Bitte keine BlumenHört auf, uns Steine in den Weg zu legen! Ein Wutausbruch zum Muttertag

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Ein Herz mit der Aufschrift «Zum Muttertag» steckt in einem Blumengeschäft in einem Topf mit der Pflanze Flammendes Käthchen. Zusammen fast eine Milliarde Euro geben Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland in diesem Jahr voraussichtlich für Muttertagsgeschenke aus.

Bitte keine Blumen! Bitte einfach Gerechtigkeit!

Erzählt uns bloß nichts von Muttertag! Gebt kein Geld für Blumen aus! Behandelt Eltern mit Kindern einfach gerecht. Ein Wutausbruch.

Vor dem Kindergarten steht ein Baum mit Ast auf Augenhöhe. Wer da mit etwas Geschick das Handy verkeilt, der kann relativ seriös auch noch um 16 Uhr an einer Videokonferenz teilnehmen und steht dennoch pünktlich um 16.30 Uhr zum Kinderabholen vor der Kita-Tür. Na gut, manchmal fährt auch ein Zug vorbei, weil die Kita direkt hinter dem Bahnhof West liegt. Und wer in der Eile vergisst, vor dem Kameraanschalten den Fahrradhelm abzunehmen, der büßt vielleicht auch ein kleines bisschen Seriosität am Arbeitsplatz oder bei Geschäftspartnern ein. Aber alles in allem klappt das mit der Vereinbarkeit Erwerbsarbeit und Familie doch recht prima. Oder?

Kleiner Scherz. Natürlich klappt das alles überhaupt nicht. Es gibt Momente, da finde ich derlei Situationen selber lustig. Und ich bin auch ein bisschen stolz, dass ich auf die Idee mit dem Ast gekommen bin. Oder ich diesen Text schon heute Morgen beim Staubsaugen und Pausenbrote schmieren in meinem Kopf vorformuliert habe.

Claudia Lehnen

Claudia Lehnen

Claudia Lehnen, geboren 1978, ist Chefreporterin Story/NRW. Nach der Geburt ihres ersten Kindes begann sie 2005 als Feste Freie beim Kölner Stadt-Anzeiger. Später war sie Online-Redakteurin und leitet...

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Pinkeln beim Fahrradfahren? Geht ja gar nicht!

Meistens aber fühle ich als erwerbstätiger Elternteil einfach nur komplette Überforderung. Zum Beispiel dann, wenn ich merke, dass ich das mit dem Multitasking nicht den ganzen Tag lang durchziehen kann. Dass es Dinge gibt, während deren Erledigung man keine zweite Sache nebenher machen kann. Fahrradfahren zum Beispiel.

Letztens habe ich auf dem Radweg der Inneren Kanalstraße bei Tempo 25 ganz kurz ernsthaft darüber nachgedacht, ob ich die Fahrtzeit nicht noch anderweitig nutzen könnte. Zum Mailschreiben etwa. Oder wenigstens zum Pinkeln. Als mir auffiel, dass das gar nicht geht, bin ich wütend geworden. Wütend darüber, dass das Leben von Eltern eigentlich in Wahrheit eines in permanenter Atemnot ist. Eines, das keinerlei Pause, keinerlei Ausfall, keinerlei unproduktiven Müßiggang erlaubt. Wenn ich morgens beim Müllruntertragen keine Lust mehr habe, die Waschmaschine zu befüllen und anzustellen, dann bereue ich das tagelang. Weil die Sachen dann nicht trocken sind bis zum nächsten Morgen, weil bald schon neue Wäsche wartet, weil auch die Glasflaschen noch zu entsorgen sind, die Kita ein Passbild braucht, das Sommerfest einen Kuchen, die Schuhe einen Schuster.

Kuscheln, trösten, kümmern – das geht nicht nebenbei

Und mit derlei Orga-Kram fängt die Aufgabe ja erst an. Elternsein heißt ja vor allem: Erziehen, Vorbild sein, trösten, sich kümmern, lachen, reden, spielen, Nein sagen, Freude bereiten, in den Arm nehmen, kuscheln, erklären, Fragen beantworten, ein Zuhause sein. Dafür brauchen Eltern Zeit. Nebenbei geht da gar nichts.

Natürlich ist Elternschaft eine private und freiwillige Entscheidung. Und wer Kinder hat, der kriegt dazu ganz oft auch Lebensglück. Dennoch: Kinder und Familien erfüllen ja auch einen Zweck für die Gemeinschaft. Denn am Ende ziehen Eltern Kinder groß, die später arbeiten, Sachen erfinden, sich wiederum um andere Menschen kümmern, kreative Ideen für die Gemeinschaft haben, Firmen gründen und in die Rentenkassen einzahlen.

Ich will dafür keinen großblumensträußigen Muttertagsdank. Auch keine Geschenke. Keine Vorteile. Der Abbau von Nachteilen wäre aber doch ganz nett. Und verdammt nochmal überfällig! Denn bislang läuft der irgendwann mal von sorgearbeitsbefreiten Männern erdachte Hase doch so: Mütter haben neben ihrer Erwerbsarbeit noch den ganz überwiegenden Teil der Care-Arbeit zu erledigen. Ihr Tag ist immer zu kurz, sie verzichten auf Hobbys, auf Zeit für sich, auf den berühmten Kaffee zwischendurch, oft sogar auf Freundschaften. Weil sonst der ganze schöne Zeitplan durcheinandergerät. Und als Dank haben sie am Ende ihres Lebens nicht etwa doppelt, sondern halb (!) so viel Geld wie Männer verdient. Sie bekommen weniger Rente, als wenn sie sich den ganzen Kinderstress gespart hätten! Ist das zu glauben?

Sie baden eine Kettenreaktion aus, die aus struktureller Ignoranz gegenüber ihren Bedürfnissen gemacht ist: Soziale Berufe schlecht bezahlen, weil ja nur Frauen, Personalmangel, Betreuungszeiten knapp, Mütter Teilzeit, Mütter Stress, Mütter arm.

Erzählt uns also bloß nichts von Muttertag. Hört einfach auf, uns dauernd Steine in den Weg zu legen! Nehmt uns nicht dauernd Geld weg, das wir verdient hätten! Danke!

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