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BerlinUkraine-Gipfel stärkt Hoffnung auf den Vorrang von Vernunft vor Gewalt

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Polizisten stehen hinter Absperrgittern in der Nähe des Brandenburger Tors.

Polizisten stehen am 14. Dezember hinter Absperrgittern in der Nähe des Brandenburger Tors. Im Kanzleramt beraten der ukrainische Präsident Selenskyj, seine Unterhändler und die US-Delegation zunächst unter sich über das weitere Vorgehen in den Verhandlungen über einen Waffenstillstand in der Ukraine. 

Die Verhandlungen sind ein Zeichen, dass die USA die Rolle der Europäer ernst nehmen. Wichtig sind nachhaltige Sicherheitsgarantien für Kiew.

Wolodymyr Selenskyj müsse sich jetzt einfach mal zusammenreißen, findet Donald Trump. Abgesehen davon, dass der US-Präsident derjenige ist, der Mäßigung und Selbstkontrolle nicht zu seinem Repertoire zählt, beschreibt diese Aussage ein grundsätzliches Problem der Verhandlungen, die der Ukraine Frieden bringen sollen – einen Frieden in Freiheit wohlgemerkt.

Die US-Regierung, die die Ukraine-Gespräche steuert, erklärt nicht den Aggressor, sondern den Angegriffenen zum Haupthindernis auf dem Weg. Nicht derjenige ist demnach das Problem, der das Völkerrecht gebrochen hat mit seiner Attacke auf das Nachbarland, sondern derjenige, der sich nicht einfach ergeben hat.

Der eine lässt seit jetzt fast vier Jahren Wohnhäuser, Energieanlagen, Fabriken und Krankenhäuser bombardieren. Wer genau muss sich also zusammenreißen?

Die USA erkennen an, dass sie Europa anhören müssen

Komplett verwunderlich ist Trumps Einlassung bedauerlicherweise nicht. Mit dem Völkerrecht nimmt er es nicht so genau, das zeigten zuletzt auch die Angriffe auf Schiffe aus Venezuela. Vor allem eine Konstante gibt es bei dem sprunghaften US-Präsidenten: Er agiert als Geschäftsmann.

Unter diesen nicht sonderlich günstigen Bedingungen wird nun in Berlin über die Zukunft der Ukraine weiterverhandelt. Ein positives Signal ist damit verbunden, immerhin: Die USA erkennen an, dass sie Europa anhören müssen. Schon den ursprünglichen 28-Punkte-Plan, den die Vereinigten Staaten nach Gesprächen mit Russland vorgelegt hatten und der unter anderem Vorschriften für die EU und die Nato enthielt, haben die Europäer am UN-Sitz Genf schnell entschärft. Dass Trumps Leute nun nach Berlin gekommen sind, ist allerdings nicht nur Zugeständnis, sondern auch Aufforderung: Für die Umsetzung des Friedensplans will Washington nicht allein zuständig sein.

Die schwierige Aufgabe von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und dem Team EU wird es sein, die US-Regierung zu einem nachhaltigen Beitrag zu Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu verpflichten. Ohne diese wäre keine schriftliche Einigung etwas wert. Der russischen Staatsführung muss klar sein, dass ein erneuter Angriff auf die Ukraine gravierende Konsequenzen hätte.

Unterschied zum Minsker Abkommen könnte die USA sein

Es gilt zu verhindern, dass Trump das Interesse an dem Konflikt verliert, sobald die Unterschriften auf einer Vereinbarung getrocknet sind. Wenn er – oder seine potenziellen Nachfolger – die Zuständigkeit auf Europa abwälzen, ist die Gefahr groß, dass sich ein bekanntes Szenario wiederholt: Das Minsker Friedensabkommen von 2015, das Frankreich, Deutschland, Belarus, Russland und die Ukraine verhandelt hatten, war schon nach wenigen Tagen Makulatur, Russland wurde im ukrainischen Donbass aktiv. Die Beteiligung der USA könnte nun den Unterschied machen.

Europa ist dabei nicht nur als moralischer Unterstützer der Ukraine gefragt. Die Hilfe für Kiew muss weiter finanziert werden. Weil die Zahlungsbereitschaft in vielen Mitgliedsländern wegen der fortgesetzten Wirtschaftskrise abnimmt, ist es dringend nötig, dass die EU sich Ende der Woche durchringt, die eingefrorenen russischen Vermögen in Anspruch zu nehmen. Ein logischer Schritt wäre das obendrein: Wer zerstört, muss nun mal zahlen.

Parteilichkeit oder Verhandlungstaktik?

Russland hat die Berliner Verhandlungen mit Schmähungen überzogen. Mit am Tisch sitzen Vertreter des Kremls dort nicht. Im besten Fall handelt es sich um klassische Pendeldiplomatie. Im besten Fall sind die Ausfälle Trumps gegenüber Selenskyj nicht einfach Ausdruck von Ungeduld, Ungehobeltheit und Parteilichkeit, sondern Teil einer Verhandlungstaktik, mit der Putin an Bord geschoben werden soll.

Um den Ukraine-Krieg zu beenden, muss sich auf jeden Fall vor allem einer zusammenreißen: der russische Präsident.