Protestbrief an die WissenschaftsministerinStudierende in NRW sehen sich von Armut bedroht

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Der Mensen-Betrieb zählt zu den Aufgaben der Studierendenwerke. Zu sehen ist ein weißes Schild, auf dem "Mensa" zu lesen ist, mit einem Pfeil nach rechts.

Der Mensen-Betrieb zählt zu den Aufgaben der Studierendenwerke.

Das Land weist die Vorwürfe zurück, es würde zu wenig gegen gestiegene Studienkosten unternehmen.

Hilfe bei der Wohnungsbeschaffung, Kinderbetreuung, die Bearbeitung von Bafög-Anträgen und der Mensen-Betrieb – dies sind Aufgaben, die die Studierendenwerke übernehmen. Dafür zahlen die Studierenden einen Beitrag. Während sie im Jahr 1994 zur Finanzierung der Studierendenwerke jährlich noch 50,50 Euro aufwenden mussten, ist der Betrag kontinuierlich gestiegen und kletterte 2022 auf 181,25 Euro. „Wir halten das für eine Entwicklung hin zu Studiengebühren durch die Hintertür!“, hält nun ein Protestbrief nordrhein-westfälischer Studierendenvertretungen an Wissenschaftsministerin Ina Brandes (CDU) fest.

Eine Studie, die der Paritätische Wohlfahrtsverband 2022 veröffentlichte, sah 2020 rund 30 Prozent aller Studierenden in Deutschland in prekären finanziellen Verhältnissen:  „Studierende gehören damit zu einer besonders von Armut betroffenen Gruppe, schließlich liegt ihre Armutsquote deutlich über derjenigen für die Gesamtbevölkerung in Deutschland von 16,8 Prozent“, heißt es dort. Die Armutsgrenze liegt bei 1266 Euro monatlich. Studierende, die in Armut leben, so führt es die Studie aus, unterbieten diesen Wert noch einmal um 463 Euro pro Monat: Sie müssen mit 803 Euro auskommen.

Die Unterzeichner des Briefes an Ina Brandes geben sogar an, dass die Studierenden zu 37,9 Prozent armutsgefährdet seien. Auf Studierende, die allein oder mit anderen Studierenden zusammenleben, treffe dies gar zu 76,1 Prozent zu. Zwar ist der Landeszuschuss an die Studierendenwerke demnach von 37,62 Millionen Euro im Jahr 1994 bis 2023 auf 46,98 Millionen Euro angewachsen. Inflationsbereinigt sei diese Erhöhung aber faktisch eine Verringerung der Finanzierung um mehr als 25 Prozent. Zudem seien die Studierendenzahlen seit 1994 um 130.000 Personen beziehungsweise um rund 30 Prozent gestiegen. 

In eigener Verantwortung auf höhere Kosten reagiert

Für die Arbeitsgemeinschaft der Studierendenwerke NRW sei die Unzufriedenheit nachvollziehbar, heißt es auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die zwölf Studierendenwerke mussten in eigener Verantwortung auf gestiegene Kosten mit Preiserhöhungen für ihre Leistungen reagieren. Man habe dabei die vielfältigen staatlichen Entlastungsmaßnahmen von Bund und Land, die den Studierendenwerken zur Verfügung standen, im Sinne der Studierenden berücksichtigt.

Das Land NRW hat den allgemeinen Landeszuschuss für die Studierendenwerke für das laufende Jahr um drei Prozent erhöht. Auf den Kostendruck der Studierendenwerke habe das Land laut Arbeitsgemeinschaft etwa mit Zuschüssen für gestiegene Energiekosten (4,4 Millionen Euro) und für die Absicherung der Beratungsangebote (800.000 Euro) reagiert. Zudem wolle das Wissenschaftsministerium die Studierendenwerke auch bei den gestiegenen Waren- und Rohstoffkosten entlasten.

Land NRW: Stärkste Erhöhung seit zehn Jahren

Ein Sprecher des Wissenschaftsministeriums weist auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ die Vorwürfe entschieden zurück. „Die Studierendenwerke werden vom Land so gut ausgestattet wie nie zuvor“, sagte er. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode habe das Land die Grundfinanzierung der Studierendenwerke, den sogenannten Allgemeinen Zuschuss, um knapp elf Prozent angehoben – dies sei die stärkste Erhöhung seit zehn Jahren gewesen.

Demnach ist der Betrag von 40,5 Millionen Euro im Jahr 2020 auf 44,8 Millionen Euro im Jahr 2022 gestiegen. Für das Jahr 2023 haben die Landesregierung den Allgemeinen Zuschuss auf rund 47 Millionen Euro erhöht. Da die Studierendenwerke auch zusätzliche Mittel für den Erhalt und Ausbau ihrer psychosozialen Beratungsangebote für Studierende erhalten, übertreffe dies sogar die zugesagte dreiprozentige Steigerung.

Der Ministeriumssprecher weist darauf hin, dass die Studierendenwerke nicht benötigtes Geld zurückgezahlt hätten. Das sei unter anderem auf Rationalisierungsmaßnahmen zurückzuführen. Zur Abfederung der Energiemehrkosten als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine seien für die Studierendenwerke bis zu zehn Millionen Euro für das Haushaltsjahr 2023 vorgesehen. Da auch die Einkaufskosten verschiedener Waren für die Mensen gestiegen seien, würden die Studierendenwerke mit weiteren 6,4 Millionen Euro für den Wareneinkauf unterstützt. „Damit deckt die Landesregierung rund 90 Prozent der Mehrkosten im Vergleich zu 2021 ab“, heißt es aus dem Ministerium.

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