Wegen Moskaus mieser ZahlungsmoralHaben russische Offiziere Putins Schwarzmeerflotte verraten?

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Der Kommandeur der russischen Schwarzmeerflotte, Vizeadmiral Wiktor Sokolow (l.) soll bei dem Angriff auf das Flottenhauptquartier in Sewastopol getötet worden sein. Zum Zustand von Konteradmiral Alexander Grinkevich (r.) gibt es bisher keine Angaben.

Der Kommandeur der russischen Schwarzmeerflotte, Vizeadmiral Wiktor Sokolow (l.) soll bei dem Angriff auf das Flottenhauptquartier in Sewastopol getötet worden sein. Zum Zustand von Konteradmiral Alexander Grinkevich (r.) gibt es bisher keine Angaben.

Russische Soldaten hätten „entscheidende Hinweise“ gegeben, berichten ukrainische Partisanen. Moskau schweigt eisern.

Die schlechte Zahlungsmoral der russischen Armeeführung soll laut ukrainischen Partisanen eine wichtige Rolle bei der Planung des laut Kiew verheerenden Raketenangriffs auf das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte am letzten Freitag auf der Halbinsel Krim gespielt haben.

Die Partisanen, die an der Planung des Angriffs beteiligt gewesen sein sollen, erklärten gegenüber der ukrainischen Zeitung „Kyiv Post“, „finanzschwache“ russische Offiziere seien für „wichtige Informationen“ bezahlt worden. So habe man den Aufenthaltsort hochrangiger russischer Kommandeure erfahren – und somit auch von dem Treffen russischer Top-Militärs am letzten Freitag in Sewastopol gewusst.

Putins Vizeadmiral laut ukrainischen Partisanen von eigenen Offizieren verraten

Wie viel Geld für die Informationen bezahlt wurde, ließ die „Partisanenbewegung der Ukrainer und Tataren auf der Krim“ (ATESH) offen. Die „Risiken“ der russischen Offiziere und ihrer Familien seien durch die Summe jedoch „gedeckt“ gewesen, erklärten die Partisanen.

Geld allein reiche allerdings nicht aus, um russische Soldaten zum Verrat zu bewegen. Nur russische Soldaten, die „glauben, dass ihr Land einen verbrecherischen Krieg führt“, kämen als Informanten infrage, erklärte ein Sprecher.

Ukrainischer Geheimdienst bestätigt Zusammenarbeit mit Partisanen bei Angriffen auf der Krim

Die auf der von Russland seit 2014 besetzten Halbinsel Krim aktive Einheit leitet nach eigenen Angaben ihre Informationen stets an mehrere Dienste der Ukraine weiter, darunter auch Kiews Militärgeheimdienst (HUR). Der Chef der Behörde, Kyrylo Budanow, hatte am Wochenende erstmals von Toten und Verletzten und einem Treffen von russischen Top-Militärs berichtet.

Geheimdienstsprecher Andriy Yusov bestätigte gegenüber der „Kyiv Post“ unterdessen die Zusammenarbeit mit den örtlichen Partisanen. Die Infoformationen der ukrainischen Widerstandskämpfer hätten bei den jüngsten Angriffen auf russische Ziele auf der Krim eine „entscheidende Rolle“ gespielt, erklärte Yusov.

Gefährliche Lage auf der Krim: „Das russische Militär setzt alle Mittel ein, um unsere Agenten zu identifizieren“

Die Partisanen wissen unterdessen offenbar um ihre gefährliche Lage inmitten russischer Stellungen auf der Krim. „Das russische Militär setzt alle Kräfte und Mittel ein, um unsere Agenten zu identifizieren“, erklärte der ATESH-Sprecher, der aus Sicherheitsgründen anonym blieb, gegenüber der „Kyiv Post“.

Aus Moskau gibt es unterdessen auch mehrere Tage nach dem Angriff keinen Kommentar von Kremlchef Wladimir Putin zum Angriff auf das Hauptquartier der Schwarzmeerflotte. Auch über von Kiew vermeldeten Tod Dutzender russischer Offiziere, darunter angeblich auch der Flottenkommandeur, Vizeadmiral Wiktor Sokolow, schweigen der Präsident und Verteidigungsminister Sergei Schoigu eisern.

Vizeadmiral Wiktor Sokolow steht bei einer Militärparade neben einer hölzernen Ikone im Besitz der russischen Schwarzmeerflotte.

Vizeadmiral Wiktor Sokolow steht bei einer Militärparade neben einer hölzernen Ikone im Besitz der russischen Schwarzmeerflotte.

Dass ein russischer Soldat nach dem Angriff vermisst werde, bleibt somit weiterhin die bisher einzige offizielle Angabe Moskaus zu den Auswirkungen der ukrainischen Raketentreffer am helllichten Tag.

Angriff auf Putins Schwarzmeerflotte: Moskau macht keine Angaben – aber feiert eine hölzerne Ikone

Die russischen Besatzungsbehörden auf der Krim kündigten unterdessen an, das Warnsystem für ukrainische Luftangriffe in Sewastopol solle verbessert und die Bevölkerung über Notunterkünfte besser informiert werden.

Zu den ukrainischen Angaben über Tote und Verletzte innerhalb des Führungsstabs der Schwarzmeerflotte gab auch der von Moskau eingesetzte „Gouverneur“ von Sewastopol, Michail Razvozhaev, keinen Kommentar ab. Der Kremlvertreter freute sich stattdessen am Wochenende ausgiebig über ein „wahres Wunder“ in der Krim-Hauptstadt.

Eine hölzerne Ikone mit einer Darstellung des russischen Marinekommandanten Fjodor Uschakow habe auf wundersame Weise das Feuer im Flottenhauptquartier überlebt, zitierte die russische staatliche Nachrichtenagentur RIA Nowosti Michail Razvozhaev. Zu weiteren, menschlichen Überlebenden macht er keine Angaben. 

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