Gefechte auf russischem Gebiet„Putin bekämpfen“ – Russische Freiwillige attackieren Belgorod

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Screenshot eines Videos der "Legion Liberty"

Ein Screenshot des Videos, das die russische Freiwilligeneinheit „Legion Svoboda“, die für die Ukraine kämpft, auf Twitter veröffentlicht hat. Die russischen Freiwilligen haben laut eigenen Angaben die russische Stadt Belgorod attackiert, um sie von „Putin zu befreien“.

Die Lage in Belgorod ist unübersichtlich. Offenbar sind russische Soldaten, die für die Ukraine kämpfen, auf russisches Gebiet vorgedrungen – und haben damit bereits jetzt eine Wirkung erzielt. Auch die Einheit des in Köln aufgewachsenen Neonazis Denis Kapustin ist beteiligt.  

Laut eigenen Angaben sind am Montagmorgen zwei Freiwilligen-Verbände, die für die Ukraine kämpfen, in die russische Region Belgorod nahe der ukrainischen Großstadt Charkiw eingedrungen, um das Gebiet von der Herrschaft des russischen Präsidenten Wladimir Putin „zu befreien“. Die Lage ist derzeit unübersichtlich, ein russischer Gouverneur bestätigte jedoch Gefechte in der Region.

Wirbel in Belgorod: Russische Freiwilligen-Verbände dringen offenbar auf russisches Gebiet vor

Zum einen veröffentlichte die Legion „Freiheit Russlands“ am Montagmorgen entsprechende Videos, die ihr Vordringen in russisches Gebiet zeigen sollen. Zum anderen scheint auch das „Russische Freiwilligenkorps“ erneut an den Aktionen beteiligt zu sein.

Letzteres hatte bereits Anfang März für Wirbel in Russland gesorgt, als es eigenen Angaben zufolge in die russische Stadt Brjansk vorgedrungen war. Der Kreml hatte den damaligen Angriff bestätigt und den in Köln aufgewachsenen deutsch-russischen Neonazi Denis Kapustin als Verantwortlichen für die Aktion benannt.

Belgorod: „Russische Freiwilligenkorps“ von Kölner Neonazi Denis Kapustin offenbar beteiligt

Der Neonazi, der in seiner Kölner Zeit Verbindungen in die hiesige Hooligan-Szene gehabt haben soll, schwieg am Montag in seinem Telegram-Channel zunächst. Das „Russische Freiwilligenkorps“, zu dem Kapustin gehört, gab unterdessen an, an dem vermeintlichen Angriff beteiligt zu sein.

In sozialen Netzwerken kursierten am Montag zudem diverse Videos, die Gefechte in und rund um Belgorod zeigen sollen. Die Angaben der beiden Freiwilligenorganisation als auch jene der russischen Behörden sind derzeit nicht unabhängig überprüfbar. 

Vorstoß nach Belgorod: Freiwilligen-Verbände rufen zum Kampf gegen „Putins bewaffnete Bande“ auf

Unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Angaben erzielt die Aktion unterdessen bereits jetzt eine Wirkung: Russischsprachige Telegram-Kanäle und einschlägige russische Militärblogger beschäftigten sich am Montag nahezu im Minutentakt mit den Vorgängen in der russischen Stadt.

Während die Legion „Freiheit Russlands“ laut eigenen Angaben von den ukrainischen Streitkräften anerkannt und unterstützt wird, war das zumindest in der Vergangenheit beim „Russischen Freiwilligenkorps“ nicht der Fall. Beide Einheiten bestehen aus russischen Kämpfern, die auf Seite der Ukraine gegen Kremlchef Wladimir Putin kämpfen.

Russen kämpfen in Belgorod für die Ukraine: „Die Zeit ist gekommen, der Kreml-Diktatur ein Ende zu setzen“

„Die Legion ‚Freiheit Russlands‘ wurde im Frühjahr 2022 aus dem Wunsch der Russen selbst heraus gegründet, in den Reihen der Streitkräfte der Ukraine gegen Putins bewaffnete Bande zu kämpfen“, heißt es auf der Website der Freiwilligeneinheit. „Wir rufen alle Russen, alle Soldaten und Offiziere Russlands auf, sich uns und unserem Kampf für ein freies Russland anzuschließen“, schreib die Legion weiter.

Auf Twitter veröffentlichten die russischen Kämpfer zudem ein Video. „Die Zeit ist gekommen, der Kreml-Diktatur ein Ende zu setzen“, erklären mehrere Kämpfer vor der Kamera. „Seien Sie mutig und haben Sie keine Angst, denn wir kommen nach Hause! Russland wird frei sein.“

Auch das „Russische Freiwilligenkorps“, an dem Kapustin beteiligt ist, veröffentlichte auf ihrem Telegram-Kanal Videos, die Truppen auf russischem Gebiet zeigen sollen. „Das Freiwilligenkorps ist zurück im Mutterland. Wir sind zu Hause. Die Zeit, um für die Freiheit Russlands zu kämpfen, ist gekommen“, sagt einer der nicht identifizierbaren Männer in einem der Videos.

Russland bestätigt „ukrainische Sabotage- und Aufklärungstruppen“ in der Nähe von Belgorod

Der russische Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow bestätigte unterdessen, dass „ukrainische Sabotage- und Aufklärungstruppen“ in das Gebiet des Bezirks Graivoronsky eingedrungen seien, das berichten die russischen staatsnahen Nachrichtenagenturen Ria und Tass übereinstimmend.

„Die Streitkräfte der Russischen Föderation ergreifen zusammen mit dem Grenzdienst, der Russischen Garde und dem FSB die notwendigen Maßnahmen, um den Feind zu eliminieren“, schrieb Gladkow demnach bei Telegram, es habe Verletzte gegeben. Graivoronsky liegt rund 70 Kilometer von der Stadt Belgorod entfernt, direkt an der ukrainischen Grenze.

Lage in Belgorod unklar: „Es ist für den Kreml eine Peinlichkeit“

Die Lage bleibt unklar. Auch Experten wie der Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr, Carlo Masala, tun sich mit der Einschätzung der Situation aus der Ferne zunächst schwer. Es könne eine „kleine Fake-Operation“ sein, schrieb Masala auf Twitter, um die „Russen ein wenig zu schocken“, aber auch „etwas Größeres“ sei denkbar. „Niemand kann das gerade richtig einschätzen.“ Dass es derzeit Aktionen in dem Gebiet gebe, sei jedoch klar. Das Ausmaß „vermag niemand zu beurteilen“, schrieb Masala.

Der Bellingcat-Journalist Elliot Higgins teilte unterdessen am Montag diverse Videos, die die Vorgänge in Belgorod zeigen sollen. „Ich gehe nicht davon aus, dass dies dazu führen wird, dass das Territorium, auf dem sie sich befinden, unter ihrer Kontrolle bleibt“, erklärte Higgins zudem. „Aber es ist für den Kreml eine Peinlichkeit, dass sie Stunden nach Beginn dieser Ereignisse immer noch in Bewegung sind.“

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