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In Sachen LiebeNeue Herausforderung – Wenn sich plötzlich alles um die Enkel dreht

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3 min
Eine ältere Frau hält in einer Wohnung ihr Enkelkind auf dem Arm, während ihre Tochter im Hintergrund telefoniert

Ein Enkelkind verändert das eigene Leben und auch die Partnerschaft. Auf die neue Herausforderung muss man sich zunächst einstellen. (Symbolbild)

Die Großeltern-Rolle bringt neue Herausforderungen mit sich und kann sich auch auf die Partnerschaft auswirken.

Wir sind vor einigen Monaten zum ersten Mal Großeltern geworden. Natürlich freuen wir uns sehr über unser Enkelkind. Gleichzeitig stellen wir fest, dass sich unsere Partnerschaft verändert: Ein großer Teil unserer Gespräche dreht sich inzwischen nur noch um das Enkelkind. Wir fühlen uns von unseren erwachsenen Kindern stark in Anspruch genommen, und manchmal haben wir den Eindruck, dass wir selbst dabei zu kurz kommen. (Michael, 68)

Daniel Wagner

Daniel Wagner

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Der Übergang in die Großelternschaft gehört zu den einschneidenden Lebensphasen, und die Forschung zeigt, dass er die Paarbeziehung tatsächlich spürbar verändern kann. Studien aus der Entwicklungspsychologie beschreiben, dass viele Paare nach der Geburt des ersten Enkelkinds eine Mischung aus Freude, Stolz und Sinn erleben, gleichzeitig aber auch Rollenkonflikte und das Gefühl, weniger Zeit für die eigene Partnerschaft zu haben. Das ist also keineswegs ungewöhnlich.

Großeltern sollten bewusst über die neuen Rollen sprechen

Psychologisch betrachtet ist Großelternschaft ein sogenannter „kritischer Übergang“: Sie bringt neue Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Erwartungen mit sich. Viele Großeltern erleben, dass sie stärker eingespannt werden, als sie ursprünglich dachten. Manche fühlen sich zwischen den Bedürfnissen der erwachsenen Kinder, den Ansprüchen des Enkels und den eigenen Wünschen nach Ruhe oder Partnerschaft hin- und hergerissen.

Die Forschung deutet darauf hin, dass Paare diesen Übergang am besten meistern, wenn sie bewusst über ihre Rollen sprechen, sowohl miteinander als auch mit den erwachsenen Kindern. Das könnte bedeuten, die eigenen Grenzen klarer zu formulieren („Wir freuen uns, regelmäßig zu helfen, aber nicht jedes Wochenende“) oder Erwartungen offen abzugleichen. Eine solche Aushandlung kann Missverständnisse vermeiden und dafür sorgen, dass die Unterstützung Freude bleibt, statt zur Belastung zu werden.

Studien zeigen außerdem, dass Großelternschaft insgesamt mit höherer Lebenszufriedenheit und einer stärkeren Sinnwahrnehmung verbunden sein kann, allerdings nur, wenn das Maß an Einbindung zu den eigenen Möglichkeiten passt. Wird die Rolle als überfordernd erlebt, kehrt sich dieser positive Effekt um. Entscheidend ist also die Balance zwischen Fürsorge für die Familie und Fürsorge für sich selbst.

Auch mit Enkelkind Rituale der Zweisamkeit pflegen

Für die Partnerschaft selbst gilt: Es scheint hilfreich zu sein, wenn Paare auch in dieser Phase Rituale der Zweisamkeit pflegen. Das müssen keine großen Unternehmungen sein. Schon kleine, regelmäßige Momente, die nur Ihnen beiden gehören, können die Beziehung stärken. Untersuchungen zu Langzeitpaaren legen nahe, dass geteilte Aktivitäten, die Freude machen und nichts mit Familie oder Verpflichtungen zu tun haben, langfristig zur Beziehungszufriedenheit beitragen. Paare, die es schaffen, sich weiterhin als eigenständiges „Wir“ zu erleben (also nicht nur als Eltern oder Großeltern) bleiben längerfristig zufriedener und stabiler.

Kurzum: Es ist völlig normal, dass Ihr erstes Enkelkind viel Raum in Ieinnimmt. Gleichzeitig sollten Sie Ihre eigenen Bedürfnisse bewusst im Blick behalten und sich weiterhin als Paar begreifen. Das hilft, den Übergang zu einer neuen familiären Konstellation nicht nur gut zu bewältigen, sondern ihn als Bereicherung erleben. Großelternschaft verändert nicht nur Ihre Familie, sie bietet Ihnen auch die Chance, Ihre Partnerschaft weiterzuentwickeln, wenn Sie sich selbst dabei nicht vergessen.


Zur Kolumne

Unser Team von Expertinnen und Experten beantwortet Ihre Fragen in der Zeitung: die Psychotherapeuten Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner, die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald, Sexualberaterin Gitta Arntzen sowie der Urologe Volker Wittkamp. Ihre Zuschriften werden anonymisiert weitergegeben. Schicken Sie Ihre Frage an: in-sachen-liebe@dumont.de.