Die SPD in NRW versammelte sich zum Parteitag in Duisburg. Ehrengast Lars Klingbeil wurde von der Parteibasis in die Zange genommen.
SPD in NRWSarah Philipp und Achim Post als Landesvorsitzende wiedergewählt

Duisburg: Achim Post (2.vl) und Sarah Philipp (2. vr) bleiben Landesvorsitzende der NRW-SPD
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Die SPD in Nordrhein-Westfalen hat am Samstag ihre Doppelspitze, bestehend aus Sarah Philipp und Achim Post, im Amt bestätigt. Gegenkandidaten gab es keine, Philipp und Post bilden seit August 2023 das erste Führungsduo in der Geschichte des Landesverbands. Bundesvorsitzender Lars Klingbeil musste in Duisburg gerade von jüngeren Genossen Kritik einstecken.
In der Duisburger Mercatorhalle schien die Stahlstadt nicht nur wegen des Veranstaltungsortes in Mittelpunkt zu stehen. Gleich mehrmals begrüßten die Delegierten Ehrengast Bärbel Bas, Duisburgerin und seit Dienstag Ministerin für Arbeit und Soziales, mit Jubel und Applaus. Vorne in der ersten Reihe saß der größte Star der nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten. Auch für die Duisburger Landtagsabgeordnete Sarah Philipp war der Parteitag ein Heimspiel: Als sie für ihre Bewerbung ans Pult trat, holte sie zu einer auffallend feurigen Rede aus.
Philipp: „2027 holen wir uns die Staatskanzlei zurück!“
Die 42-Jährige stellte die Chancengleichheit in den Mittelpunkt. „Es darf keinen Unterschied machen, ob du in Duisburg-Hochfeld oder in Baden-Baden zur Welt kommst. Ob du in der Eifel lebst oder am Tegernsee“, sagte Philipp. „Und trotzdem macht es einen Unterschied.“ Dort, wo der Staat schwach sei, wenden sich die Menschen ab, dort, wo Menschen glauben, sie zählen nicht mehr, wanke die Demokratie. „Zur Wahrheit gehört: Auch wir Sozialdemokraten haben dieses Problem lange ignoriert und auf die lange Bank geschoben.“ NRW müsse ein Land der gleichen Chancen werden, und wenn die SPD für eine gerechtere Zukunft in NRW kämpfe, müsse sie auch eine Partei der Frauen werden. „Es gibt immer noch zu viele Frauen, die sich doppelt anstrengen müssen, um halb so sichtbar zu sein.“
Die SPD sei „das Fundament der Brandmauer“, sagt Philipp und begrüßt die Hochstufung der AfD durch den Verfassungsschutz. „Man arbeitet nicht mit Nazis zusammen – weder im Bundestag, noch in den Kommunalparlamenten.“ Der Applaus im Saal unterbrach sie. Philipp fordert die Prüfung eines AfD-Verbotsverfahren durch die Bundesregierung.
Mit Blick auf die nächsten Kommunal- und Landtagswahlen gab sich die Landeschefin kämpferisch. Hendrik Wüst als nächster Ministerpräsident sei nicht in Stein gemeißelt, sondern „schlagbar“. „2027 holen wir uns die Staatskanzlei zurück!“, rief sie.
Achim Post mit 82 Prozent im Amt bestätigt
Eine Rede wie von Hannelore Kraft, hieß es später aus der Partei. „Die Rede ist von vielen gelobt worden“, sagte auch Landtagsabgeordnete Lisa-Kristin Kapteinat. Über die letzten Jahre habe Philipp „konstant gute Arbeit“ gemacht. Die Delegierten reagierten mit 89 Prozent Zustimmung. Damit konnte sie ihr Ergebnis von 2023 leicht verbessern.
Achim Post fuhr dagegen ein schlechteres Ergebnis ein: 82 Prozent der Delegierten gaben ihre Stimme für ihn ab – 10 Prozent weniger als letztes Mal. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete aus Minden-Lübbecke warb am Rednerpult für eine Politik für Millionen, nicht für Millionäre, und forderte Konsequenzen aus der Niederlage bei der Bundestagswahl. 16,4 Prozent – diese Zahl raunten nach ihm noch viele Redner mahnend ins Mikrofon. Es war das schlechteste Ergebnis für die Sozialdemokraten seit 1887.
