Ein Urteil zeigt, dass in so einem Fall beide Unfallbeteiligten zur Verantwortung gezogen werden können. Obwohl der Wartepflichtige selbst die Vorfahrt ein Stück weit missachtet hat.
VerkehrsrechtKurve geschnitten: Fahrerin muss trotz Vorfahrt mithaften

Blinken, abbiegen - und fahren, denn ich habe Vorfahrt. Allerdings: Auch dann kann man nach Unfällen mithaften.
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Wer beim Abbiegen vorfahrtsberechtigt ist, darf fahren. Kommt es dabei zu einem Unfall mit einem Wartepflichtigen, dürfte dieser in der Regel überwiegend daran schuld sein.
Doch wer mit Vorfahrt die Kurve schneidet, kann hälftig haften. Und zwar selbst dann, wenn nicht ganz erwiesen ist, ob das andere beteiligte Auto tatsächlich still gestanden hat. Das zeigt eine Entscheidung des Landgerichts Stralsund, auf die der ADAC hinweist. (Az.: 2 O 261/24)
Zusammenstoß im Kreuzungsbereich
Im besagten Fall kamen sich zwei Autos an einer Kreuzung ins Gehege. Die Vorfahrtberechtigte gab an, nach links abgebogen zu sein. Dabei will sie das Rechtsfahrgebot beachtet haben - also nicht in die Gegenspur gefahren sein. Der Wartepflichtige wiederum gab an, an der Haltelinie angehalten zu haben. Fakt ist: Die Autos krachten ineinander.
Die Frau mit Vorfahrt verlangte im Nachgang vom Kontrahenten Schadenersatz. Der wiederum gab an, die Frau hätte die Kurve sehr stark geschnitten, weswegen es überhaupt erst zum Zusammenstoß gekommen wäre.
Warum das Gericht auf 50:50 entschied
Das Landgericht Stralsund entschied auf eine hälftige Schadenteilung. Vereinfacht formuliert lautete die Begründung: Ja, im Grundsatz ist bei einem Unfall im Kreuzungsbereich der Wartepflichtige überwiegend Schuld. Allerdings kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Hier wurde ein Gutachter zurate gezogen. Demzufolge hatten sich beide Parteien falsch verhalten.
So zeigte das Schadenbild, dass zum einen die Fahrerin tatsächlich beim Linksabbiegen die Kurve geschnitten haben musste. Zum anderen konnte aber auch nicht bewiesen werden, dass der Wartepflichtige angehalten hatte. Auf jeden Fall musste er zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes schon ein Stück in den Bereich der Kreuzung eingefahren sein. Daher hatte er das Vorfahrtrecht der Frau missachtet. So wägte das Gericht das Verschulden beider Parteien ab und hielt eine hälftige Teilung für angemessen. (dpa)