Menschen zu diskriminieren, ist durch das Grundgesetz verboten. Aber Schwarz-Grün in NRW sieht eine Regelungslücke und will ein eigenen Gesetz auf den Weg bringen, dass Menschen besser vor Benachteiligungen durch Landesbehörden, die Schulen und die Polizei schützen soll.
Papiertiger oder großer Wurf?NRW stellt neues Gesetz gegen Diskriminierung vor

Josefine Paul, Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration (Grüne), spricht bei einem Pressegespräch.
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Die schwarz-grüne Landesregierung will Personen stärken, die von staatlichen Stellen wie Schulen, Hochschulen und Finanzämtern aufgrund persönlicher Merkmale wie Nationalität, Herkunft, Religion, Geschlecht, Sexualität oder Alter benachteiligt werden. NRW-Gleichstellungsministerin Josefine Paul (Grüne) erklärte, das geplante Landes-Antidiskriminierungsgesetz (LADG) sei ein wichtiger Vorstoß, um „Schutzlücken“ zu schließen. Bislang gibt es ein solches Regelwerk nur in Berlin. CDU und Grüne hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag von 2022 auf die Initiative verständigt.
In NRW existieren bereits 44 landesweite Servicestellen für Antidiskriminierungsarbeit. Laut einer Befragung für den Demokratiebericht 2021 ist eine große Mehrheit der Menschen in NRW der Auffassung, dass noch mehr gegen Rassismus, Antisemitismus und Extremismus getan werden muss. „Wir wollen den Schutz jeder und jedes Einzelnen vor diskriminierendem behördlichem Handeln stärken und auch in den Behörden selbst sensibilisieren“, sagte Ministerin Paul. Chancengerechtigkeit und Gleichbehandlung aller Menschen müssten selbstverständlich werden.
Als ein praktisches Beispiel für Diskriminierung durch NRW-Institutionen nannte die Ministerin einen Fall aus dem Bereich Schule. So könnten sich künftig Mädchen Gehör verschaffen, wenn diese im Mathematik-Unterricht systematisch benachteiligt und schlechter benotet würden. Es reiche aber nicht, einfach „ein diskriminierendes Verhalten zu behaupten“, betonte Paul. Wer Diskriminierung beklage, benötige Indizien, die nahelegten, dass es sich tatsächlich um eine Benachteiligung handle. Ein „Misstrauensvotum gegen staatliche Stellen“ – wie zum Beispiel gegen die Polizei – sei das Gesetz nicht, versicherte die Ministerin.
Mehr Diskriminierungsfälle in NRW
Im September hatte das Netzwerk für Antidiskriminierung in NRW einen aktuellen Bericht veröffentlicht. Danach kamen im vergangenen Jahr 1043 neue Diskriminierungsfälle in NRW hinzu – das entspricht einem Anstieg von 15 Prozent. Dem Bericht zufolge ist Rassismus mit knapp 70 Prozent die häufigste Diskriminierungsform. Auch Antisemitismus nahm 2024 deutlich zu und machte 6,8 Prozent aller dokumentierten Fälle aus.
Nicht nur die Grünen, auch die CDU-Fraktion setzt hohe Erwartungen in das LADG. Peter Blumenrath, Gleichstellungsexperte der CDU, erklärte, NRW setze „ein starkes Signal“. Wer „faire Chancen“ schaffe, gewinne „Fachkräfte, Innovation und Wachstum“: „Wir setzen ein deutliches Zeichen für Respekt, Chancengleichheit und Zusammenhalt“, sagte Blumenrath.
Die FDP im Landtag ließ hingegen kein gutes Haar an dem Vorhaben. Es sei „zweifelhaft“, ob ein Landes-Antidiskriminierungsgesetz in der Realität irgendetwas verbessere“, sagt die Abgeordnete Susanne Schneider. „Diskriminierung durch Behörden ist ohnehin durch unser Grundgesetz verboten“, erklärte die Liberale. „Der schwarz-grüne Vorstoß wirkt wie ein symbolpolitischer Papiertiger und könnte im schlechtesten Fall zusätzliche Bürokratie und Rechtsunsicherheiten durch Überschneidungen und unterschiedliche Standards in den Ländern verursachen“, so Schneider. Das würde den Betroffenen von Diskriminierung „kein Stück weiterhelfen“. Statt „Ressourcen für Symbolpolitik“, sollte der Fokus beim Kampf gegen Diskriminierung auf Bildung, Aufklärung und einer modernen Verwaltungskultur liegen – und „nicht auf neuen Beschwerdewegen und Misstrauensmechanismen“.
