Kremlchef in „ernsten Schwierigkeiten“?Was hinter den Todesgerüchten um Putin steckt

Lesezeit 5 Minuten
Eine Karikatur von Wladimir Putin hängt gegenüber der russischen Botschaft im lettischen Riga. Um den Kremlchef gab es zuletzt Todesgerüchte. (Archivbild)

Eine Karikatur von Wladimir Putin hängt gegenüber der russischen Botschaft im lettischen Riga. Um den Kremlchef gab es zuletzt Todesgerüchte. (Archivbild)

Ein russischer Telegram-Kanal mit Hunderttausenden Lesern verbreitet Todesmeldungen über den Kremlchef. Was hat das zu bedeuten?

Mit der Behauptung, der russische Präsident Wladimir Putin sei am 26. Oktober nach einer Herzattacke gestorben, hat ein russischer Telegram-Kanal mit hunderttausenden Lesern zuletzt für viel Wirbel gesorgt. Schließlich reagierte sogar der Kreml auf die Meldungen – und ließ sie durch Putins Sprecher Dmitri Peskow umgehend dementieren. Mit Putin sei alles in bester Ordnung, versicherte Moskau.

Der Telegram-Kanal namens „General SVR“ bleibt jedoch weiterhin bei seiner Geschichte: Auch in den letzten Tagen finden sich dort mehrere Beiträge, in denen von Putins Tod gesprochen wird. Mittlerweile leite der Vorsitzende des russischen Sicherheitsrats, Nikolai Patruschew, die Geschicke im Kreml, während Putins Leiche sich nach wie vor in einer Privatresidenz des Kremlchefs befinde, hieß es noch am Mittwoch. Belege für diese Angaben liefert der Kanal weiterhin keine. Gründe, von der Richtigkeit der Berichte auszugehen, gibt es nicht.

Telegram-Kanal bleibt dabei: Wladimir Putin soll am 26. Oktober gestorben sein

Zuletzt hatte jedoch auch der russische Politikwissenschaftler Waleri Solowei in die Todesgerüchte rund um den Kremlchef mit eingestimmt. Gerüchten zufolge könnte es sich bei Solowei und „General SVR“ jedoch auch um ein und dieselbe Person handeln, die bewusst Falschmeldungen über Putins Ableben verbreite. 

Dennoch könnten die weiterhin gestreuten Todesgerüchte um den Kremlchef einen Zweck erfüllen, erklärte nun Andriy Yusov, Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes (HUR), im Gespräch mit „Radio New Voice“. Demnach seien die Gerüchte in Russland bewusst gestreut worden, um die Reaktionen in der Bevölkerung und der Eliten „auf die Probe“ zu stellen. Aber auch der Kremlchef selbst solle durch derartige Meldungen beeinflusst werden, führte Yusov aus.

Todesgerüchte um Wladimir Putin: „Das sind süße Klänge in ukrainischen Ohren“

„Das sind süße Klänge in ukrainischen Ohren und es wäre eine tolle Nachricht, aber es ist nur ein Gerücht von russischen Telegram-Kanälen“, erklärte Yusov. Durch derartiges Geraune könnten die russischen Geheimdienste besser abschätzen, was im Falle von Putins tatsächlichem Tod im Land geschehen werde.

Zudem werde Putin selbst dazu genötigt, auf die Meldungen zu reagieren – wie es in Form der Stellungnahme seines Sprechers dann auch geschehen sei. „Es ist offensichtlich, dass dies nicht das Ende dieser Geschichte ist, sondern es einem bestimmten Drehbuch folgt“, führte Yusov aus. Die Ukraine könne daraus „nützliche Beobachtungen“ ableiten.

„Legen Sie die Sicherheitsgurte an: Es wird einige Überraschungen geben“

Auch der Politikwissenschaftler und Russland-Experte Alexander J. Motyl hält es für wahrscheinlich, dass die russische Politik in den nächsten Wochen und Monaten „sogar noch bizarrer als üblich“ werde. „Legen Sie die Sicherheitsgurte an: Es wird einige Überraschungen geben“, schrieb der Politikprofessor in einem Gastbeitrag für „The Hill“.

