Trump und Merz erhöhen den Druck – der nächste Angriff folgt. Begleitet wird sie von Propaganda gegen Merz. Laut Insidern setzt Putin auf Krieg.
„Atomwüste“ und „Nazi-Abschaum“Moskau droht Deutschland und nimmt Merz ins Visier – Putin will Eskalation

Kremlchef Wladimir Putin rückt nicht von seinem bisherigen Kurs ab. Laut Kreml-Insidern glaubt der russische Präsident weiter an einen militärischen Sieg in der Ukraine. (Archivbild)
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Russlands Reaktion auf die jüngste Kritik von westlichen Staatschefs wie US-Präsident Donald Trump und Bundeskanzler Friedrich Merz fällt so eindeutig wie brutal aus: In der Nacht zum Donnerstag (10. Juli) überzog Moskau die Ukraine erneut mit einem Großangriff – rund 400 Drohnen und 18 Raketen hätten die russischen Streitkräfte dabei abgefeuert, berichtete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.
„Das ist eindeutig eine Eskalation des Terrors seitens Russlands“, erklärte Selenskyj. „Sanktionen müssen schneller verhängt werden und der Druck auf Russland muss so stark sein, dass es die Folgen seines Terrors wirklich zu spüren bekommt.“
Donald Trump und Friedrich Merz erhöhen Druck auf Moskau
Zuletzt hatten Trump und Merz – zumindest verbal – den Druck auf Moskau deutlich erhöht. Der US-Präsident sprach in dieser Woche davon, dass Kremlchef Wladimir Putin ihm „viel Bullshit“ auftischen würde. Er sei „überhaupt nicht glücklich“ mit dem Vorgehen des russischen Präsidenten, erklärte Trump – und kündigte an, neue Sanktionen gegen Russland nun „prüfen“ zu wollen. Einen zuvor verhängten Lieferstopp für US-Waffen hob Trump derweil teilweise auf – sorgte damit jedoch nicht nur für Freude in der Ukraine.
Der US-Präsident verkündete, dass zehn Patriot-Flugabwehrraketen an die Ukraine geliefert werden sollen. Vor dem Lieferstopp sollten jedoch eigentlich 30 der wichtigen Geschosse übergeben werden – die restlichen 20 Raketen werden also auch nach Trumps Kehrtwende nicht geliefert.
Ukraine unzufrieden mit Trump: „Nur ein dummer Witz“
„Wenn sie uns wirklich zehn schicken, wäre das nur ein dummer Witz. Das reicht nicht einmal für eine Schlacht“, kommentierte ein hochrangiger ukrainischer Luftwaffenoffizier die Pläne gegenüber der britischen Zeitung „The Times“ mit deutlichen Worten. Trumps Hilfe ist demnach nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Bundeskanzler Friedrich Merz bei seiner Rede im Bundestag am Mittwoch (9. Juli). (Archivbild)
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Während der Kreml betont gelassen auf Trumps jüngste erratische Kehrtwende reagierte, sorgten die Aussagen von Bundeskanzler Merz in Russland mitunter für drastische Reaktionen. Der CDU-Politiker hatte am Mittwoch in der Generaldebatte im Bundestag der Ukraine weitere Unterstützung zugesagt – und die russische Regierung als „verbrecherisches Regime“ bezeichnet.
Merz sorgt in Moskau für Wirbel: „Mittel der Diplomatie erschöpft“
„Die Mittel der Diplomatie sind erschöpft“, erklärte Merz mit Blick auf bisherigen Gesprächsversuche, die Moskau stets mit neuen Bedingungen und Maximalforderungen gekontert und Fortschritte so immer wieder unmöglich gemacht hat. Insbesondere für diese Aussage kriegt Merz nun schrille Repliken zuhören. Sowohl Politiker als auch Moskaus hitzige Propaganda-Maschinerie nahmen den Bundeskanzler prompt ins Visier.
Obwohl Merz am Mittwoch nicht über eine mögliche Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern gesprochen hatte, attackierte das russische Außenministerium den Kanzler mit Blick auf das deutsche Waffensystem. Merz versuche eigentlich bloß eine Taurus-Lieferung an „das Regime in Kyjiw“ zu rechtfertigen, erklärte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa und stellte den Kanzler als Kriegstreiber dar.
Moskaus Außenministerium warnt den Bundeskanzler
Hinter den Worten verberge sich „der schlecht getarnte Wunsch der Regierung Merz, auch in der Tiefe zuzuschlagen“, behauptete Sacharowa und sprach schließlich eine Warnung aus: Eine Lieferung von Taurus an die Ukraine bedeute „den direkten Einstieg Deutschlands in einen Konflikt mit unserem Land“. Das scheine Berlin „nicht zu bedenken, sollte das aber“, fügte die Regierungssprecherin an.

