Diskussion um Kraftstoff vom AckerWie Bauern und Naturschützer um Agro-Sprit zanken

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Raps blüht in der Sonne auf einem Feld nahe dem wenige Kilometer von der Potsdamer Innenstadt entfernten Fahrland.

Raps blüht in der Sonne auf einem Feld nahe dem wenige Kilometer von der Potsdamer Innenstadt entfernten Fahrland.

Für Naturschützer besteht kein Zweifel, dass die Nachfrage nach Agro-Kraftstoff das Abholzen von Regenwald beschleunigt. Lobbyisten bestreiten dies. Der nächste Konflikt beim Klimaschutz gewinnt an Brisanz.

Bauern und Bioenergieverbände machen mobil: Sie kämpfen für eine Zukunft des Kraftstoffs vom Acker. Dessen Nutzen für den Klimaschutz ist seit Jahren heftig umstritten. In der nun neu aufflammenden Debatte wird auch das Umweltbundesamt heftig attackiert. Naturschützer halten dagegen.

Artur Auernhammer, Vorsitzender des Bundesverbandes Bioenergie (BBE), richtet sich direkt an Steffi Lemke (Grüne). Er fordert die Bundesumweltministerin auf, „anzuerkennen, dass nachhaltige Biokraftstoffe für den Klimaschutz im Verkehr unverzichtbar sind und uns gleichzeitig von Erdölimporten aus Risikogebieten unabhängiger machen.“

Dauerstreit über Anbaubiomasse

Hintergrund ist der Dauerstreit über sogenannte Anbaubiomasse. Also über Feldfrüchte die gepflanzt, gedüngt und geerntet werden, um Diesel, Ethanol oder Methan zu gewinnen, die den fossilen Kraftstoffen beigemischt werden.

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Die Äcker, die dafür genutzt werden, können einerseits nicht mehr der Nahrungsmittelproduktion dienen. Schlimmer noch ist für Natur- und Umweltschützer allerdings, dass die steigende Nachfrage nach Agrosprit auch zu einer Verstärkung von „indirekten Landnutzungsänderungen“ (iLUC) führe. Weil die Nachfrage nach Ackerfläche steigt, werden im schlimmsten Fall auch enorm wichtige Biotope für den Klimaschutz wie Regenwälder vernichtet, um dort Energiepflanzen anzubauen: Raps, Ölpalmen, Zuckerrohr oder -rüben.

BBE-Chef fordert mehr nachhaltige erneuerbare Kraftstoffe

Dass der Bedarf unter anderem in der Europäischen Union größer wird, dafür sind festgelegte Quoten verantwortlich, die Mineralölfirmen zwingen, den Treibhausgasausstoß ihrer Kraftstoffe immer weiter zu reduzieren. Also müssen sie den Anteil des Agrosprits, der offiziell als CO2-neutral kategorisiert ist, kontinuierlich erhöhen.

Auernhammer wirft nun Lemke vor, „allein ideologisch geprägt und fachlich unbegründet den Klimaschützer Nummer eins im Verkehr regelmäßig zu torpedieren“. Der BBE-Chef betont: „Wir brauchen nicht weniger, sondern deutlich mehr nachhaltige erneuerbare Kraftstoffe.“

Auch das dem Umweltministerium unterstellte Umweltbundesamt (UBA) wird heftig angegangen. In einem Brief an den UBA-Chef Dirk Messner, der dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt, werden der Behörde „falsche und veraltete Aussagen“ in puncto iLUC vorgeworfen, das widerspreche dem gesetzlichen Auftrag. Dabei beziehen sich die Briefschreiber auch auf einen Spezialreport des Weltklimarats IPCC zum Thema Klimawandel und Landnutzung. Dort sei nachzulesen, dass es eine geringe Überzeugung in die Zuordnung von Emissionen, die durch die Landnutzungsänderungen ausgelöst werden, zur Bioenergie gebe. Ein Festhalten an der iLUC-These widerspreche dem Wissensstand des IPCC.

Skepsis beim Thema Kraftstofferzeugung mittels Pflanzen

Unterzeichner des Briefs sind neben dem BBE fünf weitere Verbände - darunter der Deutsche Bauernverband. Der Hintergrund: Die Agrosprit-Verfechter sind hochgradig verärgert, weil unter anderem dem jüngsten Subventionsbericht des UBA eine große Skepsis beim Thema Kraftstofferzeugung mittels Pflanzen zu entnehmen ist. Dort heißt es: Die Berechnung des Treibhausgasausstoßes von Biokraftstoffen müsse auf „mittelbare Emissionen“ bei Landnutzungsänderungen ausgeweitet werden. Und: Mittelfristig sollte auf Kraftstoffe aus Anbaubiomasse komplett verzichtet werden. Vom Umweltbundesamt gab es am Montag auf eine RND-Anfrage zunächst keine Stellungnahme zu den Vorwürfen der Verbände.

„Nun das UBA aufzufordern, eine seit über 16 Jahren immer wieder erneuerte Einstufung zurückzunehmen, ist absurd“, sagte indes Silvia Brecht vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) dem RND. Die Kraftstoffbranche versuche, sich als Teil der Lösung zu verkaufen, obwohl inzwischen klar sei, dass biogene Kraftstoffe kein Klimaschutzinstrument seien. So oder ähnlich sieht es eine ganze Reihe von Umweltschutzorganisationen - von Greenpeace bis zum World Wildlife Fund. Für alle ist klar: Agro-Kraftstoffe sind sogar klimaschädlicher als fossiler Sprit.

„Noch dazu werden die Aussagen des Weltklimarats falsch dargestellt“, ergänzt die Nabu-Expertin. Der Weltklimarat gebe lediglich an, dass die Berechnung der Emissionen durch indirekte Landnutzungsänderungen, sprich Entwaldung, schwierig sei. Aber: „Natürlich müssen diese teilweise gravierenden negativen Effekte dennoch berücksichtigt werden.“ Für Brecht steht fest: „Statt einer Scheindebatte um neue Förderungen für biogene Kraftstoffe müssen sich alle Beteiligten auf die wirklichen Hebel konzentrieren, die eine nachhaltige Landwirtschaft voranbringen.“

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