Gegen Mittag trat der Bundesvorsitzende Lars Klingbeil vor die roten SPD-Aufsteller. Der Parteitag in NRW, hieß es im Vorfeld, könnte die erste Feuerprobe sein für den frisch vereidigten Vizekanzler. Der mitgliederstärkste Landesverband ging bei Kabinettsposten häufig leer aus, sowohl ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach als auch die frühere Umweltministerin Svenja Schulze, beide als Ehrengäste beim Parteitag geladen, nehmen nicht mehr auf der Regierungsbank Platz. Verglichen mit seiner einzigen Kabinettskollegin Bas fiel der Jubel für Klingbeil in Duisburg verhaltener aus.
Klingbeil: „Sind zum Erfolg verdammt“
Klingbeil begann seine Rede mit einer Spur von Selbstkritik. Die letzten Wochen seien von Höhen und Tiefen geprägt gewesen, von schwierigen Entscheidungen und Dingen, die aufgearbeitet werden müssten. Dazu gehöre das Ergebnis vom 23. Februar. „Auch ich habe Fehler gemacht“, sagte Klingbeil. Zum Beispiel, so der Parteichef, hätte er energischer für den Erhalt von Industriearbeitsplätzen und weniger Bürokratie einstehen müssen. Die neue Regierung habe die Aufgabe, das Land stark zu machen. „Wenn wir es nicht hinbekommen, wird es noch schwieriger, die demokratische Mitte zu stabilisieren. Deswegen sind wir zum Erfolg verdammt.“

Lars Klingbeil, SPD-Parteivorsitzender, diskutiert in Duisburg mit Delegierten.
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Nach Klingbeils Rede hatte der Landesvorstand eine „Aussprache“ mit Mitgliedern eingeplant. Erst wollte diese nicht richtig in Fahrt kommen, doch dann ergriff die Vorsitzende der NRW-Jusos Nina Gaedicke das Wort: Wenn Klingbeil denke, er könne alle Kontroversen in der SPD „einmal schnell umschiffen“, dann liege er falsch. Nicht die ganze SPD trage den Kurs der Koalition im Asylbereich und zur Grundsicherung mit. „Du magst jetzt Vizekanzler sein, aber in der Sozialdemokratie brauchen Vorsitzende die Unterstützung ihrer Mitglieder. Deshalb nimm Kritik endlich ernst“, schloss sie. Ihr Applaus war kurz lauter als der für Klingbeil.
Klingbeil: „Müssen Politik machen für Menschen in diesem Land, die sich als Mitte begreifen“
Auch die Kritik von anderen Genossen an dem Parteivorsitzenden fiel hart aus. Wer so handle wie er und „auf dem Schleudersitz klebt wie Sekundenkleber“, habe seinen moralischen Kompass verloren, sagte ein Delegierter aus Gelsenkirchen. Eine junge Oberbergerin sprach von einem „Koalitionsvertrag, der die rechten Ränder stärkt.“ Ähnlich frustriert trat eine Delegierte aus Coesfeld ans Mikrofon, die ihren Redebeitrag bereits mit einem „Lars, es wäre schön, wenn Du jetzt zuhörst“ begann. Nach einer gescheiterten Bundestagswahl erwarte sie von der Parteispitze um Lars Klingbeil, Saskia Esken und Matthias Miersch, dass sie Verantwortung übernehmen - und zwar gemeinsam. „Der eine kriegt den Spitzenposten und die Frau ist der Sündenbock der Nation. So wirkt das jetzt nach außen“.
85 Prozent der Sozialdemokraten hätten für die Koalition gestimmt, entgegnete Klingbeil. „Was kann man mehr tun, als die Mitglieder zu fragen, ob wir in die Regierung gehen wollen? Das Ergebnis des Mitgliedervotums müssen wir dann auch ernst nehmen.“ Die Personalentscheidungen seien zudem von Esken, Miersch und ihm gemeinsam getroffen worden. „Meine Antwort auf 16,4 Prozent ist nicht, dass die SPD noch polarisierter und radikaler auftritt und noch weiter nach links rückt“, sagte Klingbeil, bevor er sich zum nächsten Parteitag nach Schleswig-Holstein entschuldigte. „Wir müssen Politik machen für Menschen in diesem Land, die sich als Mitte begreifen. Die haben sich doch von uns abgewandt.“
Auch der Generalsekretär der NRW-SPD Frederick Cordes wurde in Duisburg im Amt bestätigt. Svenja Schulze ist stellvertretende Landesvorsitzende, zusammen mit Marc Herter, Veith Lemmen, Maximilian Reeck und Sara Zorlu.