt war“, sagt Schönberger. Sollte die Szene versuchen, eine ähnliche Struktur wiederaufzubauen, würde das viel Zeit und Mühe kosten. Dazu müsste die Gruppe ohne Peter Fitzek auskommen, um den sich ein massiver Personenkult gebildet hatte.
Der organisierte Teil der „Reichsbürger“ sei nun stark geschwächt, so der Rechtswissenschaftler. Grund zum Aufatmen sei das nicht. Das NRW-Innenministerium zählt 3700 Personen zur Reichsbürger-Szene. Tendenz steigend. „Ein Teil der Bevölkerung zieht sich mental komplett von unserer Gesellschaft und ihrer Rechtsordnung zurück“, so Schönberger. „Das muss uns weiterhin Sorgen machen.“