Im Ruhestand brauchen Sparer oft regelmäßige Erträge aus ihren Wertpapieren. Aber was, wenn sie zuvor auf Papiere gesetzt haben, die Gewinne automatisch wieder anlegen?
Vom Zinseszins zum CashflowSo bereiten Sie Ihr Depot auf den Ruhestand vor

Noch berufstätig? Schon einige Jahre vor Renteneintritt kann es sich lohnen, bei der privaten Altersvorsorge schrittweise von thesaurierenden auf ausschüttende Wertpapiere im Depot umzustellen.
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Rund zwei von drei Deutschen sorgen privat fürs Alter vor - und legen schon in jüngeren Jahren entsprechend Geld dafür zurück. Wer auf starke Renditen hofft, kommt um eine breit gestreute Wertpapieranlage kaum herum. Dabei gerade in der Ansparphase wichtig: den Zinseszinseffekt mitzunehmen.
Besonders gut eignen sich in dieser Phase also etwa Fonds oder Indexfonds (ETF) im Portfolio, bei denen etwaige Gewinne direkt reinvestiert (thesauriert) werden. Über die Jahre kann sich das als echter Vermögens-Turbo erweisen.
Nur: Was in jüngeren Jahren sinnvoll und nützlich ist, ist im Ruhestand womöglich gar nicht mehr so vorteilhaft. Denn dann möchten Rentnerinnen und Rentner ja womöglich mit Ausschüttungen und Dividenden ihre Rente aufbessern - später können also eher ausschüttende Titel gewünscht sein. Wann fängt man also am besten damit an, das Portfolio für den Ruhestand umzubauen? Und wie geht man vor? Wir beantworten die wichtigsten Fragen:
Wann ist der richtige Zeitpunkt, um das Depot von thesaurierenden auf ausschüttende Titel umzubauen?
„Das lässt sich nicht pauschal beantworten“, sagt Yann Stoffel, der als Finanzexperte für die Stiftung Warentest arbeitet. Denn nicht für jeden Rentner und jede Rentnerin ist ein solcher Umbau überhaupt notwendig - oder für den Ruhestand die beste Wahl. „Solange man kein laufendes Zusatzeinkommen aus dem Depot benötigt, sind thesaurierende ETFs meist die schlauere Wahl“, sagt auch Paul Maares von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.
Über einen Wechsel zu ausschüttenden Titeln lohne es sich darum erst nachzudenken, wenn klar ist, dass die regelmäßigen Zahlungen tatsächlich für die Rentenaufbesserung benötigt werden. Dann aber ist es sinnvoll, nicht erst kurz vor knapp aktiv zu werden.
„Der ideale Zeitpunkt für den Umbau liegt erfahrungsgemäß etwa fünf bis sieben Jahre vor Rentenbeginn“, sagt Holger Knaup, Geschäftsführer bei der Albrecht, Kitta & Co. Vermögensverwaltung. „So hat man genügend Zeit, Marktphasen zu nutzen, steuerliche Effekte zu glätten und sich an den neuen Cashflow zu gewöhnen.“ Wer zu spät mit dem Umschichten beginnt, läuft Gefahr, zu ungünstigen Kursen Verkäufe und Käufe tätigen oder hektische Entscheidungen treffen zu müssen.
Wie geht man dabei am besten vor?
Zunächst sollten Anlegerinnen und Anleger ermitteln, wie hoch ihr Einnahmebedarf realistisch sein wird, rät Holger Knaup. Daraus lässt sich der monatliche oder jährliche Ausschüttungswunsch ableiten, der zur Erfüllung dieses Ziels erforderlich ist. Dann ist das bestehende Depot zu analysieren und zu prüfen, welche thesaurierenden Fonds überhaupt vorhanden sind und ersetzt werden können. Anschließend sind passende, ausschüttende Alternativen auszuwählen, die zum persönlichen Risikoprofil passen.
Erst dann sollten sich Anlegerinnen und Anleger daran machen, ihr Portfolio Stück für Stück zu verändern. Heißt: über den entsprechenden Zeitraum hinweg in mehreren Tranchen die thesaurierenden Titel verkaufen, um den Erlös in ausschüttende Wertpapiere zu investieren - im Idealfall in breit streuende wie etwa Dividenden- oder Anleihe-ETFs. So wird nicht nur das Schwankungsrisiko, sondern auch das Risiko ungünstiger Einstiegs- oder Ausstiegszeitpunkte reduziert.
