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Wie tickt NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk?„Ich bekomme keinen Beliebtheitspreis“

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NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) auf dem Platz des Tennisclubs Rot-Weiß Kempen

NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) auf dem Platz des Tennisclubs Rot-Weiß Kempen. 

Er ist der Herr über die Ausgaben der schwarz-grünen Landesregierung. Aber Marcus Optendrenk ist kein Typ, der das Rampenlicht sucht. Wie tickt der NRW-Finanzminister?  Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat den 55-Jährigen CDU-Politiker am Tennisplatz getroffen. 

Die Jungs, die gerade ihr Tennis-Training beendet haben, wundern sich. Wer ist denn dieser Typ, der da am Netz von Platz eins steht, und von einem professionellen Fotografen abgelichtet wird? „Muss man den kennen?“, fragt der Größere den Reporter. Wie man es nimmt. Der Mann ist NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk. Der Gesichtsausdruck der Nachwuchsspieler verrät, dass sie diesen Namen noch nie gehört haben.

Dabei ist der CDU-Politiker auf dem Gelände des Tennis-Club Rot-Weiß Kempen 1950 e.V. durchaus eine Instanz. Luigi, der Wirt des Vereinsheims, winkt ihm freundlich zu. Optendrenk trainiert hier regelmäßig, mit seinem Team hat er es schon bis in die Niederrheinliga geschafft. Bei einem Spiel gegen den Tennisverein Burg Altendorf sei er schonmal auf einen Vorstand der Sparkasse Essen getroffen. „Der hat mich erst auf den zweiten Blick erkannt“, sagt der Minister und schmunzelt.

Eigentlich hatten die Journalisten gehofft, dass Optendrenk zu dem Termin beim TC Rot-Weiß in Tenniskluft erscheinen würde. „Ne, ne“, sagt der Minister, bei so was mache er nicht mit. „Ich bin im Amt, da kann man von mir erwarten, dass ich keine Spökes mache“, erklärt der Finanzminister. Er trägt ein blaukariertes Freizeithemd zur Anzughose. Das muss reichen.

Professionell, aber uneitel

Im Gegensatz zu vielen anderen Politikern, die in der Landespolitik Verantwortung tragen, sind über Marcus Optendrenk in den Archiven keine Portraits zu finden. Es reizt ihn nicht, sich selbst ins Rampenlicht zu stellen, oder Privates preiszugeben. Er wirkt stets professionell, aber komplett uneitel. Gefühlt seit Jahrzehnten trägt er die gleiche Brille und die gleiche Frisur. Er braucht keinen Maßanzug, um sich wohlzufühlen.

Marcus, der Vorname des Ministers, schreibt sich mit „c“, weil sein Vater Lateinlehrer war. „Der war nicht besonders streng, aber ein Mensch, der strukturiert gearbeitet hat“, sagt Optendrenk. „Das hat natürlich auf mich abgefärbt.“ Optendrenk gab als Schüler Nachhilfeunterricht in Latein, finanzierte mit den Einnahmen neue Bespannungen für seine Tennisschläger. Wer Latein kann, ist übrigens auch oft in Mathe gut. „Das hilft dann auch, wenn man Finanzminister ist“, sagt Optendrenk und lacht.

Der Vater war es auch, der dem Sohn das Interesse an Geschichte näherbrachte. „Latein und das alte Rom, das gehört ja untrennbar zusammen“, erzählt Optendrenk. Als Kind habe er sich viele Asterix-Filme im Kino angeguckt, und daraus seine Schlüsse gezogen. „Mit Pfiffigkeit kommt man eben weiter als durch die plumpe Ausübung von Macht“, sagt der Minister.

„Quidquid agis prudenter agas et respice finem“, das ist ein Sinnspruch, den der Minister bis heute ab und zu in kleiner Runde zitiert. „Das heißt: Was immer Du tust, mach es mit Augenmaß und bedenke das Ende", erklärt Optendrenk. Das Zitat erinnert an den berühmten Ausspruch des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU), der sagte: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt“. Optendrenk ist kein Ideologe, sondern Pragmatiker. 

Vor drei Jahren, im Sommer 2022, hatte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst bei ihm angerufen und ihn gefragt, ob er Finanzminister werden wolle. „Da blieb nicht viel Zeit zum Nachdenken, die Vereidigung war ja schon am nächsten Tag“, erinnert sich Optendrenk. Klar habe er zugesagt, auch ohne das vorher mit seiner Frau abklären zu können. Er sei im Landtagsbüro gewesen, sie zu Hause im Garten und nicht ans Telefon gegangen.

Wüst und Optendrenk kennen sich schon aus JU-Zeiten

Wüsts Vorgänger, Armin Laschet, hatte fünf Jahre zuvor den Bonvivant Lutz Lienenkämper zum Finanzminister berufen. Nein, damals sei er nicht enttäuscht gewesen, sondern eher sogar erleichtert: „Ich war damals gerade Vater geworden und wollte Zeit mit der Familie verbringen. Ich bin froh, dass uns das gelungen ist.“

2022, nach den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen, kündigte Lienenkämper überraschend seinen Abschied an. Wüst und Optendrenk kennen sich schon, seit sie zusammen in der Jungen Union Politik gemacht haben. „Ich bin 1998 in den JU-Landesvorstand gekommen. Damals hätte ich mir nicht vorstellen können, Berufspolitiker zu werden“, sagt der Finanzminister.

