Kommentar zu Scholz und Ukraine-StreitEs liegt nicht daran, dass alle anderen blöd sind

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Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Konferenz „Europe 2024“ in Berlin.

Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Konferenz „Europe 2024“ in Berlin.

Der Kanzler ist von der Debatte über die Ukraine-Hilfe genervt. Er selbst trägt aber mit Widersprüchen dazu bei, dass keine Ruhe einkehrt.

Olaf Scholz reklamiert für sich Besonnenheit im Umgang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Aber jetzt zeigt er Nerven und schimpft, die Debatte in Deutschland über die Hilfe für Kiew sei an „Lächerlichkeit nicht zu überbieten“, „peinlich“ und „wenig erwachsen“. Man kann nachvollziehen, dass es einen Bundeskanzler stört, wenn er in der eigenen Koalition, in der Opposition sowieso, und in einem Teil der Bevölkerung einfach nicht verstanden wird. Das liegt aber nicht daran, dass alle anderen blöd sind, sondern daran, dass es wie in puncto Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern so viele Widersprüche gibt. Übrigens mit tatkräftiger Unterstützung des Kanzlers. Sich als den wohl einzigen Erwachsenen im Raum dazustellen, spricht noch nicht für Überzeugungskraft. Eher zeigt es, wie wenig Autorität Scholz´ Nein-zu-Taurus-Basta entfaltet hat.

Laut Umfragen findet es die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger richtig, dass Scholz der Ukraine keine Taurus-Raketen liefern will. Er begründet seine Weigerung damit, dass sonst die Gefahr einer deutschen Kriegsbeteiligung bestünde – denn Taurus könne nur von Bundeswehrsoldaten eingesetzt werden -, und weder Deutschland noch die Nato dürften zur Kriegspartei werden.

Olaf Scholz bleibt im Nebulösen

Und hier sind schon wir mitten in den Widersprüchen. Erstens: Nach Einschätzung von Luftwaffen-Generalen könnten die Ukrainer die Bedienung von Taurus selbst schnell lernen. Zweitens: Der Kriegsverbrecher Putin braucht nicht Taurus, um Deutschland als Aggressor zu beschuldigen, das tut er jetzt schon. Und drittens: Scholz hat ausgeplaudert, dass die Briten und Franzosen für die Ukraine an der Zielsteuerung von anderen Marschflugkörpern beteiligt sind. Demnach müssten die beiden Nato-Partner schon Kriegspartei sein.

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Vor einer Eskalation, vor Bomben im eigenen Land, vor einem Dritten Weltkrieg haben die Menschen überall auf der Welt Angst. Scholz bleibt immer noch im Nebulösen, wenn es konkret um die deutsche Sicherheit geht. Damit nährt er zumindest die Spekulation, dass er genügend Taurus-Raketen für den furchtbaren Fall eines direkten Angriffs aus Russland im eigenen Reservoir behalten will. Es wäre in der Tat beruhigend zu wissen, die Bundeswehr könnte das eigene Land im Notfall verteidigen. Dies sollte aber immer mit bedacht werden: Wenn die Ukraine den Krieg verliert, wird Russland erst richtig zur Gefahr für Deutschland und die Nato.

Wenn die jetzige Debatte lächerlich ist, was ist dann das laute Nachdenken von Macron?

Schön, dass die internationale sogenannte Ukraine-Kontaktgruppe auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Ramstein Nachschub von Fahrzeugen und von Munition beschlossen hat. Man muss nur wissen: Kiew war im vorigen Jahr allein von der EU viel mehr Munition versprochen worden, als bis heute geliefert wurde. Es ist auch schön, wenn US-Verteidigungsminister Lloyd Austin versichert, die USA würden die Ukraine nicht scheitern lassen. Das geplante 60-Milliarden-Dollar-Paket könnte allerdings an den Republikaner scheitern.

Wenn die jetzige Debatte lächerlich ist, was ist dann das laute Nachdenken von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über Bodentruppen in der Ukraine und von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich über ein „Einfrieren“ des Krieges? Ist es nicht richtig, dass Nato-Staaten zur Abwechslung mal Putin drohen? Und ist es zu verteufeln, wenn ein Sozialdemokrat händeringend nach einer Idee sucht, wie dieser schreckliche Krieg enden könnte? Mützenich müsste allerdings eine Strategie nachliefern, wie Unterdrückung, Folter und Vergewaltigung in von Russland besetzten Gebieten verhindert werden könnten und wieweit Sicherheitsgarantien von EU und Nato für die dann noch halbwegs freie Ukraine reichen würde.

Am Ende sind es jedenfalls bekanntlich Worte, die einen Krieg beenden. Nicht Waffen.

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