AKW-Gelände in SaporischschjaUkraine warnt vor „Katastrophe, wie sie Europa noch nie erlebt hat“

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Ukrainische Arbeiter an ihren Arbeitsplätzen im Kontrollraum des Kernkraftwerks Saporischschja. (Archivbild)

Ukrainische Arbeiter an ihren Arbeitsplätzen im Kontrollraum des Kernkraftwerks Saporischschja. (Archivbild)

Am Wochenende sollen Marschflugkörper der Atomanlage gefährlich nahe gekommen sein. Experten bezeichnen die Gefahr einer nuklearen Katastrophe als hoch.

Das ukrainische Außenministerium wirft Russland vor, im besetzten Atomkraftwerk Saporischschja den Wechsel der Experten der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) zu verhindern. „Moskau muss die Rotation der IAEA-Experten unverzüglich ermöglichen und dafür sorgen, dass sie sofort sicher durch die vorübergehend besetzten Gebiete der Ukraine zum Kernkraftwerk gelangen“, heißt es in einem Schreiben, das dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt.

Russland setze die Militarisierung des Kernkraftwerks fort und stationiere auf dem Gelände militärische Ausrüstung und Soldaten, so das Außenministerium. „Wenn das kriminelle Vorgehen Russlands im ukrainischen Atomkraftwerk nicht gestoppt wird, könnte es zu einer Katastrophe kommen, wie sie Europa noch nie erlebt hat.“

IAEA-Experten stellten Schäden nahe der Reaktoren fest

Schon vor einigen Monaten hatte die unabhängige Internationalen Atomenergie-Organisation nach langen Verhandlungen durch das Kriegsgebiet bis zum Atomkraftwerk reisen und eine Inspektion durchführen können. Dabei hatten die IAEA-Experten Schäden nahe der sechs Reaktoren und den Lagerstätten von nuklearem Abfall festgestellt. Außerdem fanden sie in Turbinenhallen des Kernkraftwerks russische Panzerfahrzeuge.

Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Region Saporischschja hatte sich Russland auch das AKW einverleibt. Der russische Staatskonzern Rosatom gründete dafür eine eigene Tochtergesellschaft. Die Übernahme des AKW wurde von Putin persönlich angeordnet. Die ukrainische Regierung fordert nun „den sofortigen Abzug des russischen Militärs und des Rosatom-Personals aus dem Kernkraftwerk Saporischschja, die Entmilitarisierung und die Wiederherstellung der ukrainischen Kontrolle“.

Experten sehen Gefahr einer nuklearen Katastrophe

Nach Angaben des staatlichen ukrainischen Energieversorgers Energoatom kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen in und um die Kernkraftwerke. Erst am vergangenen Samstag seien bei einem Raketenangriff zwei Marschflugkörper „gefährlich nahe an die Atomanlage“ herangeflogen. „Die Gefahr, den Reaktor mit möglichen Folgen – einer nuklearen Katastrophe – zu treffen, war erneut hoch“, teilte Energoatom mit.

Am Wochenende hatte auch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) vor der Gefahr eines Atomunfalls in der Ukraine gewarnt. Das stark erhöhte Risiko eines nuklearen Unfalls mit erheblichen Folgen bestehe fort, solange der Krieg dauere, sagte BfS-Präsidentin Inge Paulini. „Ein Jahr nach Beginn des Angriffskrieges scheint diese Gefahr schon wieder in den Hintergrund des öffentlichen Bewusstseins zu rücken.“

Weitere Sanktionen gefordert

Das ukrainische Außenministerium forderte die internationale Gemeinschaft auf, die Sanktionen auf den russischen Staatskonzern Rosatom sowie die mit ihm verbundenen Unternehmen und Institutionen auszuweiten. Die Europäische Union verfolgt schon länger Pläne, den russischen Atomsektor zu sanktionieren. Allerdings droht dies an Ungarn zu scheitern, die von Rosatom sehr abhängig sind.

Laut „Politico“ hat die EU das Vorhaben, Rosatom zu sanktionieren, zumindest für das nächste Sanktionspaket auf Eis gelegt. Stattdessen beschränken sich die geplanten Sanktionen auf die Bereiche Luftfahrt und Militär sowie weitere Einzelpersonen. Zunächst hatte es laut dem Bericht Überlegungen gegeben, zumindest einzelne Rosatom-Mitarbeiter zu sanktionieren. Doch auch davon soll die EU nun abgerückt sein.

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