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„Goodbye Deutschland nur Show“Von Spanien zurück ins Bergische: Familie lernte Heimat wieder schätzen

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Sie genießen den Herbst in vollen Zügen – und lieben jetzt sogar Laub und Regen: Jennifer Itinga Fontan (39) und Lukas Reinike (40) mit ihren Söhnen Elián (4) und Noel (6).

Sie genießen den Herbst in vollen Zügen – und lieben jetzt sogar Laub und Regen: Jennifer Itinga Fontan (39) und Lukas Reinike (40) mit ihren Söhnen Elián (4) und Noel (6).

Leben, wo andere Urlaub machen – das hatten sich Jennifer Itinga Fontan (39) und Lukas Reinike (40) schön vorgestellt, vor allem für ihre Söhne. Doch die Realität sah anders aus.

Als sie das Wort „Remscheid“ auf dem Autobahnschild las, kullerten ihr die Tränen über die Wangen. Denn sie war endlich wieder zu Hause. Ein Jahr lang hatte Jennifer Itinga Fontan (39) alles versucht, um ihren beiden Söhne ein besseres Leben in Spanien zu ermöglichen. Vor allem ein sicheres. Doch am Ende musste sie sich eingestehen: Das funktioniert so nicht. Ihr Mann Lukas Reinike (40) geht noch einen Schritt weiter. Er sagt: „Die Sendung ‚Goodbye Deutschland‘ ist nur Show.“

Denn dahin auszuwandern, wo andere Urlaub machen, das klingt total romantisch – jeden Tag die Sonne genießen, viel feiern, mediterrane Gelassenheit. Doch so war es nicht. „Die Realität sah leider anders aus“, sagt Lukas Reinike.

Warum sie ausgewandert sind

Sie hatten eigentlich schon lange davon geträumt, doch Ende Juli 2024 trauten sie sich: Die Familie wanderte nach Spanien aus, in einen Touristenort bei Dénia in der Nähe von Alicante. Denn sie wollten ihren Söhnen Elián (heute 4) und Noel (heute 6) ein besseres Leben ermöglichen. Vor allem in puncto Sicherheit. „Denn Remscheid ist schon wild geworden“, findet Lukas Reinike.

Sie zogen in das Haus von Jennifers Eltern, die damals von Remscheid in ihre Heimat Spanien zurückgekehrt waren. Von dort aus wollten sie sich eine eigene Wohnung suchen. Doch daraus wurde nichts.

Das waren die Probleme in Spanien

„Wir fanden keine bezahlbare Wohnung. Die Vermieter dort wollten lieber an Touristen oder nur Kurzzeit vermieten“, erzählt die 39-Jährige. Also genau das Problem, das immer wieder durch die Medien geht: Touristen nehmen Einheimischen die Wohnungen weg. Und Vermieter machen dabei offenbar mit. „Wir saßen so immer auf gepackten Koffern und kamen nie 100-prozentig an“, sagt Lukas Reinike.

Hinzu kamen die höheren Lebenshaltungskosten – und das bei niedrigeren Löhnen. „Ich kann dort nicht zwei oder drei Jobs machen, damit wir über die Runden kommen“, sagt Jennifer Itinga Fontan. Schließlich musste sie sich auch um die Kinder kümmern, die dort in die Schule gingen. Für die Jungs war das Auswandern übrigens gar kein Problem: Im Nu sprachen sie fließend Spanisch, fanden Freunde, genossen das sichere, dörfliche Leben.

Doch ihre Eltern hatten so ihre Probleme damit. Sie arbeitete 20 Stunden die Woche als Assistentin in der Verwaltung einer Altenpflegeeinrichtung – für denselben Lohn wie hier ein Minijob. Er arbeitete im Homeoffice als Kundenberater für die Luxus-Modekette Breuninger. Doch es reichte nicht fürs Leben.

