Eckpunkte von Trumps neuem „Friedensplan“ für die Ukraine sickern durch – und sorgen nicht nur in Berlin für entsetzte Reaktionen.
Fassungslosigkeit über Trump-Plan„Die Nachrichten, die man dazu sieht, sind durchaus verstörend“

Kremlchef Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump zusammen bei einem Treffen in Alaska im August. Ein neuer „Friedensplan“ sorgt nun für Wirbel. (Archivbild)
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Bereits die ersten Berichte über einen neuen „Friedensplan“ für die Ukraine hatten für Skepsis gesorgt. Mittlerweile ist mehr zu den Überlegungen, die 28 Punkte umfassen sollen, bekannt geworden – und die Befürchtungen, dass die neue amerikanisch-russische Initiative vor allem Moskaus Bedingungen zu erfüllen versucht, haben sich bestätigt.
Ausgearbeitet worden sei der Plan im Geheimen vom US-Sondergesandten Steve Witkoff und seinem russischen Pendant Kirill Dmitrijew, hatte zunächst „Axios“ am Mittwoch berichtet. In Russland herrsche angesichts der neuen Initiative Optimismus, hieß es im Bericht des US-Nachrichtenportals. Moskau habe diesmal „das Gefühl, dass die russische Position wirklich gehört wird“, ließ Dmitrijew sich zitieren.
Neuer „Friedensplan“ kommt ukrainischer Kapitulation gleich
Den Grund für die gute Laune beim Sondergesandten von Kremlchef Wladimir Putin enthüllte wenig später die „Financial Times“: Von der Ukraine verlange der Rahmenentwurf große Zugeständnisse, berichtete die Zeitung unter Berufung auf am Gesprächsprozess beteiligte Personen. Das angegriffene Land soll demnach die von russischen Truppen völkerrechtswidrig besetzten Gebiete Donezk und Luhansk räumen, die Russland bisher nicht vollständig erobern konnte.
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In den anderen besetzten Regionen soll die Frontlinie offenbar eingefroren werden. Die ukrainische Armee soll außerdem halbiert und die Reichweite ihrer Waffen begrenzt werden, heißt es in den Berichten über den „Friedensplan“. Auch vorgesehen ist demnach, dass Russisch in der Ukraine als Staatssprache anerkannt und die frühere moskautreue orthodoxe Kirche wieder zugelassen wird.
Schwierige Lage für Selenskyj und die Ukraine
Damit übernimmt der neue Plan eine Vielzahl russischer Forderungen – und dürfte in der Ukraine, die den Großteil dieser Bedingungen in der Vergangenheit bereits für inakzeptabel erklärt hat, wie eine Aufforderung zur Kapitulation aufgefasst werden.
Die Wiederannäherung zwischen Washington und Moskau trifft das angegriffene Land unterdessen in einem doppelt ungünstigen Moment. An der Front im Osten scheint der Fall der lange umkämpften Stadt Pokrowsk nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Auch weiter südlich hat die ukrainische Armee Stellungen räumen müssen. Innenpolitisch steht Präsident Wolodymyr Selenskyj zudem wegen eines Korruptionsskandals unter Druck, der bis in sein Umfeld reicht. Zwei Minister mussten bislang zurücktreten.
„Die Europäer interessieren uns nicht wirklich“
Doch genau deshalb scheint die US-Regierung um Präsident Donald Trump sich nun aus der Deckung zu wagen. Weder die Ukraine noch ihre europäischen Verbündeten seien in die Ausarbeitung des „Friedensplans“ eingebunden gewesen, berichtete „Politico“.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht während einer Pressekonferenz. (Archivbild)
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„Es scheint, als würde der Plan Selenskyj als vollendete Tatsache präsentiert werden“, berichtete das US-Medium aus einem Gespräch mit einem hochrangigen US-Regierungsbeamten, der außerdem klarmachte, dass Washington die Meinung Europas zu dem Vorstoß für irrelevant hält. „Die Europäer interessieren uns nicht wirklich.“ Es sei ausreichend, wenn man die Ukraine zur Zustimmung zu dem „Friedensplan“ drängen könne, zitierte „Politico“ aus US-Regierungskreisen.
„Ihr Ziel ist es, weiterhin in der Ukraine zu töten“
Bisher hat Selenskyj nicht auf die Berichte über den neuen „Friedensplan“ reagiert, sondern lenkte die Aufmerksamkeit auf den verheerenden russischen Angriff, der am Mittwoch ein Wohnhaus in der ukrainischen Stadt Ternopil getroffen hat. „Bislang wurden 26 Tote bestätigt, darunter drei Kinder“, schrieb Selenskyj auf der Plattform X. „22 Menschen werden noch vermisst – die Suche nach ihnen wird fortgesetzt.“
Seine grundsätzliche Haltung hatte der Ukrainer unterdessen bereits am Mittwoch durchscheinen lassen. Russland werde nicht „von allein“ aufhören, schrieb Selenskyj bei X. „Ihr Ziel ist es, weiterhin in der Ukraine zu töten und Leben zu zerstören.“ Nur starker Druck auf den Aggressor könne das verhindern, betonte der Präsident.
