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Macron protestiertWarum schweigt Friedrich Merz zu den US-Sanktionen gegen HateAid?

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US-Präsident Donald Trump (l.) salutiert mit Vizepräsident JD Vance am 11. November während einer Veranstaltung zum Veteranentag auf dem Arlington Nationalfriedhof. Die US-Regierung kritisiert die angebliche Einschränkung der Meinungsfreiheit in Deutschland und nimmt die Organisation HateAid ins Visier.

US-Präsident Donald Trump (l.) salutiert mit Vizepräsident JD Vance am 11. November während einer Veranstaltung zum Veteranentag auf dem Arlington Nationalfriedhof. Die US-Regierung kritisiert die angebliche Einschränkung der Meinungsfreiheit in Deutschland und nimmt die Organisation HateAid ins Visier.

Die US-Regierung hat die HateAid-Geschäftsführerinnen Josephine Ballon und Anna-Lena von Hodenberg mit Einreiseverboten belegt. Das sorgt für Kritik.

Die US-Regierung beließ es nicht bei Ankündigungen. Sie ließ umgehend Taten folgen. Ihr sei am Mittwochabend von der US-Verwaltung mitgeteilt worden, dass sich der Status ihres noch bis April gültigen US-Visums geändert habe und damit keine Einreise mehr möglich sei, sagte HateAid-Geschäftsführerin Josephine Ballon der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Ihre Mit-Geschäftsführerin Anna-Lena von Hodenberg verfüge aktuell über kein Visum für die USA.

Im Übrigen werde von HateAid geprüft, ob das Vorgehen der US-Behörden Einfluss auf den Zahlungsverkehr der Organisation haben könne, fügte Ballon hinzu. So sei unklar, ob die US-Entscheidung ausgeweitet und auch Sperrungen von Kreditkarten oder bei US-Anbietern geführten Online-Konten nach sich ziehen könne.

Kritik an Sanktionen für HateAid fällt unterschiedlich aus

Die US-Regierung hatte kurz zuvor für einen neuen Affront im europäisch-amerikanischen Verhältnis gesorgt. Sie verhängte Einreiseverbote gegen Ballon, von Hodenberg sowie gegen drei andere Europäer – darunter der frühere französische EU-Kommissar Thierry Breton, der als einer der Architekten des Digital Services Act (DAS) gilt. Das Gesetzespaket und dessen praktische Anwendung sollen verhindern, dass im Internet ein rechtsfreier Raum entsteht. HateAid wiederum bietet psychologische und rechtliche Unterstützung für Menschen an, die im Internet diskriminiert, beleidigt, bedroht oder angegriffen werden.

Die US-Regierung fordert seit längerem Änderungen an den strengen EU-Digitalgesetzen, die zum Beispiel die Verbreitung von Falschinformationen über Plattformen wie X verhindern sollen und auch Unternehmen wie Amazon, Apple und Meta (Facebook), Alphabet (Google) und Microsoft betreffen. Die EU-Kommission betont immer wieder, dass diese nur einen fairen Wettbewerb und den Schutz von Kindern und demokratischen Wahlen garantieren sollen. Das Gesetz über digitale Dienste verpflichtet Plattformen dazu, einfache Verfahren zum Melden illegaler Inhalte, Waren oder Dienstleistungen anzubieten. Zudem müssen sie Maßnahmen ergreifen, um Minderjährige vor Glücksspielen oder Pornografie zu schützen.

Der jüngste Schritt der US-Regierung sorgte in Deutschland und anderen Staaten Europas für Kritik. Nur fiel diese Kritik sehr unterschiedlich aus.

Von Hodenberg sagte: „Wir sind nicht überrascht. Es ist ein Akt der Repression einer Regierung, die zunehmend Rechtsstaatlichkeit missachtet und versucht, ihre Kritiker mit aller Härte zum Schweigen zu bringen.“ Die US-Regierung versuche mit allen Mitteln zu verhindern, dass sich US-Konzerne in Europa an geltendes Recht halten müssten, und stelle damit „die europäische Souveränität infrage“.

Breton verglich die US-Sanktionen mit der „Hexenjagd“ auf vermeintliche Kommunisten zu Zeiten der berüchtigten McCarthy-Ära in den USA, in der viele Menschen zu Unrecht ins Visier der Staatsgewalt gerieten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron äußerte sich ebenfalls sehr scharf. „Diese Maßnahmen kommen Einschüchterung und Zwang gleich, die darauf abzielen, die europäische digitale Souveränität zu unterwandern“, schrieb er bei X. Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour (Bündnis 90 / Die Grünen) forderte die Einbestellung des Geschäftsträgers der US-Botschaft in Berlin. So ein Schritt gilt als Geste des Protests.

Wadephul: nicht akzeptabel

Ansonsten schwieg Kanzler Friedrich Merz (CDU) ebenso wie Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU). Stattdessen meldete sich die niederrangigere Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) zu Wort mit der Feststellung: „Nach welchen Regeln wir in Deutschland und in Europa im digitalen Raum leben wollen, wird nicht in Washington entschieden.“ Außenminister Johann Wadephul (CDU) nannte die Einreiseverbote nicht akzeptabel. Er betonte zugleich: „Andere Auffassungen wollen wir mit den USA grundsätzlich im transatlantischen Dialog klären, um unsere Partnerschaft zu stärken.“

Dem liegt offenbar der Glaube zugrunde, dass sich die Administration von US-Präsident Donald Trump doch noch irgendwie mäßigen lässt und man den Rest des transatlantischen Verhältnisses nicht durch offenen Widerspruch zusätzlich gefährden dürfe.

Tatsächlich geht aber sowohl aus der Rede von US-Vizepräsident J. D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz zu Jahresbeginn, als auch aus der zuletzt publik gewordenen neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der USA hervor, dass die Trump-Administration genau jene politischen Kräfte in Europa stärken will, die sich auf den digitalen Plattformen meist aggressiv äußern.

Die Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung im Europaparlament, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, rief Ballon und von Hodenberg unterdessen zum Durchhalten auf. Die Devise müsse lauten, „Kopfschütteln und weiter machen“, sagte die FDP-Politikerin dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „HateAid macht eine wichtige Arbeit und schützt unsere Demokratie besonders im Netz – basierend auf europäischem Recht.“ Die Liberale fuhr fort: „Angriffe von außen darauf zeigen, wie selbstbewusst und entschlossen wir mehr denn je in Europa sein müssen.“