Schachlegende Garri Kasparow ist einer der lautstärksten Gegner des Kremls. Wegen Trumps „Friedensplan“ ist ihm jetzt der Kragen geplatzt.
Dreiminütige Tirade geht viralTrump, Deutschland, Nato – Kremlkritiker Kasparow rechnet in Wutrede ab

Schachlegende Garri Kasparow bei einem Auftritt in Warschau. Bei einer Sicherheitskonferenz in Halifax lieferte der Kremlkritiker nun eine Wutrede gegen Trumps „Friedensplan“ und die Nato. (Archivbild)
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Er gilt als einer der stärksten Spieler der Schachgeschichte – zwischen 1985 und 2000 führte an ihm in der Welt des strategischen Brettspiels kein Weg vorbei. Mittlerweile gehört Garri Kasparow, der russische Schachgroßmeister, zu den lautstärksten Dissidenten und Kritikern des Kremls. Immer wieder warnt Kasparow seit Russlands Einmarsch in die Ukraine vor den imperialistischen Zielen von Kremlchef Wladimir Putin.
Beim Halifax Security Forum, einer Sicherheitskonferenz, bei der jedes Jahr mehr als 300 Persönlichkeiten aus Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien aufeinandertreffen, ist Kasparow angesichts des „Friedensplan“ von US-Präsident Donald Trump und dem Verhalten des Westens gegenüber Russland jetzt der Kragen geplatzt.
Garri Kasparows dreiminütige Wutrede geht viral
Fast drei Minuten lang findet der russische Dissident dabei wütende Worte für die Pläne des US-Präsidenten, aber auch für die Nato. Der Wutausbruch des Kremlkritikers hat sich seitdem rasant in den sozialen Netzwerken verbreitet – und wurde dort Hunderttausende mal abgerufen. Das hat Kasparow in Halifax gesagt:
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„Ich bin am Verzweifeln. Das ist die beste Show, auf die Putin hoffen kann: Es gibt keine einzige klare Antwort. Es geht nicht darum, wie viele Waffen und Munition man hat, sondern darum, ob man bereit ist, zu kämpfen und zu sterben“, stellt Kasparow zu Beginn klar und äußert sich kritisch zu dem Verhalten der Nato.
„Ein Immobiliengeschäft, um Trumps Familie zu bereichern“
„Oh, das ist schön, dass Sie eine von Kanada geführte Brigade in Lettland haben“, sagt der Kremlkritiker sarkastisch. „Was ist der Befehl für diese Brigade? Werden sie schießen, wenn Russen die Grenze überschreiten? Wir kennen die Antwort, die Verhandlungen werden ewig dauern. Ich habe immer noch keine klare Antwort gehört.“
Schließlich folgt die erste Attacke auf US-Präsident Trump und den umstrittenen amerikanischen Unterhändler Steve Witkoff: „Wie können wir ernsthaft über den Deal diskutieren, den Trumps Geschäftspartner abgeschlossen hat? Wissen Sie, es ist ein Immobiliengeschäft, um Trumps Familie zu bereichern und die Ukraine zu verkaufen“, poltert Kasparow mit erhobener Stimme und gerät immer mehr in Rage.
„Die Nato ist nicht stark, die Nato existiert nicht“
„Wie können wir ernsthaft darüber diskutieren, dass die Ukraine Befestigungsanlagen aufgeben muss, die Europa retten?“, fragt der Kremlkritiker erzürnt angesichts der in Trumps Plan ursprünglich vorgesehenen Gebietsabtretungen an Russland in der Ostukraine.

