Rund 100.000 Menschen pilgern zur Trauerfeier für Charlie Kirk. Die Witwe vergibt dem Attentäter. Doch Trump gießt Öl ins Feuer.
Trauerfeier für Charlie KirkUS-Präsident Trump will seinen Hass nicht zügeln

Die Witwe Erika Kirk und US-Prasident Donald Trump am Sonntag (21. September) zusammen auf der Bühne in Arizona bei der Trauerfeier für den erschossenen Aktivisten.
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Was war das nun? Ein Staatsbegräbnis? Eine Heiligsprechung? Ein gewaltiges Sektentreffen? Oder der Auftakt zur Entscheidungsschlacht gegen die Mächte des „Bösen“? Etwas von allem hatten die insgesamt wohl 100.000 Menschen bei der Trauerfeier für den bei einem Attentat ermordeten rechtskonservativen Aktivisten Charlie Kirk in und um die riesige Football-Arena von Glendale am Sonntag schon erlebt, als nach vier Stunden voller Predigten, Pathos und Patriotismus endlich die beiden Hauptredner ans Mikrofon traten.
Erst sprach Erika Kirk, die 36-jährige Witwe und Mutter der zwei gemeinsamen Kinder. In einem emotionalen und tränenreichen Auftritt erzählte sie von ihrem verstorbenen Mann, dessen Mission und seiner tiefen Verwurzelung im christlichen Glauben. Er habe versucht, junge Männer wie jenen, der ihn am 10. September bei einer Veranstaltung erschoss, auf den rechten Weg zu bringen. „Die Antwort auf Hass ist nicht Hass. Die Antwort ist Liebe“, sagte Erika Kirk und erklärte, dass sie dem Attentäter vergebe.
Trump bezeichnet Attentäter als „kaltblütiges Monster“
Das wäre ein eindrucksvoller Abschluss der Gedenkveranstaltung gewesen. Doch dann kam Donald Trump, der weniger über den Verstorbenen als über sich und seine politischen Vorhaben redete. Er bezeichnete den Attentäter als „kaltblütiges Monster“ und wetterte - obwohl die Motive nach derzeitigem Ermittlungsstand eher im persönlichen Bereich zu liegen scheinen - gegen die „linksradikalen Verrückten“, denen er die Schuld an dem Mord gibt. Dann hob er ausdrücklich hervor, in einem Punkt sei er mit dem Getöteten nicht einer Meinung: „Ich hasse meine Gegner, und ich wünsche ihnen nicht das Beste. Tut mir leid, Erika!“
Das Attentat auf Charlie Kirk hat im konservativen und rechten Amerika eine gewaltige Mobilisierungswelle ausgelöst, doch vieles will nicht recht zusammenpassen. So hat unmittelbar nach der Tat eine Verklärung des Aktivisten eingesetzt, der Trump mit seiner christlich-nationalistischen Jugendorganisation „Turning Point USA“ wichtige Stimmen jüngerer männlicher Wähler verschafft hat. Bei der monumentalen Trauerfeier in dem überdachten Stadion in Arizona, zu der neben vielen normalen Bürgern das „Who is Who“ der „Make America Great Bewegung“ (Maga) eingeflogen war, wurde Kirk abwechselnd als „Prophet“, „Missionar“, „Prediger“ und „Märtyrer“ gepriesen.
Kirk suchte die Debatte mit politischem Gegner
Wahr ist, dass Kirk im Gegensatz zu vielen anderen Maga-Apologeten immerhin die Debatte mit Andersdenkenden gesucht hat. „Diskutiere mit mir!“, war sein Wahlspruch, wobei es freilich eher um die Inszenierung als um einen echten Meinungsaustausch ging. Früh hatte Kirk eine Watchlist angelegt, auf der „linke“ Professoren denunziert wurden. Er warnte vor einer „Invasion“ und dem Austausch der weißen Bevölkerung durch Massenmigration, nannte die Bürgerrechtsgesetzgebung der 1960er Jahre einen „Fehler“, wollte Ärzte, die geschlechtsangleichende Operationen vornehmen, vor ein „Nürnberger Tribunal“ stellen und bezeichnete Ex-Präsident Joe Biden als „korrupten Tyrannen mit Alzheimer“, der eine Haft oder gar die Todesstrafe verdient habe.
Ein Liberaler war Kirk also wahrlich nicht. Dennoch hätte der Schock über die eiskalte politische Gewalt, die das Leben des 31-Jährigen beendete, in der extrem polarisierten USA einen heilsamen Schock auslösen können. Ein anderer Präsident hätte möglicherweise zum Innehalten und zur Versöhnung aufgerufen und alles vermieden, was das Land noch weiter spaltet.
Tod von Charlie Kirk: Trump gießt Öl ins Feuer
Doch Trump gießt seit Tagen Öl ins Feuer. Noch am Tag vor der Beerdigung bezeichnete er seinen Vorgänger Biden als „gemeinen Hurensohn“ und merkte höhnisch an, für den schwer krebskranken 82-Jährigen laufe es gerade nicht so gut. Das Attentat nutzt er als Vorwand für eine massive Einschüchterungskampagne gegen seine Kritiker. „Das Gewehr war auf Charlie gerichtet, aber die Kugeln sollten uns alle treffen“, behauptete Trump.
Einer der geistigen Väter der aktuellen Repressionen gegen Journalisten, Comedians und Nichtregierungsorganisationen, die an die McCarthy-Ära erinnern, ist Vize-Stabschef Stephen Miller. Bei dessen Rede auf der Trauerfeier dürfte manchem Fernsehzuschauer das Blut gefroren sein. Mit schneidenden Worten bezeichnete der kahlköpfige Ultrarechte die Maga-Bewegung als den „Sturm“ und beschimpfte ihre „Feinde“ mit den Worten: „Ihr habt keine Ahnung, welchen Drachen Ihr geweckt habt. Ihr seid nichts!“
Andere Kabinettsmitglieder schlugen weniger aggressive Töne an und versuchten sich stattdessen, mit religiösen Bezügen und der Beschwörung von „Glaube, Familie und Vaterland“ der immer stärkeren christlichen Rechten zu empfehlen. Bei ihnen heißt der Gegner „das Böse“. Kirks Lebenswerk nannten sie ein „Wunder“ und seinen Tod ein „Opfer“.
Die ursprüngliche Botschaft des Toten sei sehr einfach gewesen, erklärte Außenminister Marco Rubio: „Unser Land ist das großartigste in der Welt, und der Kommunismus ist schlecht“. Reaktionäre Denkmuster erleben in den USA gerade eine bemerkenswerte Renaissance. Die „höchste Berufung“ jedes Menschen sei es, eine „erfolgreiche Ehe“ zu führen und „produktive Kinder“ zu erziehen, postulierte Rubio.