Die ständige Hitze, die auch für einen anderen Tagesablauf sorgt, und der ausgeprägte Siesta-Lifestyle – selbst bei der Stadtverwaltung – gingen den beiden irgendwann auf den Keks. „Wir sind von hier Struktur gewohnt, die fehlt dort“, sagt Lukas Reinike, der mit fünf Jahren aus Polen nach Remscheid kam, seine Frau wurde in der Werkzeugstadt geboren. Und viele, die sich als vermeintliche Helfer, Mildtäter und Unterstützer ausgaben, waren am Ende nur auf ihr Geld aus.

All das führte dazu, dass sie sich nach einem Jahr dazu entschlossen, wieder zurückzukommen.

Wie die Rückkehr gelang

Obwohl sie die Zeit mit ihren Eltern, die mittlerweile erkrankt sind, sehr genossen hat, ist Jennifer Itinga Fontan nun froh, wieder in Remscheid zu sein. „Ich muss an meine Kinder denken“, sagt sie.

Am 4. August dieses Jahres kamen sie zurück. Vorab hatten sie von Spanien aus schon versucht, vieles zu regeln. „Doch man kann von dort aus nicht alles regeln“, sagt Jennifer Itinga Fontan. Vor allem keine Behördengänge. Ein Bekannter, der sich auf Umzüge von Spanien nach Deutschland spezialisiert hat, half. Lukas Reinikes Schwester nahm alle Sachen der Familie in ihrer Garage auf, Freunde gewährten ihnen in ihrem Haus an der Fichtenhöhe erst einmal Unterschlupf. „Ohne unsere Freunde und Familie hätten wir es nicht geschafft“, meint Lukas Reinike.

Das sind ihre Probleme aktuell

Dort wohnen sie heute noch. Denn sie haben immer noch keine Wohnung gefunden. Die alte an der Fichtenhöhe ist natürlich längst wieder vermietet. Sie merkten: Der Wohnungsmarkt ist angespannt. „Heute kriegt man keine Dreizimmerwohnung mehr für unter 1000 Euro“, sagt sie. Und viele verlangten einen Wohnberechtigungsschein, den sie nicht haben.

Auch einen Kita-Platz für Elián haben sie noch nicht. Noel geht auf die GGS Walther-Hartmann, zusammen mit vielen Kindern, die er noch aus der Kita kennt. Lukas Reinike arbeitet weiter für Breuninger, nachdem er aber einen Monat lang Bürgergeld beziehen musste. Sie arbeitet wieder in ihrem alten Job als Verkäuferin bei Aldi in Remscheid.

Doch die Bürokratie, die macht ihnen derzeit zu schaffen. Und die Wohnungsnot. „Einwandern ist schwieriger als auswandern“, resümiert Lukas Reinike daher. „Wir fangen irgendwie wieder bei null an.“

Wenn sie aktuell durchs Allee-Center gehen, treffen sie viele Bekannte von früher. Dann müssen sie sich Sprüche à la „Hätte ich euch vorher sagen können“ oder „Seid ihr verrückt? Von Spanien zurück nach Remscheid?“ gefallen lassen. Doch die beiden jungen Remscheider sind froh. Sie sehen das Zurückkehren nicht als Scheitern, sondern als wichtige Lebenserfahrung.

Und sie wissen Remscheid jetzt viel mehr zu schätzen. Das gibt Lukas Reinike offen zu. „Früher ging mir der Regen auf den Nerv und ich hatte selbst oft gesagt, hier ist alles schlecht. Aber nein, hier ist nicht alles schlecht“, betont er. Manchmal braucht es eben einen Perspektivwechsel, um das zu erkennen.

Jetzt genießt die Familie den bergischen Herbst. Und den Blätterwald. Denn das gab es in Spanien so nicht, geschweige denn Schnee, den Noel so sehr vermisst. Und mit dem höheren Lohnniveau in Deutschland können sie sich auch vielleicht wieder einen Urlaub an der Nordsee leisten.

Und Lukas Reinike, der freut sich jetzt auf eine Sache ganz besonders: den Remscheider Weihnachtstreff.

Dieser Artikel erschien zuerst beim „Remscheider General-Anzeiger“, Partner im „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.