UmweltschutzWarum die Klima-Debatte nach der Corona-Krise an Schärfe gewinnen könnte

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Ein Kanal in Venedig ist menschenleer.

  • Die Corona-Krise hat positive Auswirkungen auf das Weltklima. Die Luft scheint sauber zu sein, das Wasser wieder klar. In der Lagune vor Venedig tummeln sich wieder die Fische. Die Welt scheint wieder zu sich selbst gefunden zu haben.
  • So surreal diese Zeiten sind, so düster die Aussichten wirtschaftlich aus sein mögen, so sehr scheint dies eine Zeit der Versöhnung mit der Natur zu sein. Wenigstens das, möchte man meinen.
  • In diesem Jahr wird weltweit fünf Prozent weniger Kohlendioxid ausgestoßen werden. Was nächtelange Verhandlungen auf Klimagipfeln nicht vermochten, hat ein kleines, vernunftloses Proteinteilchen bewirkt.

Köln – Es ist eine ungewöhnliche Stille –  als hätte jemand einfach die Zeit angehalten. In den Großstädten kann man nun über die Straßen schlendern. In Paris sind die Boulevards menschenleer. Berliner Viertel scheinen verweist zu sein. Der Himmel über Peking strahlt in einem blau, das man so noch nie gesehen hat.

Die Luft scheint sauber zu sein, das Wasser wieder klar. In der Lagune vor Venedig tummeln sich wieder die Fische. Die Welt scheint wieder zu sich selbst gefunden zu haben. Das alles, seitdem der Mensch quasi von der Bildfläche verschwunden ist und in seinen eigenen vier Wänden hockt, um sich vor einem winzigen Lebewesen (das vielleicht nicht einmal der Definition von Leben genügt) zu schützen.

Versöhnung mit der Natur

Kein Lärm, keine rauchenden Schlote, kaum Flugzeuge am Himmel. So surreal diese Zeiten sind, so düster die Aussichten wirtschaftlich aus sein mögen, so sehr scheint dies eine Zeit der Versöhnung mit der Natur zu sein. Wenigstens das, möchte man meinen.

Alles zum Thema Klimawandel

Viele sagen, dass die Krise uns wieder auf das Wesentliche zurückwirft, auf die wichtigen Dinge im Leben, auf Freunde und Familie, auf Gesundheit. Aber sie erzeuge auch Mitgefühl und Solidarität. Und Umweltexperten hegen die leise Hoffnung, dass die Corona-Krise ein Chance sei, dass sie gut für die Natur sein könnte, da in Krisenmomenten eben alles möglich sei, in die ein und in die andere Richtung.

Die Natur scheint sich zu erholen

Fakt ist, dass der Ausstoß von Klimagasen rapide sinkt, seitdem die Menschen nicht mehr mit den Autos zur Arbeit fahren, sondern stattdessen im Homeoffice sitzen. Sie fliegen kaum noch und viele Fabriken stehen still. Der Ausstoß sinkt so rapide, dass die Natur sich zu erholen scheint. In China um ein Viertel, in Deutschland sogar so stark, dass das Land die schon abgeschriebenen Klimaziele für das Jahr 2020 erreichen wird.

Der Philosoph Hegel hat so etwas einmal die List des Weltgeistes genannt. Hinter dem Rücken des Menschen sorgt er dafür, dass sich die Dinge noch zum Guten wenden. Wobei das Wort „gut“ hier relativ zu gebrauchen ist. Denn die Verluste für diejenigen, die ihre Liebsten durch die Coronavirus-Erkrankung verlieren, sind für sie kaum aufzuwiegen.

Ein kleines Proteinteilchen legt die gesamte Welt lahm

Dennoch: In diesem Jahr wird weltweit fünf Prozent weniger Kohlendioxid ausgestoßen werden. Was nächtelange Verhandlungen auf Klimagipfeln nicht vermochten, hat ein kleines, vernunftloses Proteinteilchen bewirkt. Es folgt einfach den Spuren der Menschen, ihren Handels- und Verkehrswegen, und legt innerhalb weniger Wochen die gesamte Welt lahm.

Das könnte Sie auch interessieren:

Man kommt sich vor wie in einem Film: Nicht nur die surreal leer wirkenden Städte sorgen dafür. Während die Welt plötzlich klimafreundlich wird, ist die stärkste Bewegung für dieses Ziel wie vom Bildschirm verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Und obwohl der nächste Klimagipfel von Glasgow auf unbestimmte Zeit verschoben wurde, scheint sich die Welt selbst zu heilen. Der Bundestrainer Joachim Löw meinte, die Welt schlage nun zurück, wie eine Fußball-Mannschaft, die dem Gegner nun ein paar Treffer einschenkt.

Eine Zeit der Entschleunigung

Dass die Welt so agieren kann, glauben die Anhänger jener Theorie, die in der Welt einen lebenden Organismus sieht. Gaia nennen sie den Planeten. Vielleicht habe dieser ja, plöpp, einen kleinen Erdenbewohner wie das Virus ausgespuckt, weil es dieser Welt einfach zu heiß geworden sei und sich auf diese Weise des Menschen entledigt. Nun ja, grau ist alle Theorie, wie es so schön heißt.

Auch wenn das Coronavirus die Klimakrise aus dem Bewusstsein der Menschen verdrängt hat, so sorgt es dafür, dass für kurze Zeit eine Phase der Entschleunigung stattfindet. Umso heftiger wird es jedoch werden, fürchten einige, wenn der Lockdown beendet wird. Denn dann werde es darum gehen, eben die altbekannten Ziele wieder in den Blick zu nehmen: Wachstum, Wachstum, Wachstum.

Auseinandersetzung könnte an Schärfe gewinnen

Die Auseinandersetzungen um den richtigen Kurs könnten an Schärfe gewinnen. Es werden Sätze fallen wie der, dass Klimaschutz zu teuer sei, dass er  gerade jetzt keine Rolle spielen dürfe.

Vielleicht sieht man  nun die Chancen, die in einem Umbau der Wirtschaft auf klimaneutralere Energien bestehen. Vielleicht  wächst auch die Erkenntnis, dass man mit dem Klimaschutz jetzt anfangen muss. Jedenfalls sollten die Staaten   nicht so lange warten wie bei dieser Epidemie. Die Folgen sind gefährlich.

KStA abonnieren