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Die Job-KolumneJammern Sie noch oder gestalten Sie schon?

Lesezeit 4 Minuten
Zu: Chronische Krankheit im Job: Sag ichs?

Zu: Chronische Krankheit im Job: Sag ichs?

Nur 21 Prozent der Beschäftigten weltweit sind engagiert bei der Arbeit. Selbst schuld! Warum es sich lohnt, wieder Freude am Job zu entwickeln.

Vor einigen Jahren hatte ich das Glück, den Gründer von OBI kennenzulernen. Er war zu dem Zeitpunkt 89 Jahre alt – und vom ersten Moment an spürte ich seine Energie. Wir sprachen über Führung, über die Gesellschaft und all die Dinge, die uns nicht gefallen. Irgendwann lehnte er sich nach vorne, schaute mich an und sagte: „Empört sein ist nicht genug. Jammern reicht nicht aus. Wir müssen gestalten.“

Diese Worte haben mich nie wieder losgelassen.

Und sie kommen mir in den Sinn, wenn ich die aktuelle Gallup-Studie zur Arbeitswelt lese. Die Zahlen sind – wie seit Jahren – ernüchternd: Nur 21 Prozent der Beschäftigten weltweit sind engagiert bei der Arbeit. Ganze 62 Prozent machen Dienst nach Vorschrift. 17 Prozent haben innerlich längst gekündigt.

Anders gesagt: Fast acht von zehn Menschen bringen nicht ihr volles Potenzial ein – entweder weil sie nicht können, nicht dürfen oder nicht wollen. Besonders alarmierend: Mehr als die Hälfte sucht aktiv oder passiv nach einem neuen Job. Natürlich ist es einfach, nach oben zu zeigen: Der Chef ist überfordert. Die Ziele sind unklar. Die Organisation überreguliert. Gallup bestätigt: 70 Prozent des Engagements hängen direkt von der direkten Führungskraft ab.

Doch auch viele Führungskräfte stehen unter hohem Druck. Laut Gallup nimmt das Wohlbefinden vieler Führungskräfte spürbar ab – besonders bei Frauen und älteren Führungskräften zeigt sich ein deutlicher Rückgang. Wer also nur auf andere zeigt, greift zu kurz. Denn häufig sind auch die, auf die wir zeigen, längst an der Belastungsgrenze. Umso wichtiger ist es, den eigenen Handlungsspielraum nicht aus dem Blick zu verlieren. Denn Motivation ist keine Einbahnstraße. Wer dauerhaft auf Impulse von außen wartet, verliert den Zugang zur eigenen Wirksamkeit. Wer sich als Opfer der Umstände sieht, überlässt das eigene Erleben anderen. Dabei beginnt echte Veränderung immer bei einem selbst. Und sie beginnt im Kleinen.

Was können Sie beeinflussen? Welche Entscheidung können Sie heute treffen, die Ihnen und anderen guttut? Wo könnten Sie aufhören zu funktionieren – und anfangen zu gestalten?

Drei kleine Schritte können dabei helfen: 1. Finden Sie einen Bereich, in dem Sie echten Einfluss haben – und übernehmen Sie Verantwortung. 2. Suchen Sie sich Verbündete – denn Motivation wird stärker, wenn sie geteilt wird. 3. Hinterfragen Sie Ihre Haltung: Reagieren Sie – oder gestalten Sie schon?

Gestalten heißt nicht, sofort Großes zu verändern. Es beginnt im Kleinen: mit einem konstruktiven Vorschlag statt stummem Frust. Mit dem Mut, eine Idee anzusprechen. Mit der Entscheidung, Verantwortung zu übernehmen – auch wenn es nicht im Stellenprofil steht. Gerade in Deutschland wird viel geklagt. Über Politik, Wirtschaft, Wetter – und natürlich auch über die Arbeit. Doch wer nur jammert, bleibt stehen. Was wir jetzt brauchen, ist ein neuer Gestaltungswille. Ein Blick auf das, was möglich ist. Und ein Bewusstsein für unsere eigene Stärke: Klarheit, Zuverlässigkeit, Tiefgang. Darauf lässt sich bauen – im Kleinen wie im Großen.

Natürlich tragen Führungskräfte Verantwortung. Aber sie sind nicht allein verantwortlich. Wenn wir wollen, dass sich Arbeit verändert, dann beginnt das auch bei uns.

Laut Gallup erleben engagierte Menschen deutlich weniger Stress und bewerten ihr Leben insgesamt positiver. Engagement wirkt also weit über den Arbeitsplatz hinaus. Was es dafür braucht? Kein neues Leitbild. Sondern Beteiligung. Mut. Und das Bewusstsein, dass Gestalten keine Frage der Position ist – sondern der Haltung. Oder, wie es ein 89-jähriger Gründer so einfach und kraftvoll sagte: „Jammern reicht nicht. Wir müssen gestalten.“ Von nichts kommt nichts.

Zur Person und Kolumne

Sohrab Salimi

Sohrab Salimi

Sohrab Salimi ist Gründer und CEO der Agile Academy. Er hat über 20 Jahre Berufserfahrung als Trainer für kleine bis sehr große Unternehmen. Sohrab Salimi lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Köln. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ schreibt er in seiner Kolumne „Von nichts kommt nichts“ einmal im Monat über Fragen und Themen rund um die Arbeitswelt.