Corona-Krise auf skandinavischSchweden gegen den Rest der Welt

Lesezeit 3 Minuten
Stockholm 2

Heitere Parallelwelt? In Stockholm sitzen die Menschen in einem Biergarten – als gäbe es das Coronavirus in Schweden nicht.

  • Schweden ist in den vergangenen Wochen einen weltweit einzigartigen Sonderweg gegangen: In dem skandinavischen Land wurden keine Maßnahmen gegen das Coronavirus ergriffen.
  • Wie ist das Land damit gefahren? Fakt ist: Der Innenminister droht den Restaurants mittlerweile mit Schließung.
  • Doch warum jetzt erst? Lagebericht aus einem Land, das sich seine Freiheit partout nicht nehmen lassen will.

Berlin/Stockholm – Teenager sitzen im Park beisammen, Paare genießen ein Bier in der Frühlingssonne, Frisöre schneiden Haare: Die Bilder aus Schweden muten dieser Tage an wie Grüße aus einer heiteren Parallelwelt. Während in weiten Teilen Europas Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus herrschen und das öffentliche Leben zum Erliegen bringen, bleiben die Schweden in der Pandemie ihrem liberalen Lebensstil treu.

„Es ist ein Ammenmärchen, dass sich das Leben in Schweden nicht geändert hat“, sagt Schwedens Außenministerin Ann Linde am Freitagvormittag. Die Sozialdemokratin hat zuvor mit Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) per Videoschalte gesprochen, nun halten sie per Livestream eine Pressekonferenz ab. Linde zufolge ist ein Zerrbild von Schwedens vermeintlich lockerem und dennoch erfolgreichem Umgang mit der Pandemie im Umlauf. Dies will die schwedische Regierung korrigieren.

Bürger sollen Maßnahmen freiwillig befolgen

Die Außenministerin betont, dass es wie im Rest der Welt auch in Schweden darum gehe, das Virus an der Ausbreitung zu hindern und die wirtschaftlichen Folgeschäden einzudämmen. Doch Linde widerspricht dem Eindruck, wonach Deutschland und Schweden gegensätzliche Strategien verfolgen. „Wir haben rechtlich verbindliche Maßnahmen und Empfehlungen. Diese Empfehlungen werden aber als etwas wahrgenommen, was man beachten sollte“, sagt die Außenministerin. Der Unterschied zwischen den Anti-Corona-Strategien liegt demnach nicht so sehr in den Maßnahmen als solchen begründet – sondern in der Frage, ob die Bürger diese freiwillig befolgen oder weil die Politik sie dazu verpflichtet.

Das könnte Sie auch interessieren:

So haben in Schweden Restaurants zwar geöffnet. Wirte sind jedoch dazu aufgerufen, hohe Abstands- und Hygienestandards zu ermöglichen. Und Gäste sollen von sich aus auf den Gastrobesuch verzichten. Doch diese Philosophie der Freiwilligkeit steht unter wachsendem Druck. Denn die Zahlen widersprechen dem Eindruck vom schwedischen Erfolgsmodell. Am Freitagmittag wies die Johns-Hopkins-Universität für Schweden 2021 Todesopfer auf – bei einer Gesamtbevölkerung von 10,3 Millionen. Zum Vergleich: Für Deutschland wurden 5575 Todesopfer gemeldet – bei achtmal so vielen Einwohnern wie in Schweden. Nun steht die nationale schwedische Gesundheitsbehörde im Verdacht, die Wucht des Virus unterschätzt zu haben, so schwedische Medien.

Ausbreitung des Virus fördert Umdenken der Regierung

Die Ausbreitung des Virus befördert jetzt offenbar ein Umdenken der rot-grünen Minderheitsregierung von Ministerpräsident Stefan Löfven. Innenminister Mikael Damberg drohte gestern mit der Schließung von Bars und Gaststätten. Es gebe besorgniserregende Berichte über überfüllte Restaurants und überbordende Bewirtung im Freien. Die 290 Kommunen des Landes wurden aufgefordert, an Stockholm zu berichten, ob und wie gastronomische Betriebe die Auflagen der Behörden erfüllen. Viele Schweden scheinen den Ernst der Lage zu verkennen. „Zehntausende mehr fuhren am Wochenende nach Stockholm hinein als zwei Wochen zuvor, auch in Malmö gibt es Anzeichen dafür, dass der Respekt vor dem Coronavirus abnimmt“, schrieb die „Dagens Nyheter“. Trotz beunruhigender Statistiken scheine den Schweden die Kraft zur physischen Distanz auszugehen. „Es wird deutlich, dass die Empfehlungen der Gesundheitsbehörde und der Politiker vielerorts nicht korrekt aufgefasst worden sind“, hieß es in der Zeitung. Und so war Außenministerin Linde am Freitag bemüht, den verbindlichen Charakter des Abstandsgebotes zu betonen.

KStA abonnieren