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Kommentar

Nato-Testfall
Der letzte Weckruf für Europa

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3 min
Ausgestellte über der Ukraine abgeschossene russische Kampfdrohnen iranischer Bauart des Typs «Geran 2» liegen nebeneinander auf dem Boden.

Es drangen russische Drohnen in den Luftraum des Nato-Mitglieds Polen ein.

Russlands Drohnen provozieren Polen, Europa muss schnell reagieren. Ein Drohnen-Wall an der östlichen Grenze soll helfen.

Russland testet die Nato-Grenze in einer Härte, wie der Westen es bisher noch nicht erlebt hat. Bislang waren es mal beschädigte Unterseekabel, mal Cyberangriffe, mal einzelne Drohnen aus der Ukraine, die angeblich vom Kurs abgekommen seien. Doch diesmal drangen wieder und wieder russische Drohnen in den Luftraum des Nato-Mitglieds Polen ein. Es besteht kein Zweifel, dass Moskau den polnischen Luftraum ganz gezielt verletzt hat.

Polen, Estland, Litauen und Lettland sind dafür längst sensibilisiert, sie kennen den Gegner und seine Methoden. Doch für die letzten Zweifler in Westeuropa muss dieser Drohnenangriff ein Weckruf sein: Russland will die europäische Sicherheitsordnung zerstören.

Europa ist schwach und verletzlich

Doch Panik ist fehl am Platz. Denn Moskaus Kalkül ist genau das – Angst schüren. Russlands Botschaft im am polnischen Himmel soll für alle unmissverständlich sein: Europa ist schwach und verletzlich. Jede Drohne, jeder Grenzverstoß, jeder inszenierte Zwischenfall soll Unsicherheit schüren, Zweifel an der Stärke des Bündnisses und an der Wehrhaftigkeit Europas.

Diesen Gefallen dürfen wir Moskau nicht tun. Der Vorfall hat gezeigt: Das Bündnis funktioniert, die Verteidigung hält den Provokationen stand, Europa ist stark.

Drohnen-Wall an der östlichen EU- und Nato-Grenze

Dennoch wäre es ein schwerer Fehler, sich nun in Sicherheit zu wiegen. Im Nato-Hauptquartier ist man zu Recht beunruhigt über die wachsende Zahl solcher Provokationen. Es braucht nur einen Blick in die Ukraine, wo Russland bald schon mit 1000 billigen Drohnen oder mehr pro Tag angreifen dürfte. Wenn eine solche Drohnenwelle eines Tages auf Nato-Staaten zusteuert, stellt sich die Frage: Ist Europa vorbereitet? Die ehrliche Antwort lautet heute: nein. Denn für diese Bedrohung gibt es bislang keine überzeugende Lösung.

Umso wichtiger war die Ankündigung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union: Ein Drohnen-Wall an der östlichen EU- und Nato-Grenze, wie ihn die Welt noch nie gesehen hat, soll Russlands Provokationen ein Ende bereiten. Europa hat die Zeichen erkannt. Jetzt geht es darum, nicht nur große Pläne auf dem Papier zu machen, sondern sie schnell und effizient umzusetzen. Es bleibt kaum Zeit, die russische Rüstungsindustrie läuft im Drei-Schicht-Betrieb, produziert Drohnen und Raketen im Akkord. Jede Verzögerung, jedes Zögern, spielt nur dem Kreml in die Hände.

Gleichzeitig wächst der Druck auf Washington ins Unermessliche. US-Präsident Donald Trump hat dem Kreml immer wieder mit „harten Konsequenzen“ gedroht, Ultimaten gesetzt und ihm am Telefon ins Gewissen geredet. Doch bisher ist es stets bei Worten geblieben. Es ist Zeit für den großen Dealmaker, sich einzugestehen, dass seine Drohgebärden Moskau nicht beeindrucken. Sanktionen aber tun es. Und genau sie sind überfällig.