Anzeige wegen VolksverhetzungEx-Minister Ramsauer vergleicht Migranten mit „Ungeziefer“ – Rücktritt gefordert

Lesezeit 6 Minuten
Peter Ramsauer (CSU) hat mit Aussagen über Migrantinnen und Migranten für Empörung ausgelöst. Mittlerweile versucht sich der ehemalige Verkehrsminister in Schadensbegrenzung.

Peter Ramsauer (CSU) hat mit Aussagen über Migrantinnen und Migranten für Empörung ausgelöst. Mittlerweile versucht sich der ehemalige Verkehrsminister in Schadensbegrenzung.

Nach einem „Ungeziefer“-Vergleich steht Peter Ramsauer in der Kritik. Der CSU-Politiker rudert zurück. Eine Organisation fordert seinen Rücktritt.

Der frühere Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer steht nach einer menschenverachtenden Aussage über Migrantinnen und Migranten massiv in der Kritik. Der CSU-Politiker hatte in einem Interview mit dem Magazin „Mittelstand Digital“ des Bunds der Selbständigen Nordrhein-Westfalen und der Bundesvereinigung Mittelständischer Unternehmer davor gewarnt, dass bei der unkontrollierten Einwanderung auch die Gefahr bestehe, dass „Ungeziefer“ ins Land komme.

Interview des Ex-Ministers: Empörung und Kritik nach „Ungeziefer“-Vergleich von Peter Ramsauer

SPD-Politiker äußerten daraufhin scharfe Kritik an Ramsauer. Aus der Linkspartei kamen unterdessen sofort Forderungen, Ramsauer müsse sein Bundestagsmandat wegen der „lupenreinen Volksverhetzung“ zurückgeben oder die Union ihn aus der Fraktion ausschließen.

„Wenn Ramsauer Geflüchtete mit Ungeziefer vergleicht, schwingt die Geschichte des Holocaust mit, die Entmenschlichung, die der Vernichtung vorausging“, erklärte der stellvertretende Vorsitzende Lorenz Gösta Beutin auf X, vorher bekannt als Twitter. 

Der Grünen-Abgeordnete Daniel Eliasson schrieb auf Twitter, er habe Ramsauer wegen Volksverhetzung angezeigt. In den sozialen Netzwerken wird auch am Dienstagmorgen noch heftig über die Aussage gestritten.

DaMigra fordert Rücktritt von Ex-Minister Peter Ramsauer nach „Ungeziefer“-Vergleich

Der Dachverband der Migrantinnenorganisationen (DaMigra) hat am Dienstag den Rücktritt Ramsauers von seinem Amt als Bundestagsabgeordneter gefordert. „Wir fordern nichts von Herrn Ramsauer außer seinen direkten Rücktritt und Nachhilfe zum Grundgesetz und den Menschenrechten, denn das Recht auf Asyl ist nicht im luftleeren Raum entstanden“, erklärte die Organisation auf Anfrage dieser Zeitung.

Diese Menschenrechte für „das Fischen nach Wahlstimmen am rechten Rand zu instrumentalisieren, ist eine bodenlose Unverschämtheit“, heißt es in dem Statement weiter. „Menschen als „Ungeziefer“ zu bezeichnen, das ist effektiv Volksverhetzung und ein unbestrittener Gipfel der sprachlichen Herabwürdigung“, erklärte die Organisation weiter.

Solche Aussagen würden Menschenfeindlichkeit und Rassismus fördern.  „In welchen Taten diese grauenvoll gipfeln können, haben uns die rechtsextremen und rassistischen Anschläge in Halle, Hanau oder München der letzten zehn Jahre gezeigt [...]“, erklärt DaMigra weiter.

CSU-Politiker Peter Ramsauer zitiert Deng Xiaoping falsch – und versucht zurückzurudern

Wörtlich hatte das Magazin Ramsauer bei einer Frage zur Fachkräfteeinwanderung zunächst mit dem Satz zitiert, bei dem er auf eine Aussage des früheren chinesischen Machthabers Deng Xiaoping verwies: „‚Wenn man die Fenster zu weit aufmacht, kommt auch viel Ungeziefer mit rein.‘ Das heißt – übertragen auf die Einwanderungsproblematik –, dass wir aufpassen müssen, dass wir neben den Fachkräften nicht auch x-beliebige Wirtschaftsflüchtlinge mit ins Land holen.“

Ramsauer zitierte den chinesischen Politiker allerdings falsch. Im Original-Zitat ist von „Ungeziefer“ keine Rede. Deng erklärte mit Bezug auf die Öffnung Chinas zur westlichen Welt: „Wenn man das Fenster öffnet, um frische Luft zu bekommen, muss man damit rechnen, dass ein paar Fliegen hereinwehen.“ Ramsauer ersetzte also „Fliegen“ durch den von den Nationalsozialisten für Juden verwendeten Begriff „Ungeziefer“, und bezog das Zitat zudem direkt auf Menschen. 

Peter Ramsauer nach „Ungeziefer“-Vergleich: „Ich würde niemals einen solchen Vergleich machen“

Ramsauer selbst bemühte sich in der „FAZ“ am Montagnachmittag um Schadensbegrenzung: Das Zitat von Xiaoping sei (…) gefallen und „war nicht zur Veröffentlichung gedacht“, zitiert die Zeitung den 69-Jährigen. Mittlerweile wurde die Aussage aus dem Interview entfernt. Obwohl Ramsauer einräumte, den Satz gesagt zu haben, schob der CSU-Politiker nach: „Ich würde auch niemals einen solchen entwürdigenden Vergleich mit zugewanderten Fachkräften oder Migranten machen“. Mehr erklärte Ramsauer nicht.