„Irgendwie versteht die Trump-Regierung die Ukraine nicht“
Andere Stimmen aus Kyjiw wurden derweil noch deutlicher: „Irgendwie versteht die Trump-Regierung die Ukraine nicht“, kommentierte Olga Rudenko den Wirbel um den neuen „Friedensplan“ bei X. In den USA glaube man offenbar, dass Selenskyjs Korruptionsskandal ein Zeitfenster öffne, um ihn „zu einem schlechten Friedensabkommen zu drängen“, schrieb die Chefredakteurin der Zeitung „Kyiv Independent“.
Das Gegenteil sei jedoch der Fall: „Die Ukrainer, die über die Korruption empört sind, sind auch diejenigen, die nicht zulassen werden, dass Selenskyj einen schlechten Deal akzeptiert“, stellte Rudenko klar. Der ukrainische Präsident sei deshalb derzeit „noch weniger bereit, Zugeständnisse zu akzeptieren“, prophezeite die Journalistin.
Berlin spricht von „verstörenden Nachrichten“
Aus Europa kommen unterdessen irritierte Reaktionen auf den US-Vorstoß. „Die ersten Nachrichten, die man dazu sieht, die sind durchaus verstörend“, sagte Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) am Donnerstag gegenüber RTL und ntv. „Es mutet etwas an, als ob Putin damit Kriegsziele erreichen könnte, die er auf dem Schlachtfeld nicht erreicht hat“, fügte der CDU-Politiker an. „Das wäre sicherlich ein Ergebnis, das nicht akzeptabel wäre.“
Außenminister Johann Wadephul erklärte derweil, dass Deutschland nicht über den Plan informiert worden sei. Eine Waffenruhe bleibe die Voraussetzung für Friedensgespräche, betonte der CDU-Politiker und fügte hinzu: „Und da wird Europa einzubeziehen sein.“ Ähnlich äußerte sich auch die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. „Damit jedweder Friedensplan funktioniert, müssen Ukrainer und Europäer an Bord sein“, sagte Kallas in Brüssel gegenüber Reportern.
„Man will also die Ukraine zur Kapitulation zwingen“
Politikwissenschaftler und Russland-Experten äußerten derweil scharfe Kritik an den durchgesickerten amerikanisch-russischen Plänen. „Beim ‚Plan‘, über den USA und Russland zur Beendigung von Russlands Krieg gegen die Ukraine gesprochen haben, steht zu erwarten, dass für Trump Korruption und Kapitulation eine harmonische Beziehung eingehen könnten“, befand etwa der Kölner Politologe Thomas Jäger bei X.
„Man will also die Ukraine zur Kapitulation zwingen, zu Bedingungen, die den nächsten Angriff möglich machen. Cool, cool“, kommentierte Carlo Masala von der Bundeswehr Universität in München die kursierenden Pläne lakonisch in dem sozialen Netzwerk. Auch Sicherheitsexperte Nico Lange flüchtete sich in Humor: „Mein 1-Punkt Friedensplan: Russland kehrt in seine Grenzen zurück und bleibt dort. Danke für die Aufmerksamkeit“, schrieb der Politikwissenschaftler bei X.
„Sagt viel über Russlands Kriegsziele aus“
Der „Friedensplan“ sei für die Ukraine „unannehmbar – sagt aber viel über Russlands Kriegsziele aus“, erklärte unterdessen der Historiker Matthäus Wehowski. „Der Kreml wird sich mit Territorien nicht zufriedengeben, sondern verlangt tiefgehenden Einfluss auf ukrainische Innenpolitik“, führte der Russland-Experte aus. Für die russische Machtelite besitze die Ukraine nur eine „eingeschränkte Souveränität, die jederzeit widerrufen werden kann“, so Wehowski.
Aus Washington kamen angesichts der mitunter entsetzten Reaktionen aus Europa und der Ukraine unterdessen widersprüchliche Signale. US-Außenminister Marco Rubio rief zunächst beide Kriegsparteien zu „Zugeständnissen“ auf, die notwendig seien, um einen „so komplexen und blutigen Krieg wie den in der Ukraine“ zu beenden. Deshalb habe man „eine Liste potenzieller Ideen basierend auf Beiträgen beider Konfliktparteien entwickelt“, versicherte Rubio.
Skepsis auch in den USA: „Kein Plan wird funktionieren“
Kurz darauf berichtete dann der US-Sender NBC jedoch unter Bezug auf Regierungskreise in Washington, dass US-Präsident Donald Trump den von Witkoff und Dmitrijew federführend ausgearbeiteten Plan bereits gebilligt habe. Die Ukraine sei dabei nicht eingebunden gewesen, hieß es zudem auch in dem Bericht des US-Senders.
Bekannte amerikanische Unterstützer der Ukraine wurden von den Plänen der Trump-Regierung offenbar ebenfalls überrascht. „Ich weiß nichts davon“, sagte etwa der republikanische US-Senator Lindsey Graham – und fand schließlich deutliche Worte: „Aber ich sage Ihnen Folgendes: Ich hoffe, es gibt keinen Plan – kein Plan wird funktionieren, solange Putin nicht davon überzeugt ist, dass wir es ernst meinen mit der Fortsetzung unserer hochkarätigen Militärhilfe für die Ukraine.“ (mit dpa)