Optendrenk war zunächst als Referent der CDU-Landtagsfraktion für Bauen und Wohnen nach Düsseldorf gekommen. Nach dem Wahlsieg im Jahr 2005 wurde er Büroleiter des damaligen Finanzministers Helmut Linssen (CDU) befördert. Jetzt sitzt er im alten Büro selber auf dem Chefsessel. „Vieles ist unverändert. Der blaue Teppich und die Schränke waren damals schon drin“, erklärt Optendrenk.

Kaum ein anderer Minister im NRW-Kabinett wird von sich behaupten können, so große Vorkenntnisse über sein Metier mitgebracht zu haben wie Optendrenk. Wahrscheinlich ist es dieser Situation geschuldet, dass der promovierte Historiker oft etwas detailverliebt wirkt. „Es kommt wohl selten vor, dass Referatsleiter sich bei Fachentscheidungen den Rat des Ministers einholen können“, sagt ein Weggefährte. „Bei Marcus funktioniert das. Dem kann man nichts vormachen. Längst nicht alle Ressortchefs sind in der Lage, auch mal den Fachidioten geben.“

„Er ist ein Anti-Hallodri“

Gute Vorbereitung ist Optendrenk wichtig. Zu einem Termin zu fahren, ohne die Namen der Gesprächspartner zu kennen, ist für ihn unvorstellbar. „Er ist ein Anti-Hallodri, ein Typ, auf den man sich verlassen kann“, sagt ein Landtagsabgeordneter. „Wenn es einen Menschen gibt, von dem ich unbedenklich einen Gebrauchtwagen kaufen würde, dann wäre er das.“

Noch hat Optendrenk allerdings nicht vor, den Volvo V 70-Kombi, der mehr als 300 000 Kilometer auf dem Tacho hat, abzugeben. Den fährt er privat. Dienstlich ist er mit einer voll elektrischen Limousine unterwegs. Noch zumindest.

Denn: Optendrenk, der sich stets Mühe gibt, ruhig und sachlich zu erscheinen, kann auch mal die Geduld verlieren. „Es kommt nicht oft vor, dass er aus der Hose springt, wenn ihm etwas nicht passt“, sagt eine Kommunalpolitikerin von Niederrhein. „Aber darauf muss man auch gefasst sein.“

Optendrenk gegen E-Dienstwagen

Beim Thema Dienstwagen war jetzt so ein Punkt erreicht. Es geht darum, dass das Elektroauto eine zu geringe Reichweite hat. „Wir verlieren auf langen Fahrten regelmäßig Zeit wegen der Ladepausen“, berichtet Optendrenk. Er habe der E-Mobilität eine faire Chance gegeben, leider sei der Test gescheitert. „Ich wäre gerne dabei geblieben. Aber so bringt das nichts. Vielleicht, wenn die Reichweiten noch etwas besser werden.“

Die Abkehr von der E-Mobilität stößt vor allem bei den Grünen auf Unverständnis. Ladepausen zu planen, sei doch eine Frage des Kalendermanagements, heißt es. Man könne den Eindruck gewinnen, dass Optendrenk einen „Kulturkampf“ vom Zaun brechen wolle. „Dem wäre es eh lieber gewesen, wenn die CDU mit der FDP hätte weiter regieren können“, mutmaßt ein Landtagsabgeordneter der Grünen. Ein Verdacht, über den Optendrenk nur den Kopf schüttelt.

Ihm sei wichtig, dass in der Koalition wichtige Zukunftsfragen gelöst würden. In der Regierungszeit von SPD und Grünen sei der Umbau von Verwaltungsstrukturen aus Angst vor Widerständen nicht angegangen worden. „Bürokratieabbau bedeutet immer, das Liebgewonnenes infrage gestellt wird. Da muss man auch mal den Mut haben, unbequeme Entscheidungen zu treffen. Als Finanzminister bekomme ich keinen Beliebtheitspreis.“

Rhababerschorle statt Alkohol

Optendrenk liebt seine Heimat. Am Wochenende unternimmt er oft Spaziergänge in der Umgebung, veröffentlicht Bilder davon in den sozialen Netzwerken. „So mancher Politiker hätte wohl Angst davor, damit den Eindruck zu erwecken, er sei ein Provinzheini, aber das juckt den Marcus nicht“, sagt eine Weggefährtin.

Optendrenk verstellt sich nicht. Er trinkt keinen Alkohol, dafür mag er gerne Rhabarberschorle. Er hat eine Schwäche für Süßes, vor allem für Apfelkuchen, nur in der Fastenzeit lässt er die Sahne weg. Er bemüht sich, fit zu bleiben. Denn sonst klappt es nicht beim Tennis.

Optendrenk hat in den 70er Jahren viele Duelle der Tennisikonen Björn Borg und John McEnroe im TV gesehen. Fünfzig Mal hin- und herzuspielen, wie der Schwede, und auf Fehler des Gegners zu warten, sei seine Sache nicht, sagt der Minister. Auch dem aggressiven Stil des Amerikaners könne er nicht viel abgewinnen. Sein Idol sei vielmehr der Sandplatzspezialist Manuel Orantes gewesen. Der Spanier war ein zurückhaltender Typ. Er erlangte eine Bekanntheit, die er eigentlich nie gesucht hatte. Das Vorbild passt zu Optendrenk.