Auf eine Anfrage dieser Zeitung am Montagabend nach einer weiteren Stellungnahme – auch zu den Forderungen, das Bundestagsmandat niederzulegen – reagierte der CSU-Politiker bis zum Dienstagnachmittag zunächst nicht.

Auch aus der SPD gab es scharfe Kritik: „So kann man Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland ins Gesicht spucken“, kritisierte Derya Türk-Nachbauer Ramsauer mit scharfen Worten. Die Bundestagsabgeordnete nahm auch CDU-Parteichef Friedrich Merz, der zuletzt in den Verdacht einer Annäherung an die AfD geraten war, in die Pflicht.

Scharfe Kritik aus der SPD: „Ist das die ‚Alternative für Deutschland mit Substanz‘, Herr Merz?“

„Ist das die ‚Alternative für Deutschland mit Substanz‘ von der Sie sprachen, Herr Merz?“, fragte die SPD-Politikerin im Kurznachrichtendienst X. Merz hatte die Formulierung als Beschreibung für die CDU verwendet – und dafür viel Kritik geerntet.

CSU-Politiker Peter Ramsauer steht nach einem Vergleich von Migrantinnen und Migranten mit „Ungeziefer“ in der Kritik. (Archivbild)

CSU-Politiker Peter Ramsauer steht nach einem Vergleich von Migrantinnen und Migranten mit „Ungeziefer“ in der Kritik. (Archivbild)

Auch die Vizepräsidentin des deutschen Bundestags, Aydan Özoguz (SPD), attackierte Ramsauer. „Was für ein Menschenbild offenbart sich da eigentlich? (…) Das ist weder Kritik noch die Lösung von Problemen. Es ist allein Verachtung anderer Menschen und hilft niemandem“, schrieb Özoguz, die Mitglied des SPD-Parteivorstandes ist.

Ramsauer löste zudem mit weiteren Aussagen für Wirbel aus. So wetterte der ehemalige Verkehrsminister mit harten Worten über die Regierungszeit von Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Peter Ramsauer schießt auch gegen Ex-Kanzlerin Angela Merkel

„Der Atomenergieausstieg gehört wie die Flüchtlingspolitik zu den katastrophalsten politischen Fehlern der damaligen Bundeskanzlerin. Nicht ohne Grund sage ich den AfD-Parlamentariern, dass sie Merkel ein Denkmal setzen müssten, weil die AfD ihre parlamentarische Existenz ausschließlich der Politik von Angela Merkel zu verdanken hat“, führte Ramsauer aus.

Mit Blick auf das Asylrecht forderte Ramsauer zudem eine massive Beschränkung der Zuwanderung direkt an den EU-Außengrenzen und weniger finanzielle Hilfen für Asylbewerber – und reihte sich damit bei Rechtspopulisten wie dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán ein.

CDU-Politiker Peter Ramsauer mit Sympathien für Rechtspopulisten Viktor Orbán

Die Gemeinden in Deutschland seien längst mit der Aufnahme der Menschen überfordert, behauptete der CSU-Politiker. Auch diese „unselige Entwicklung“ habe man „ausschließlich Angela Merkel zu verdanken“, so Ramsauer. Für Orbán hingegen habe er „vollstes Verständnis“, führte er aus. „Aber auch für die Polen, die eigenständig entscheiden wollen, wer in ihr Land kommen darf und wer nicht“.

Auch die Arbeit der aktuellen Bundesregierung kritisierte Ramsauer scharf: „Ich gehöre seit 33 Jahren dem Deutschen Bundestag an. In all meinen politischen Ämtern habe ich eine solche schandhafte und katastrophale Gesetzgebung noch nie erlebt“, so Ramsauer.

Von der Union erwarte er wieder eine „klarere Benennung“ der Missstände: „Leider haben wir in der Union vielfach Angst davor, etwas zu sagen, was von der linken Seite als unsagbar definiert wird. Deshalb müssen wir viel deutlicher werden und dürfen keine Angst davor haben, in die rechte Ecke gestellt zu werden“, so Ramsauer.

Union: Peter Ramsauer fordert „klare Benennung von Missständen“ – und bekommt sie auch

Vereinzelt benannten in ersten Reaktionen auf Ramsauers Interview auch Politiker der Union die Missstände, die sich aus ihrer Sicht offenbaren. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz teilte mit, er wolle Ramsauers Aussagen „scharf widersprechen“, diese seien „entmenschlichend“.

Auch der Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich (CSU) kommentierte die Wortwahl seines Parteikollegen zumindest indirekt. „Würde und Anstand verpflichten zu einer respektvollen Sprache“, erklärte Ullrich und fügte an: „Entmenschlichung im Sprachbild, gleich in welchem Kontext, kann niemals akzeptabel sein.“

„Ungeziefer“-Vergleich: Kein Kommentar zu Peter Ramsauer aus der CSU-Parteispitze

Ansonsten gab es nur wenig direkte Reaktionen aus der Union zu Ramsauers sprachlicher Entgleisung. Aus dem Parteivorstand der CSU äußerte sich am Montag niemand, auch CDU-Chef Merz kommentierte die Worte Ramsauers bisher nicht. Eine Anfrage dieser Zeitung an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach einer Stellungnahme vom Montagabend blieb bis zum Dienstagmorgen zunächst unbeantwortet.

KStA abonnieren