50-Stunden-WocheSPD fordert Reform des Arbeitszeitmodells für Lehrkräfte in NRW

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Eine Lehrerin rechnet an einer digitalen Tafel.

Lehrkräfte arbeiten in NRW laut Studien knapp 50 Stunden die Woche.

Auch Gewerkschaften und Lehrerverbände wollen, dass Arbeitszeit außerhalb des Unterrichts einbezogen wird.

Die SPD fordert eine Reform des Arbeitszeitmodells für Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfalen. Nur so könne dem Lehrkräftemangel und dem hohen Anteil an Teilzeit arbeitenden Lehrkräften wirksam entgegengewirkt werden, heißt es in einem Antrag der SPD. Aktuell arbeitet inzwischen jede dritte Lehrkraft in NRW in Teilzeit. Viele der Lehrkräfte haben wegen der starken Arbeitsbelastung ihre Pflichtstunden reduziert, weil sie sich sonst nicht mehr in der Lage sehen, ihren Beruf auszuüben.

Dabei können sich laut aktuellem Schulbarometer der Robert-Bosch-Stiftung zwei Drittel der befragten Teilzeit-Lehrkräfte vorstellen, mehr zu arbeiten. Laut der Studie halten die aktuellen Bedingungen sie aber von einer Aufstockung ab. Als größtes Hindernis wird das sogenannte Deputatsmodell gesehen, das nur die zu unterrichtenden Pflichtstunden als Arbeitszeit erfasst. In NRW sind das 28 Unterrichtsstunden pro Woche. Dabei liegt Nordrhein-Westfalen mit an der Spitze. In Niedersachsen sind es beispielsweise 23,5, in Thüringen 25 Stunden und in Berlin 26 Stunden.

Hamburg als Modell für NRW?

In ihrem Antrag fordert die SPD die Landesregierung auf, gemeinsam mit Gewerkschaften, Personalräten und Lehrkräfteverbänden ein „gerechtes, zeitgemäßes und vergleichbares Arbeitszeitmodell für Lehrkräfte in NRW zu entwickeln, das den tatsächlichen Arbeitsrealitäten in den NRW-Schulen gerecht wird.“ Als Diskussionsgrundlage einer Reform empfiehlt die SPD den Blick nach Hamburg, wo die unterrichtsbezogene Zeit nur 75 Prozent der gesamten Arbeitszeit ausmacht. Außerdem wird die Zeit für Unterricht je nach Fach und Klassenstufe differenziert.

In der Expertenanhörung bekräftigten Lehrerverbände und Gewerkschaften die Dringlichkeit einer solchen Arbeitszeitreform. Das seit über 100 Jahren bestehende Deputatsmodell, das lediglich die Zahl der Unterrichtsstunden pro Woche vorschreibt, aber nicht die tatsächliche Wochenarbeitszeit, wurde als nicht mehr zeitgemäß beurteilt. Aus Sicht der Befragten müsste dieses unflexible Modell in ein Arbeitszeitmodell umgewandelt werden, das auch Aufgaben außerhalb des Unterrichts als Arbeitszeit mehr berücksichtigt.

Lehrer in NRW fordern Entlastung von unterrichtsfernen Aufgaben

Der Autor der Studie „Lehrkräftearbeitszeit in Deutschland“ und ehemalige Staatssekretär, Mark Rackles, betonte, dass alle Studien belegten, dass eine Mehrheit der Lehrkräfte dauerhaft oberhalb tariflicher Normen arbeitet, da die Pflichtstunden des Deputats nur einen Teil der Dienstzeit ausmachten. Das führe zu jährlichen Überstunden, die sich selbst konservativ auf mehrere Zehntausend Vollzeitstellen summierten. Zudem verstoße das bestehende Arbeitszeitmodell in Deutschland gegen Arbeitsschutzbestimmungen, weil die tatsächliche Ist-Arbeitszeit nicht erfasst werde. Es brauche dagegen ein neues Modell, das auf die Jahresarbeitszeit abzustellen sei und mehr Flexibilität gewährleiste. Als Pilot- oder Modellversuch sollten die Überstunden erfasst und das Führen von tariflich abgesicherten Arbeitszeitkonten ausprobiert werden.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft NRW (GEW) verwies auf Studien, wonach die wöchentliche Arbeitszeit von Lehrkräften bundesweit bei durchschnittlich knapp 50 Stunden pro Unterrichtswoche liegt. Die GEW fordert ebenso wie der Philologenverband NRW, dass die wöchentlichen Deputatsstunden herabgesetzt werden, da Lehrkräfte immer mehr unterrichtliche und außerunterrichtliche Aufgaben zu erfüllen hätten – so etwa Lernstands-Dokumentation oder Administration der digitalen Technik oder die Integration von immer mehr Kindern ohne ausreichend Sprachkenntnisse sowie die Herausforderung durch Inklusion. Pädagogische Beschäftigte müssten außerdem von ihren organisatorischen und unterrichtsfernen Aufgaben entlastet werden.

Deshalb forderte die Rheinische Direktorinnen- und Direktorenvereinigung neben der Reform des Arbeitszeitmodells dringend die Entlastung durch multiprofessionelle Teams für alle Schulen. Jede Schule brauche je 600 Schülern eine Stelle Sozialarbeit und eine Stelle Verwaltungsassistenz. Außerdem je 1000 Schüler eine Stelle IT-Assistenz.

„Uns ist bewusst, dass diese Forderungen nicht kostenneutral sind“, hieß es von Seiten des Philologenverbandes Nordrhein-Westfalen. Aber eine Verbesserung der Attraktivität des Lehrerberufs mit einhergehenden Entlastungen sei eben Fall zum Nulltarif zu erreichen. Auch das Hamburger Modell krankt nach Ansicht der Experten daran, dass es einerseits zu starr ist und kostenneutral geplant ist.

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