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Gras unter den SohlenBarfußlaufen: Warum es so guttut - und wie man anfängt

4 min

Gras oder Sand unter den Fußsohlen spüren: Für manche fühlt sich so der Sommer an. Ohne Schuhe unterwegs zu sein, soll zudem gesund sein. Was ist da dran? Und reicht es aus, zu Hause barfuß zu laufen?

In Sneaker, Sandalen, Schnürschuhe oder Stiefel schlüpfen: Das ist eine feste Routine, bevor wir das Haus verlassen. Dabei lohnt es sich - gerade jetzt im Sommer - das Schuhwerk einfach mal wegzulassen. 

Wir klären, warum Barfußlaufen die Füße stärkt, wie mehr „unten ohne“ im Alltag gelingt - und wer lieber doch mit Schuhen unterwegs sein sollte. 

Welche positiven Effekte bringt das Barfußlaufen?

In einen Schuh gesperrt zu sein, das ist für einen Fuß auf Dauer etwas eintönig. „Das Barfußlaufen ermöglicht den Fußsohlen, andere Reize zu verspüren“, sagt der Orthopäde und Fußchirurg Thomas Schneider von der Gelenkklinik Gundelfingen. Gras, Sand, Kieselsteine, Matsch: Unterschiedliche Böden stimulieren die Nervenenden, die sich in den Fußsohlen befinden.

Diese Reize leiten die Nervenenden in den Fußsohlen ans Gehirn weiter. All das trägt zu einer besseren Körperwahrnehmung bei - und oft auch zu einer aufrechteren Körperhaltung. „Das führt dazu, dass sich bei dem oder der Barfußlaufenden mögliche Haltungsfehler verbessern“, so Schneider. Zudem sorgt das Barfußlaufen mittel- bis langfristig für eine bessere Gelenkstabilität und für eine bessere Körperbalance.

„Das Barfußlaufen trägt auch dazu bei, die Fußmuskulatur zu trainieren“, sagt die Reutlinger Podologin Tatjana Pfersich. Eine trainierte Fußmuskulatur verringert etwa das Risiko für einen Fersensporn, eine schmerzhafte Verknöcherung an der Ferse.

Hat das Barfußlaufen im Haus die gleichen Effekte wie in der Natur?

Nein. Egal, ob die Wohnung oder das Haus Fliesen, Parkett- oder einen Teppichboden hat: „Von diesen Böden gehen zu wenige Reize für die Fußsohlen aus“, sagt Thomas Schneider. Besser ist es, in der Natur mit ihren unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten barfuß zu laufen. 

„Aber es wirkt auch positiv, in der Wohnung barfuß zu laufen“, so Schneider. Übrigens: Auf Strümpfen oder Socken durch die Wohnung zu gehen, hat oft den gleichen Effekt wie das barfuß zu tun.

Birgt es nicht auch Risiken, draußen barfuß zu laufen?

Die Füße sind dabei ungeschützt - ein Problem? „Eine Verletzungsgefahr ist durchaus gegeben“, sagt Tatjana Pfersich. Spitze Gegenstände wie etwa Glasscherben können leicht in die Fußsohlen eindringen und Schnittwunden verursachen. Und auf Wiesen sind Wespen und Bienen unterwegs, die zustechen, wenn man versehentlich auf sie tritt. Daher gilt beim Barfußlaufen: Gut aufpassen, wohin man tritt.

Ist das Barfußlaufen tatsächlich für jeden etwas?

Grundsätzlich ja, sagen Experten. „Das gilt auch für Seniorinnen und Senioren sowie für Kinder“, sagt Thomas Schneider.

Vorsicht ist allerdings angesagt bei Nervenschäden, die ein eingeschränktes oder gar kein Empfinden mehr an den Füßen mit sich bringen. Solche Neuropathien können auch im Zusammenhang mit Diabetes auftreten. 

Sie bergen ein erhöhtes Verletzungsrisiko, weil Betroffene nicht spüren, wenn es für ihre Fußsohlen gefährlich werden könnte. Im Zweifel gilt: Rücksprache mit Arzt oder Ärztin halten. 

Muss sich der Fuß eigentlich an mehr Barfußlaufen gewöhnen?

„Für gesunde Füße ist Barfußlaufen kein Problem“, sagt Tatjana Pfersich. Anders sieht es mitunter aus, wenn die Füße deformiert sind oder Fehlstellungen aufweisen wie einen Senk-, einen Spreiz- oder einen Knickfuß.

Zwar hat das Barfußlaufen auch in diesen Fällen positive Effekte, „aber Betroffene sollten sich ärztlich beraten lassen, bevor sie mit dem Barfußlaufen beginnen“, rät Thomas Schneider.

Wichtig ist dem Orthopäden zufolge, mit dem Barfußlaufen langsam anzufangen, da die Fußmuskulatur Zeit braucht, um sich an diese neue Belastung anzupassen. Zunächst sollte man nur für circa fünf Minuten auf weichen Böden ohne Schuhe und Strümpfe laufen. Klappt das gut, kann man später auch länger und auf verschiedenen Böden barfuß laufen. 

Was tun, wenn durch das Barfußlaufen mehr Hornhaut an den Füßen entsteht?

Das kann passieren. „Die Haut bewegt sich beim Gehen, und wenn man barfuß geht, ist die Reibung und der Druck direkt auf der Haut“, so Tatjana Pfersich.

Die Bildung der Hornhaut ist dabei ein Schutzmechanismus des Körpers. „Wird sie zu dick, muss sie abgetragen werden, damit gerade beim Diabetiker keine offenen Wunden oder Schrunden entstehen können“, sagt Pfersich. Aber Vorsicht: Trägt man zu viel Hornhaut ab, bildet sie sich wieder übermäßig schnell.

Wie bringe ich „mehr barfuß“ in meinen Alltag?

Drei Tipps, wie das gelingen kann:

1. „Bewusst Zeit fürs Barfußlaufen einplanen“, rät Thomas Schneider. Mitunter reicht es schon, im eigenen Garten mit seinen oft unterschiedlichen Böden ohne Schuhe und Strümpfe zu gehen.

2. Eine Alternative können laut Schneider Barfußpfade und Barfußparks sein, die es in manchen Gegenden gibt. Einen Überblick gibt es auf dem Portal «barfusspark.info».

3. „Auch sogenannte Barfußschuhe können hilfreich sein“, findet Thomas Schneider. Diese Schuhe haben sehr dünne und flexible Sohlen. Die Füße verarbeiten über die Nervenenden in den Sohlen die verschiedenen Reize unterschiedlicher Böden, sind aber - anders als beim Barfußlaufen - gleichzeitig geschützt. (dpa)