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Expertin gibt TippsWie Eltern mit Kindern über Sexualität reden können

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Über Sexualität mit seinen Kindern zu sprechen, muss nicht unangenehm sein. Wichtig ist, dass Eltern vorbereitet in das Gespräch gehen. (Symbolbild)

Über Sexualität mit seinen Kindern zu sprechen, muss nicht unangenehm sein. Wichtig ist, dass Eltern vorbereitet in das Gespräch gehen. (Symbolbild)

Von „Schniedel“ bis Pornos: Sexualpädagogin Dianne Dela Cruz ermutigt Eltern, die eigenen Tabus zu hinterfragen. Erst dann können echte Gespräche mit den Kindern folgen.

Gestern war er noch ein süßer Fratz, heute schreit der Sechsjährige im Streit plötzlich „Fick dich“ durch die Umkleidekabine - und das auch noch in Anwesenheit anderer Eltern. Der Sexualpädagogin Dianne Dela Cruz ist genau das passiert. „Ich fühlte, wie meine Wangen heiß wurden. Scham, Verlegenheit und Schuldgefühle durchfluteten mich“, schreibt die Mutter von fünf Kindern und Grundschullehrerin in ihrem gerade erschienenen Ratgeber „Hilfe, mein Kind hat F*cken gesagt.“ Als @fragdianne klärt sie auch in Sozialen Medien darüber auf, wie man mit seinen Kindern über Themen wie Menstruation, Masturbation, erste sexuelle Erfahrungen und Pornografie sprechen kann.

Dela Cruz selbst musste nach eigenen Worten eine steile Lernkurve nehmen, um die Sprachlosigkeit, wenn es um Sexualität geht, zu überwinden. Denn auch ihre Kindheit und Erziehung sei voller Tabus gewesen. Sexualität ist heute zwar allgegenwärtig - in Film und Fernsehen, Internet und Werbung. Doch Dela Cruz beobachtet noch immer eine „merkwürdige Stille“, wenn es darum geht, offen mit anderen Menschen über das Thema zu sprechen.

Unsicherheiten von Eltern, sagt sie, seien völlig normal. Sie plädiert nicht für den einen richtigen Weg der Aufklärung, sondern ermutigt und ermuntert dazu, überhaupt ins Gespräch zu kommen, Vertrauen zu schaffen und Offenheit zu zeigen. Denn: „Wir Eltern haben eine einzigartige und wertvolle Chance! Wir können unsere Kinder im Umgang mit ihrer eigenen Sexualität positiv prägen.“

Penis, Vulva, Vagina – welche Begriffe Kinder kennen sollten

Das fängt schon mit der Benennung der Sexualorgane an: Kinder sollten wissen, dass ihr „Schniedel“ oder „Pipimann“ auch den Namen Penis trägt – und dass eine „Mumu“ oder „Schlitz“ offiziell Vulva und Vagina heißen. „Wenn ich an Begriffe wie Sex, Penis oder Vagina denke, dann sehe ich (heute) darin vor allem neutrale Beschreibungen“, schreibt Dela Cruz. Aber viele Menschen würden dabei eben direkt an Lust oder Sünde denken. „Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer jahrhundertelangen Tabuisierung und Moralisierung von Sexualität“, erklärt die Pädagogin. Die christliche Kirche habe dabei kräftig mitgewirkt.

Um das Aussprechen und Sprechen zu üben, böten sich die alltäglichen Momente an. „Ich habe zum Beispiel beim Baden ganz bewusst gesagt: ‚Jetzt waschen wir deinen Bauch, deinen Arm und deinen Penis.‘ Ganz beiläufig und unaufgeregt“, erzählt sie. Dela Cruz hat sich mit ihrer eigenen Geschichte beschäftigt, um ihre Scham zu überwinden - und rät das auch allen anderen Eltern. Mütter und Väter könnten sich etwa die Frage stellen, wie in ihrer Kindheit einst Körperteile benannt wurden, ob über Sexualität gesprochen wurde oder ein entsprechendes Stichwort die Luft im Raum gleich dick werden ließ. Wie ist in der eigenen Familie mit Berührung, Nähe, Körperlichkeit und Nacktheit umgegangen worden?

Mit Kindern über Sexualität sprechen: Eltern sollten die eigene Scham hinterfragen

Dieser Rückblick falle nicht immer leicht, helfe aber dabei zu verstehen, woher die eigene Scham komme - und helfe vor allem dabei, sie hinter sich zu lassen. Dela Cruz erklärt inzwischen sozusagen schamlos, was „ficken“ eigentlich bedeutet, warum der Penis steif wird und warum es so schön kitzelt, wenn man seine Vulva anfasst. Sie gibt Eltern Tipps, wie sie reagieren können, wenn sie ihre schon älteren Kinder aus Versehen während des Masturbierens überraschen („Ich klopf das nächste Mal lieber an...“) oder entdecken, dass der Sohn oder Tochter sich Pornos anschauen. Auch bei letzterem müssten zunächst die Erwachsenen selbst ihre Haltung zu Pornografie hinterfragen.

Gespräche zwischen Eltern und Kind, so Dela Cruz, dürften auch peinlich sein, stolpernd. Sie bildeten trotzdem Vertrauen. Wichtig sei zudem nicht die perfekte Antwort - schließlich seien Eltern keine „Aufklärungsmaschinen“. Entscheidend sei vielmehr der Mut, hin- und zuzuhören, ehrlich zu sein und im Zweifel gemeinsam zu lernen. (kna)