Entsetzen über Ermutigung von Putin„Trump erklärt uns Deutsche zu Freiwild“

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Der russische Diktator Wladimir Putin zusammen mit Donald Trump beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg. Der ehemalige US-Präsident hat mit Äußerungen zur Nato-Beistandspflicht nicht nur in Deutschland für Empörung gesorgt.

Der russische Diktator Wladimir Putin zusammen mit Donald Trump beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg. Der ehemalige US-Präsident hat mit Äußerungen zur Nato-Beistandspflicht nicht nur in Deutschland für Empörung gesorgt.

Nach bedrohlichen Worten von Donald Trump zur Nato gibt es scharfe Kritik – auch Bundeskanzler Olaf Scholz wird deutlich. 

Nach Äußerungen des US-Präsidentschaftsbewerbers Donald Trump zur Nato-Beistandspflicht gibt es scharfe Kritik und Entsetzen an der Drohung des Republikaners. Außenpolitiker und Experten warnen davor, die Worte Trumps nicht ernst zu nehmen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk: „Jegliche Relativierung der Beistandsgarantie der Nato ist unverantwortlich und gefährlich.“ Derartige Äußerungen seien „einzig und allein im Sinne Russlands“, so Scholz. „Niemand darf mit Europas Sicherheit spielen oder dealen.“

Der ehemalige US-Präsident Trump hatte bei einer Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat South Carolina gesagt, der „Präsident eines großen Landes“ habe ihn einmal gefragt, ob die USA dieses Land auch dann noch vor Russland beschützen würden, wenn es die Verteidigungsausgaben nicht zahle. Er habe geantwortet: „Nein, ich würde euch nicht beschützen.“ Vielmehr noch: Er würde Russland „sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen“. Es war dabei unklar, ob es jemals so ein Gespräch zwischen Trump und einem Staatschef gegeben hat, denn der Republikaner sagte auch: „Nehmen wir an, das ist passiert.“

Donald Trump will Wladimir Putin ermutigen: „Was auch immer zur Hölle sie wollen“

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), sieht in Trumps Drohungen einen Weckruf, nun verstärkt in Verteidigung zu investieren. „Schönreden und Kopf in den Sand sind keine Strategie“, sagte Roth dem „Tagesspiegel“ und fügte an: „Sollte Trump wirklich wieder ins Weiße Haus einziehen, ist mit allem zu rechnen. Auch mit dem Schlimmsten.“

Wenn Trump die sich aus Artikel fünf des Nato-Vertrages ergebende Bündnis-Verpflichtung relativiere, öffne er „dem russischen Imperialismus Tür und Tor“, so Roth. Es bestehe eine „akute Gefahr für uns alle in der Nato“ sagte Roth der Zeitung und forderte mehr Unterstützung für die Ukraine. 

Außenpolitiker warnen vor „akuter Gefahr für uns alle in der Nato“

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen warnte indes, Deutschland müsse sich „auf die Möglichkeit vorbereiten, dass Donald Trump die US-Wahl im Herbst gewinnt“. Die Nato würde das in eine existentielle Krise stürzen, weil Trump das Verteidigungsbündnis rein transaktional verstehe, sagte der ehemalige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. „Wer aus seiner Sicht nicht ausreichend zahlt, wird von den USA nicht beschützt.“ Staaten, die aus Trumps Sicht nicht zahlten, erkläre er „zu Freiwild“, so Röttgen gegenüber „Bild“. Gemeint seien damit „in erster Linie wir Deutschen“.

Die Bundesregierung erklärte unterdessen, dass Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der Nato mittlerweile erfülle und „entschlossen“ sei, das auch weiterhin einzuhalten, sagte Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. „Die Bundesregierung setzt in ihrer Sicherheits- und Verteidigungspolitik ganz klar auf das transatlantische Bündnis und die transatlantische Wertegemeinschaft und sieht ihre Sicherheit in der Nato gewährleistet“, heiß es außerdem. 

Kritik von Bundespräsident Steinmeier: „Diese Äußerungen spielen Russland in die Hände“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fand derweil schärfere Worte für Trumps Drohung. „Diese Äußerungen sind verantwortungslos und spielen sogar Russland in die Hände“, sagte er am Montag während eines Besuches in der zyprischen Hauptstadt Nikosia. „Und daran kann niemand in unserem Bündnis ein Interesse haben.“

Die Äußerungen trügen nicht zur Stärke bei, die die Nato brauche. In den USA sei Wahlkampf, sagte Steinmeier bei einer Pressekonferenz. „Manches ist provokativ. Aber auch wenn es provokativ ist, heißt es nicht, dass wir es nicht ernst nehmen sollten.“ Zugleich appellierte er an die Europäer, nicht so zu tun, als sei die Wahl in den USA schon entschieden.

Warnungen von Experten: „In Deutschland verniedlichen auch jetzt noch viele die Sicherheitslage“

Auch Politik-Experten mahnen dazu, die Äußerungen des Republikaners ernst zu nehmen. „Trump spricht nicht anders als vor acht Jahren. Damals wollten manche aufwachen. Daraus wurde nichts“, erklärte Thomas Jäger, Professor für internationale Politik an der Universität Köln, bei X (vormals Twitter). „In Deutschland verniedlichen auch jetzt noch viele die Sicherheitslage“, fügte Jäger an. 

Auch der Sicherheitsexperte Christian Mölling warnte im Gespräch mit „ntv“ davor, Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. „Wir Europäer haben seit 2014 nichts getan“, kritisierte Mölling. Einen russischen Angriff auf ein Nato-Land könne man „nicht ausschließen“, so der Experte.

„Der Fehler, den wir in der Vergangenheit immer gemacht haben, ist weder Wladimir Putin noch Donald Trump ernstzunehmen. Wir sollten die Aussagen dieser Leute für bare Münze nehmen.“ Für Trump reiche eine „Nicht-Entscheidung“ aus, „um die europäische Sicherheit massiv zu gefährden“.

Empörung in den USA: „Trump verkauft unsere Nato-Verbündeten an Putin“

Für Empörung sorgten die Worte Trumps unterdessen auch in den USA. „Trump verkauft unsere Nato-Verbündeten an Putin“, schrieb die ehemalige demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton bei X. „Das sollte auf der Titelseite jeder Zeitung im Land stehen“, fügte Clinton an. US-Präsident Joe Biden hatte die Worte seines Konkurrenten zuvor bereits als „verstörend“ bezeichnet. 

Auch aus der eigenen Partei bekam Trump scharfe Kritik zu hören. Die Nato sei das „erfolgreichste Militärbündnis der Geschichte“ und von „wesentlicher Bedeutung, um einen Krieg abzuschrecken und die amerikanische Sicherheit zu verteidigen“, schrieb die Republikanerin Liz Cheney bei X und fügte an: „Kein vernünftiger amerikanischer Präsident würde Putin dazu ermutigen, unsere Nato-Verbündeten anzugreifen. Kein ehrenwerter amerikanischer Führer würde dies entschuldigen oder gutheißen.“ (mit dpa/afp)

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