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Experten warnenBabys schütteln – Eltern unterschätzen die tödliche Gefahr

Lesezeit 3 Minuten
Neugeborenes Baby schreit imago

Auch wenn Babys weinen, gilt es Ruhe zu bewahren.

Köln – Schon wenige Sekunden genügen. Wird ein Baby geschüttelt – und wenn auch nur ganz kurz – können die Folgen lebensgefährlich sein: Das Gehirn wird durch das Hin- und Herschleudern des Kopfes gestaucht, Blutgefäße und wichtige Nervenverbindungen können reißen und Blutungen im Gehirn verursachen. Durch das Schütteln wird die Hirn- und Gesamtentwicklung des Kindes massiv geschädigt.

Zehn bis 30 Prozent der geschüttelten Kinder sterben an den Folgen, viele andere leiden ihr Leben lang unter nachhaltigen Störungen wie Krampfanfällen oder geistigen und körperlichen Behinderungen. Nur zehn bis 20 Prozent wachsen nach einem Schütteltrauma ohne bleibende Schäden auf – was längst nicht alle Eltern wissen:

In einer Repräsentativbefragung des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen von Mai 2017 stimmten nur 79 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass man Babys nie schütteln darf. 42 Prozent kannten das Schütteltrauma nicht. 24 Prozent gaben sogar an, das Schütteln einem Baby nicht schade.

Ein Baby, das geschüttelt wurde, muss sofort ins Krankenhaus

Um stärker über die Gefahren des Schüttelns aufzuklären, hat sich im vergangenen Jahr das „Bündnis gegen Schütteltrauma“ gegründet. Mehr als 30 Verbände, Vereine und Institutionen aus dem Gesundheitswesen, dem Kinderschutz und der Kinder- und Jugendhilfe haben sich bisher angeschlossen. Ins Leben gerufen wurde die Kampagne vom Nationalen Zentrum Frühe Hilfen Köln, im Auftrag des Bundesfamilienministeriums. Ein Baby, das geschüttelt wurde, muss sofort ins Krankenhaus. Etwa 100 bis 200 Schüttel-Babys werden pro Jahr in deutschen Kliniken behandelt – die Dunkelziffer ist wesentlich höher. Viele Eltern schämen sich, nachdem sie für wenige Sekunden die Kontrolle verloren haben.

Gefühl, das eigene Kind nicht beruhigen zu können

Auslöser für das Schütteln ist meist das exzessive Schreien des Babys. „Das Gefühl, das eigene Kind nicht beruhigen zu können, ist für Eltern eine große Frustration“, weiß Maria Große Perdekamp. Sie ist die Fachliche Leiterin des Kölner Kinderschutzbundes, ebenfalls ein Kooperationspartner des „Bündnis gegen Schütteltrauma“. Um zu verstehen, wie es so weit kommen kann, müsse man sich die Situation vieler junger Familien vor Augen halten: Paare gehen heute mit großen Erwartungen in die Elternschaft und haben den hohen Anspruch an sich selbst, alles richtig zu machen. Doch viele wissen viel zu wenig über die frühkindlichen Schreiphasen.

Viele, auch gesunde, Säuglinge schreien manchmal mehrere Stunden täglich. Vor allem in der Zeit zwischen 17 und 19 Uhr und in den ersten drei Monaten. „Regulationsprobleme“ nennen Experten das Phänomen. In den Abendstunden verarbeiten Babys die vielen neuen Reize, die sie am Tag erlebt haben. „Wenn Eltern ihr Kind auch nach längerer Zeit nicht beruhigen können, werden sie oft selbst unruhig. Das überträgt sich wieder auf das Kind und so schaukelt sich die Situation hoch“, sagt Renate Geuecke, Fachreferentin beim Nationalen Zentrum Frühe Hilfen.

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„Es ist eine hilflose Situation, wenn das eigene Kind schreit“, sagt auch Brigitte Hölzer-Kropp, Familien-Kinderkrankenschwester des Kinderschutz-Zentrums Kalk. Sie rät Eltern, die kurz davor sind, die Beherrschung zu verlieren, das Baby an einem sicheren Ort abzulegen. Und dann selbst für zwei Minuten in ein anderes Zimmer zu gehen um durchzuatmen.

Ausprobieren, was gegen das Schreien hilft

Ansonsten gilt es auszuprobieren, was beim eigenen Baby gegen das Schreien hilft: Oft ist das vermehrte Nähe, also das Kind mit Hilfe eines Tuchs oder einer Trage viel am Körper zu tragen. Vielleicht auch singen, eine Wärmelampe auf dem Wickeltisch, Babymassage-Handgriffe, oder das Pucken, eine spezielle Körperwickeltechnik.

Bei einem Schreibaby, das jeden Tag sehr lange und exzessiv schreit, helfen alle diese Dinge nur ein bisschen. In diesem Fall sollten sich Eltern an den Kinderarzt, ihre Hebamme, eine Schreiambulanz oder eine Familienberatungsstelle wenden. Auch wenn Babys für längere Zeit ohne ersichtlichen Grund schreien und das für die Eltern kaum noch auszuhalten ist: Geschüttelt werden darf ein Säugling niemals.

Mehr Infos zum Thema gibt es auch im Internet unter: www.elternsein.info