Der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson zusammen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im April 2022 bei einem Besuch in Kyjiw. (Archivbild)
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Leonid Slutsky, Vorsitzender des Ausschusses für internationale Angelegenheiten, spann unterdessen prompt ein altbekanntes russisches Propaganda-Narrativ mit Merz weiter und unterstellte dem Kanzler „den Staffelstab von Boris Johnson übernommen“ zu haben. Merz habe offenbar so wie kurz nach Kriegsbeginn der damalige britische Premierminister beschlossen, die „Verhandlungen zu stören“, so Slutsky.
Moskau erklärt Friedrich Merz zum neuen Boris Johnson
Moskau hat in der Vergangenheit immer wieder behauptet, Gespräche kurz nach Kriegsbeginn in Belarus seien wegen einer Intervention Johnsons gescheitert. Tatsächlich scheiterten sie jedoch an den damals aufgedeckten russischen Kriegsverbrechen in Butscha und für Kyjiw inakzeptablen Forderungen, wie Dokumente später belegen konnten.
Merz’ Vorwurf, dass Russland das Existenzrecht der Ukraine offen infrage stelle, bezeichnete Slutsky zudem als „völligen Unsinn“ – ungeachtet der jüngsten Aussagen von Kremlchef Putin, der aus Moskaus Anspruch auf die gesamte Ukraine mittlerweile keinerlei Hehl mehr macht.
Putins Parteifreunde sehen „direkte Vorbereitung auf den Krieg“
„Der Glaube an den gesunden Menschenverstand der europäischen Führer ist erschöpft“, schrieb derweil Konstantin Kosachev, Mitglied des russischen Föderationsrates, in seinem Telegram-Kanal – und beschuldigte Merz, einen Krieg gegen Russland anzustreben. Mit Deutschland habe sich nun „die EU-Schlüsselmacht“ für Krieg entschieden, behauptete Kosachev.
„Wenn die Diplomatie als ‚ausgeschöpft‘ gilt, ist das eine direkte Vorbereitung auf den Krieg“, hieß es weiter von Putins Parteikollegen, der die westliche Reaktion auf Moskaus fortwährende Eskalation zu Erpressungsversuchen umzudeuten versuchte. Die Botschaft, dass Russland machen müsse, was der Westen will, weil man sonst „bis zum letzten Mann kämpfen“ werde, sei „keine Diplomatie“, behauptete der Politiker – und beschrieb damit ungewollt Moskaus eigene Haltung.
Kreml-Insider: Putin glaubt weiter an Zusammenbruch der Ukraine
Zuletzt hatte der Kreml mehrfach betont, dass Russland seine Kriegsziele erreichen werde – gegenüber der „New York Times“ erklärten Kreml-Insider indessen, dass Putin weiter überzeugt sei, dass Russlands „Überlegenheit auf dem Schlachtfeld wächst und die ukrainische Verteidigung in den kommenden Monaten zusammenbrechen könnte“, berichtete die US-Zeitung. Die Botschaft aus Moskau lautet also: Entweder Kyjiw macht, was Moskau will, oder der Krieg geht weiter.

Wladimir Solowjow gehört zu den bekanntesten russischen TV-Moderatoren - und ist für drastische Drohungen bekannt. (Archivbild)
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Auch Moskaus Propagandisten nehmen derzeit Merz und Deutschland ins Visier. Die russischen Staatsagenturen veröffentlichten ungewöhnlich viele Artikel, die sich mit Deutschland befassten – von Kritik an Merz bis hin zu Skurrilitäten. In einem Paket sei eine „radioaktive Papageienfigur“ gefunden worden, berichtete RIA etwa. Die Lieferung sei aus Deutschland gekommen und an „Moskauer Bürger“ adressiert gewesen, nun aber zurückgeschickt worden, hieß es weiter.
Russland: Skurrile Propaganda gegen Merz und Deutschland
Die drastischsten Töne gab es jedoch erneut im russischen Staatsfernsehen zu hören. Dort wandte sich der populäre TV-Moderator Wladimir Solowjow direkt an Merz und bezeichnete den Kanzler als „Nazi-Abschaum“. In seiner Sendung bei Rossija-1, dem zweitgrößten Fernsehsender Russlands, erklärte Solowjow nun außerdem: „Die Deutschen folgen wieder ihrem altbekannten Pfad, der immer gleich endet – mit russischen Soldaten, die durch Berlin marschieren.“
Diesmal würden die russischen Truppen die deutsche Hauptstadt jedoch nicht wie noch nach dem Zweiten Weltkrieg wieder verlassen, drohte Solowjow und sprach davon, dass Russland Berlin in eine „Atomwüste“ verwandeln werde. Bei seinen schrillen Drohungen berief sich der Moderator schließlich auch auf die Worte Putins: „Wie Wladimir Wladimirowitsch es laut und klar gesagt hat: Wo auch immer ein russischer Soldat seinen Fuß hinsetzt, das gehört uns.“
Ukraine: „Die Welt wird ohne das Putin-Regime besser dran sein“
Während Moskau sowohl militärisch als auch rhetorisch die Eskalation fortsetzt, werden die ukrainischen Rufe nach tatkräftiger westlicher Hilfe immer lauter. „Diese russische Tötungsmaschine lässt sich stoppen – durch gezielte Schläge auf Drohnen- und Raketenfabriken, harte Sanktionen und die Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte“, erklärte etwa der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, auf der Plattform X.
Das kann als indirekte Aufforderung an Merz, Trump und die weiteren Unterstützer der Ukraine verstanden werden, den kritischen Worten nun auch entsprechende Taten folgen zu lassen. Mit Andrij Jermak fand derweil auch einer der engsten Mitarbeiter von Präsident Selenskyj klare Worte angesichts der erneuten nächtlichen Eskalation durch Russland. „Das Putin-Regime ist ein globales Problem“, schrieb der Leiter des ukrainischen Präsidialamtes bei X und fügte an: „Die Welt wird ohne es besser dran sein.“
Nahezu zeitgleich verkündeten die Vereinten Nationen, dass die Zahl der getöteten und verletzten Zivilisten in der Ukraine im vergangenen Juni einen Höchststand erreicht habe. Mindestens 232 Zivilisten seien in jenem Monat getötet und 1343 weitere verletzt worden, erklärte Danielle Bell, die Leiterin der UN-Menschenrechtsbeobachtermission in der Ukraine und fügte an: „Zivilisten in der Ukraine erleben ein Ausmaß an Leid, das wir in mehr als drei Jahren noch nicht gesehen haben.“