Garri Kasparow, ehemaliger russischer Schachweltmeister und Aktivist, steht im November zum Start der Berlin Freedom Week auf einer Bühne. (Archivbild)
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„Wir feiern die Nato – die Nato ist nicht stark, die Nato existiert nicht“, wird Kasparow deutlich. „Sie ist eine Fälschung, sie ist N-A-T-O, vier Buchstaben.“ Schutz für Europa biete derzeit nicht das westliche Verteidigungsbündnis, sondern die Ukraine, erklärt der ehemalige Schachgroßmeister. „Der Grund, warum wir immer noch hier gemütlich sitzen können, ist, dass die Ukraine jede Minute stirbt. Es ist ein massives Opfer.“
Garri Kasparow: Wut auf den Westen – und Respekt vor der Ukraine
Es folgen eindrückliche Sätze über das von Kasparows Heimatland angegriffene Land. „Wenn die Ukraine nicht vor Russland standhalten würde, wären russische Panzer bereits in Polen“, sagt Kasparow und richtet sich an das Publikum in Kanada.
„Sie alle haben vorgeschlagen, dass die Ukraine aufgeben sollte. Sie haben Selenskyj eine Mitfahrgelegenheit angeboten, und er sagte: ‚Ich brauche keine Mitfahrgelegenheit, ich brauche Munition‘“, erinnert Kasparow an die ersten Tage nach Kriegsbeginn, in denen vielerorts im Westen mit einer schnellen Niederlage der Ukraine gerechnet worden war.
„Seit vier Jahren kämpft die Ukraine für ganz Europa“
Dann folgen erneut wütende Worte in Richtung des Westens. „Seit vier Jahren kämpft die Ukraine für ganz Europa. Die Nato wurde gegründet, um nur einen Krieg zu führen, nicht um nach Afghanistan oder Syrien zu gehen. Einen Krieg – um das freie Europa vor der russischen Aggression zu retten. Die Ukraine ist das einzige Land, das diesen Krieg führt – und wir diskutieren immer noch, ob wir sie aufnehmen sollen, oder nicht?“
Die Ukraine sei „das einzige Land, das die Bestimmung der Nato erfüllt“, heißt es weiter von dem sichtlich erbosten Dissidenten. „Wir verdanken ihnen alles.“ Dass Selenskyj nun wegen Trumps Plänen eine schicksalhafte Entscheidung treffen müsse, mache ihn fassungslos, erklärt Kasparow. „Ich kann das nicht einmal erklären. Als Russe fühle ich mich auch schuldig, deshalb kann ich ihm nicht sagen, dass er Trump den Stinkefinger zeigen soll.“
„Wollen sie Donald Trump sagen, dass er das nicht tun darf?“
Schließlich nimmt der Kremlkritiker den US-Senat ins Visier. Dort wird seit Monaten ein hartes Sanktionspaket gegen Moskau vorbereitet, bisher aber nicht zur Abstimmung gestellt, obwohl es eine Mehrheit für die Maßnahmen zu geben scheint.
„Wie viele Senatoren haben wir hier?“, wendet sich Kasparow erneut ans Publikum. „Wollen sie Donald Trump sagen, dass er das nicht tun darf? Sie haben 85 – das sind mehr als Zweidrittel“, heißt es weiter vom Kremlkritiker mit Blick auf die Mehrheitsverhältnisse im US-Senat. „Wie kommt es, dass dieser Gesetzentwurf immer noch irgendwo im Senat liegt? Er wird immer noch nicht umgesetzt.“
„Putin, Xi Jinping und alle anderen feiern das“
Kasparow zeigt in seiner Wutrede auch die Konsequenzen auf, die sich seiner Ansicht nach aus der westlichen Passivität gegenüber Russland ergeben. „Putin, Xi Jinping und alle anderen feiern das.“ Russland bekomme Unterstützung von „Nordkoreanern, Kubanern, Afrikanern und Freiwilligen“, führt Kasparow aus. „Und wir reden immer noch über Eskalation?“

Kremlchef Wladimir Putin zusammen mit Chinas Präsident Xi Jinping bei einem Treffen in Peking Anfang September. (Archivbild)
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Nach Ansicht des Dissidenten verfüge der Westen über alle Mittel, die es brauche, um Russland aufzuhalten. „Wir haben alles: militärische, politische und wirtschaftliche Macht auf unserer Seite, und trotzdem verlieren wir den Krieg. Dank der Ukraine erfüllt Russland nicht Putins Traum von der Wiederherstellung eines russischen Imperiums“, erklärt Kasparow, ehe sein Wutausbruch mit einer deutlichen Warnung endet.
„Dann wird Putin ganz klar seinen Traum verwirklichen“
„Aber wenn, Gott bewahre, die Ukraine gezwungen wird, dieses Abkommen zu schließen, dann wird Putin ganz klar seinen Traum verwirklichen. Und dann seid ihr die Nächsten. Aber ihr seid nicht bereit, zu kämpfen.“
An einer anderen Stelle der Debatte in Halifax kriegt auch Deutschland Kritik von Kasparow zu hören. „Ihr gebt Geld. Fantastisch! Aber die Ukrainer sterben. Habe ich die Tomahawks, Taurus – die Raketen, die den Kriegsverlauf verändern können – übersehen?“
Garri Kasparow kritisiert ausbleibende Taurus-Lieferung
Die Krim-Brücke existiere immer noch, kritisiert Kasparow. „Es ist ein Symbol der russischen Besatzung. Vier Jahre. Und ihr konntet die Ukraine nicht mit Langstreckenwaffen beliefern, um diese Brücke zu zerstören, was eine symbolkräftige Niederlage für Wladimir Putin wäre.“
Nachdem sich die Worte des Kremlkritikers rasant verbreitet hatten, reagiert Kasparow auf der Plattform X auf den Wirbel um seinen Auftritt in Halifax. „Ja, ich bin sauer“, bekräftigte der ehemalige Schachgroßmeister. „Wir alle sollten sauer sein“, hieß es weiter. Das sei das Mindeste, was man den Ukrainern angesichts „unserer kollektiven Aktionslosigkeit“ schulde, so Kasparow.
Wladimir Putin bekräftigt Russlands Kriegsziele
Kremlchef Wladimir Putin bestätigte die Einschätzung des Dissidenten derweil am Donnerstag indirekt – und beharrte auf den russischen Maximalzielen in der Ukraine. „Die ukrainischen Truppen werden sich aus den besetzten Gebieten zurückziehen – dann werden die Kämpfe enden. Sollten sie sich nicht zurückziehen, werden wir das mit Waffengewalt erzwingen, das ist alles“, erklärte Putin gegenüber Reportern.