Was Verbraucherinnen und Verbraucher bei diesem Schritt beachten sollten: Unter Umständen kann eine Menge Kapitalertragsteuer anfallen. Dieses Geld sollten sie zur Seite legen, sofern sie es nicht bereits auf der hohen Kante haben und auch die Freistellungsaufträge entsprechend anpassen. Wichtig: Wie hoch die Ausschüttungen tatsächlich ausfallen, sollte über mehrere Perioden hinweg überwacht werden - und gegebenenfalls entsprechend nachjustiert werden.
Welche Wertpapiere passen in diesem Lebensabschnitt überhaupt noch ins Depot?
Die Daumenregel, der Aktienanteil im Portfolio solle 100 minus dem aktuellen Lebensalter in Prozent entsprechen, ist Yann Stoffel zufolge jedenfalls überholt: Wie hoch der Aktienanteil sein sollte, hänge vielmehr von der noch geplanten Anlagedauer und der Risikotragfähigkeit ab. Daher könne auch bei Rentnern ein hoher Aktienanteil - etwa in Form von breit gestreuten Einzelaktien, ETFs oder Fonds - vernünftig sein.
Prof. Michael Heuser vom Deutschen Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) empfiehlt aber durchaus, mit fortschreitendem Alter auch das Schwankungsrisiko des Depots zu reduzieren. Dafür kann Holger Knaup zufolge etwa der Anteil von Unternehmens- oder Staatsanleihen mit guter Bonität oder von defensiven Mischfonds erhöht werden.
Kann statt eines Depotumbaus auch der schrittweise Verkauf - zum Beispiel im Rahmen eines Auszahlplans - eine sinnvolle Alternative sein, um im Alter liquide zu sein?
„Für viele Anleger ist es durchaus effizienter, das bestehende thesaurierende ETF-Depot zu behalten und per Entnahmeplan regelmäßig Anteile zu verkaufen“, sagt Paul Maares. Der Vorteil von Entnahmen: Sie sind flexibel gestaltbar und die Struktur des Portfolios bleibt übersichtlich.
Michael Heuser zufolge hängt die Vorgehensweise vor allem von der eigenen finanziellen Gesamtsituation ab. Er sagt: „Je mehr regelmäßige Liquidität aus dem Depot benötigt wird, umso mehr sollte man auf Ausschüttung setzen.“ So sei der finanzielle Grundbedarf weniger abhängig von Börsenschwankungen.
Holger Knaup zufolge haben beide Strategien ihre Daseinsberechtigung. Darum müsse man sich auch nicht zwingend nur an die eine oder nur an die andere halten - auch eine Mischform beider Optionen sei denkbar.
Wie stabil sind die Ausschüttungen überhaupt - kann man in etwa Jahr für Jahr mit demselben Ertrag rechnen?
„Wer von Dividenden oder Fonds-Ausschüttungen leben will, muss bereit sein, größere Schwankungen in Kauf zu nehmen“, prognostiziert Yann Stoffel. Denn wirklich planbar sei die Höhe der Zusatzrente in dieser Form nicht. „Wer so ein passives Einkommen als zusätzliches Taschengeld sieht, dem ist das vielleicht egal“, sagt er. Wer aber auf das Geld angewiesen ist, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, wird womöglich besser planbare Lösungen bevorzugen - etwa den sukzessiven Verkauf von Anteilen.
Wer zum Beispiel statt auf einzelne Dividendenaktien auf Dividenden-ETFs oder Anleihe-ETFs setzt, kann das Schwankungsrisiko Paul Maares zufolge zumindest reduzieren.
Wie läuft so eine Ausschüttung praktisch ab?
Bei Fonds gibt es laut Michael Heuser festgelegte Ausschüttungstermine, bis zu denen die Erträge der einzelnen Fonds-Elemente angesammelt werden. „Zum Termin werden die Erträge entsprechend den eigenen Fondsanteilen - gegebenenfalls abzüglich von Steuern - dem eigenen Verrechnungskonto gutgeschrieben.“
Wer Einzelaktien hält, kann in der Regel zum Ende eines Geschäftsjahres mit der Dividende rechnen. Einige Aktiengesellschaften nehmen die Auszahlungen aber auch halbjährlich oder quartalsweise vor. (dpa)