Auch wenn es bisher keine Belege für die Behauptungen über Putins Tod gebe, „gibt es auch keine dafür, dass er lebendig ist“, führte Motyl aus. Sicher sei daher derzeit nur: „Die Aufregung über die Gerüchte zeigt, dass Putin sich in ernsthaften Schwierigkeiten befindet.“ Hunderttausende Russen hätten die Gerüchte mittlerweile gelesen – und würden nun darüber diskutieren. „Die Saat des Zweifels an dem ‚Opa im Bunker‘, wie Putins Kritiker ihn nennen, ist aufgegangen.“

Russland-Experte: Todesmeldungen zu Wladimir Putin sind „Müll“

Andere Russland-Experten äußern sich unterdessen klarer: Alles, was der Telegram-Kanal „General SVR“ veröffentliche, sei „absoluter Müll“, schrieb der Politikwissenschaftler Ian Garner im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter). Andere zeigen zumindest Zweifel an Putins Gesundheitszustand.

„Ich habe Putin oder seinen Doppelgänger noch nie so schwach gesehen wie heute. Er las mit erheblichen Problemen aus einer Zeitung vor ihm und wirkte so verloren, wie man nur sein kann“, schrieb der schwedische Osteuropa-Experte Anders Åslund zu Wochenbeginn zu Aufnahmen einer Sicherheitssitzung im Kreml unter der Leitung Putins. Den Tod des Kremlchefs ausschließen, will Åslund derweil nicht. „Ich weiß es nicht“, schrieb der Schwede bei X.

Ukraine sieht Doppelgänger von Wladimir Putin am Werk

Die Gerüchte um Putin werden unterdessen auch auf ukrainischer Seite mit Interesse verfolgt – und mitunter auch von dort befeuert. So hatte der Chef des Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, bereits im August erklärt, er wisse nicht, ob Putin noch am Leben sei oder nicht. Der „echte“ Putin sei zuletzt am 26. Juni 2022 gesehen worden, behauptete Budanow.

Seitdem seien lediglich Doppelgänger des Präsidenten zum Einsatz gekommen. Die Hintergründe dafür seien jedoch auch dem ukrainischen Geheimdienst unbekannt, hieß es im Sommer. Putin könne demnach bereits tot sein, sich in schlechter Verfassung befinden oder schlichtweg öffentliche Auftritte vermeiden wollen. Überprüfen lassen sich auch diese Angaben nicht. Um den russischen Präsidenten gibt es immer wieder Doppelgänger-Gerüchte. Belege dafür gibt es bisher keine. Laut ukrainischen Angaben gebe es „mindestens drei Doppelgänger“ des Kremlchefs.

Wladimir Putin in der „Stalin-Phase“?

Vielen Diktatoren in der Geschichte wurde nachgesagt, auf Doppelgänger gesetzt zu haben – darunter der irakische Diktator Saddam Hussein, der langjährige „Maximo Lider“ Kubas, Fidel Castro, und natürlich auch der sowjetische Diktator Josef Stalin.

Seit Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine wird zudem vermehrt auf Parallelen zwischen Stalin und Putin hingewiesen. Der Kremlchef befinde sich nun in seiner „Stalin-Phase“, analysierte Andrei Kolesnikow bereits vor einem Jahr im Fachmagazin „Foreign Affairs“. Putin werde demnach immer „isolierter, paranoider – und immer mehr wie der ehemalige sowjetische Diktator“.

In den Monaten vor Stalins Tod im Jahr 1953 hatte es Vergiftungsgerüchte um den Machthaber gegeben. Diese sollen bewusst gestreut worden sein. Auch hier könnten sich die Biografien der beiden russischen Machthaber also irgendwann ähneln. Zuletzt hatte es jedoch auch um den Putin-Gefährten und Tschetschenen-Anführer Ramsan Kadyrow hartnäckige Todesgerüchte gegeben – diese hatten sich in den Wochen danach allerdings nicht bewahrheitet.

KStA abonnieren