Immer weniger LebensraumTier des Jahres 2024 gewählt – der Igel ist bedroht

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Ein junger Braunbrustigel (Erinaceus europaeus) sitzt zwischen Laub auf einem Gehweg vor einem Gebüsch.

Immer mehr Gefahren ausgesetzt: der Braunbrustigel

In Deutschland gefährden Nahrungs- und Unterschlupfmangel das stachelige Säugetier. In Städten wie Köln leben mittlerweile wesentlich mehr Igel als auf dem Land. 

Die Deutsche Wildtier-Stiftung (DWS) hat den Igel, genauer gesagt, den Braunbrustigel, zum Tier des Jahres 2024 ausgerufen. Über den Titel stimmen die Spenderinnen und Spender der Stiftung jährlich ab. Wie hat es der Igel auf Platz eins vor Eichhörnchen und Fuchs geschafft? Inwiefern ist das Tier gefährdet? Und wie können Gartenbesitzer einen Igel in Not erkennen?

Tier des Jahres 2024: Lebensräume des Igels schwinden

„Der Igel hat es in unserer Kulturlandschaft immer schwerer“, sagt Jenifer Calvi, Sprecherin der DWS. Der Igel findet immer weniger passenden Lebensraum. Auf dem Land haben aufgeräumte Agrarlandschaften die früher üblichen Hecken, Gehölze, Laubwälder und artenreichen Wiesen verdrängt.

In der Stadt bieten städtische Gärten und Grünanlagen mehr Vielfalt und Abwechslung. Schätzungen zufolge gibt es in Städten wie Köln, Bonn oder Düsseldorf bis zu neunmal so viele Igel wie auf dem Land. Aber auch hier hat er es nicht leicht. Versiegelte Flächen und Schottergärten seien als Lebensraum nicht nur für den Igel völlig wertlos, sagt Birgit Königs, Sprecherin des Naturschutzbunds (Nabu) NRW.

Es fehle an naturnahen Gärten, an Gestrüpp und Sträuchern, in denen Igel und andere Wildtiere Nahrung und Schutz finden. Das Thema schwindender Lebensraum habe die Wahl zum Tier des Jahres maßgeblich beeinflusst, sagt Calvi.

Igel in Städten – was sie bedroht

Igel legen nachts auf Nahrungssuche weite Strecken zurück und sind dabei vielen Gefahren ausgesetzt, einschließlich natürlicher Feinde wie Dachs, Fuchs und Uhu. Auf einem erwachsenen Igel wachsen circa 7500 Stacheln, die ihn vor Feinden und Stürzen schützen sollen. Bei Gefahr rollt er sich ein. Weniger bekannt ist, dass Igel in Notsituationen kurzzeitig schwimmen können. Trotzdem erliegen viele von ihnen schnell der Erschöpfung und ertrinken. Insbesondere in Teichen mit steilen Ufern, da sie den Ausweg nicht finden und nicht klettern können.

Obwohl die Abwehrstrategie eines Igels gegen einen Fuchs wirksam sein kann, ist sie gegen Autos, Mähroboter und Rasentrimmer meist nutzlos. Viele Igel werden auf Straßen überfahren oder durch Geräte in Gärten tödlich verletzt. „Obwohl Igel mittlerweile häufiger in der Stadt als auf dem Land anzutreffen sind, sind sie hier auch deutlich mehr Gefahren ausgesetzt“, sagt Calvi.

Ein Mähroboter von Husqvarna fährt auf der Landesgartenschau über eine Wiese und kehrt vor der Rasenkante um.



Mähroboter sollten nur tagsüber fahren, fordern Fachleute aus der Wissenschaft.

Mähroboter sollten nur tagsüber fahren, zum Schutz von Igeln und anderen Wildtieren, fordern Fachleute aus der Wissenschaft.

In NRW gilt der Igel noch als ungefährdet

Wie viele Igel es in Deutschland gibt, ist nicht bekannt. Laut Calvi sollen sie im Laufe des Jahres bundesweit gezählt werden. Wildtierexperten gehen aber von einem schleichenden Rückgang der Population aus. Der Igel stehe bereits auf der Vorwarnliste der Roten Liste der Säugetiere Deutschlands. Wenn der negative Einfluss des Menschen auf den Braunbrustigel anhalte, müsse die Art in absehbarer Zeit in die Kategorie „Gefährdet“ hochgestuft werden, so die DWS-Expertin. In NRW gilt der Igel noch als ungefährdet.

Um sich wohlzufühlen, brauchen die Tiere naturbelassene Gärten mit wilden Hecken, Sträuchern und ungemähten Rasenflächen. Hier können sich Igel verstecken, im Sommer Nachwuchs zur Welt bringen und ab November Winterschlaf halten. Zudem findet der Igel hier seine Nahrung: Insekten, Regenwürmer und Spinnentiere. Sein guter Geruchssinn hilft ihm dabei, seine Beute in einem Umkreis von einem Meter aufzuspüren.

Igel in Not: Das können Gartenbesitzer auch während des Winters tun

„Der Braunbrustigel ist ein nachtaktiver Wanderer, der gerne alleine ist und Winterschlaf hält“, erklärt Calvi. In der Regel wachen die Tiere demnach nicht vor April auf. Derzeit schlummern die meisten Igel noch in ihren Unterschlüpfen, häufig tun sie das in Laubhaufen. Viele Gartenbesitzer würden aber schon jetzt anfangen, ihre Grünanlagen parat zu machen. Calvi plädiert dafür, damit noch etwas zu warten: „Vielleicht kann man den Laubhaufen in der Ecke des Gartens etwas länger liegen lassen, mit hoher Wahrscheinlichkeit befindet sich noch ein Igel darin.“

Entdeckt man einen Igel tagsüber, sollte man ihn zunächst beobachten und schauen, wie agil er sich verhält. Ein gesunder Igel läuft weg, während ein kranker taumelt oder still verharrt. In diesem Fall sollte man ein Foto machen, aber Abstand halten und eine Igelauffangstation kontaktieren.

Man gibt einem Igel nur Wasser, keine Kuhmilch, da Igel laktoseintolerant sind. Wirkt der Igel abgemagert, könne man ihm auch ungewürztes Rührei oder mageres Katzenfutter hinausstellen.

Deutsche Wildtier Stiftung informiert über bedrohte Tiere

Die DWS wählt jährlich ein Tier des Jahres. Meist handelt es sich um bedrohte oder gefährdete Wildtiere. Es gehe der Stiftung auch darum, auf Mensch-Tier-Konflikte aufmerksam zu machen. Dieses Jahr waren Igel, Fuchs und Eichhörnchen, die mittlerweile hauptsächlich in Städten leben, nominiert. Im Gegensatz zum Igel sind Eichhörnchen und Fuchs jedoch nicht in ihren Lebensräumen bedroht.

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