Keine Karriere, kaum RenteFrauen tappen noch zu häufig in die „Kümmerfalle“

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Fast wie in den Fünfzigern: Frauen geraten in die Kümmerfalle.

Köln – Blumen vom Ehemann, selbstgebackenen Kuchen und getöpferte Vasen von den Kindern. Der Klassiker zum Muttertag. Mama, bist die Beste! Prima. Doch was hat sie im Falle einer Trennung davon, wenn sie stramm auf die 50 zugeht, Rentenpunkte fehlen und Karrierechancen gen null gehen? Viele Frauen stellen erst dann entsetzt fest: Verdammt, wir sind voll in die „Kümmerfalle“ getappt. So heißt auch das neue Buch der Autorin Britta Sembach, die im Gespräch erklärt, was es damit auf sich hat. Und was die Politik dagegen tun müsste.

Die Forschung richtet ihren Fokus noch immer auf Paare mit kleinen Kindern, wenn es um Trennungen geht, so die Psychologin Pasqualina Perrig-Chiello. Dabei scheitert mittlerweile jede fünfte Ehe nach der Silberhochzeit, wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind. Heute liegt der Altersschnitt bei Frauen, wenn ihre Ehe auseinandergeht, laut Statistischem Bundesamt bereits bei über 44 Jahren. Problem: Je älter eine Frau zum Zeitpunkt der Trennung ist, desto schwieriger wird es für sie, noch einmal voll durchzustarten. Oft hat sie höchstens Teilzeit gearbeitet wegen der Kinder oder auch wegen der Pflege von Eltern und Schwiegereltern, das Gesetz verlangt von ihr aber nun, dass sie nach der Trennung voll für sich selber sorgt. Das ist fast unmöglich.

Frauen werden abhängig vom staatlicher Hilfe

Frauen, die sich um andere gekümmert, ihre eigene Absicherung dafür hintangestellt haben, werden nun zu Tausenden abhängig von staatlicher Unterstützung oder müssen zumindest ihren Lebensstandard enorm herunterfahren.

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Britta Sembach (l.) und Susanne Garsoffky sind Autorinnen des Buchs "Die Kümmerfalle".

„Das ist doch beschämend“, sagt Britta Sembach, Co-Autorin des Buchs „Die Kümmerfalle“ im Gespräch mit dem Sonntag-Express. Auch die Bereitschaft zur nachehelichen Solidarität, so steht es sogar in einem Bericht der Bundesregierung, ist in Deutschland nur sehr schwach ausgeprägt. Sprich: Der Mann ist – zumindest finanziell – auf der sichereren Seite. Sembach stellt klar: „Meine Co-Autorin und ich halten Kümmern an sich keineswegs für eine Falle. Sondern für eine Arbeit, die im Grunde die ganze Gesellschaft am Laufen hält. Es wird erst zur Falle, wenn wir sie nicht absichern, die Sorgearbeit ins Private verschieben und vor allem Frauen dann die Schuld dafür geben, dass sie sich nicht genug um ein eigenes Einkommen gekümmert haben.“

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Spagat ist für Frauen oft unmöglich

Die Generation der heute 50-Jährigen sei die erste, bei der man so getan habe, als könnte sie den Spagat Kinder, Haushalt, Ehe und Job locker unter einen Hut bringen. „Aber wie soll das gehen?“, fragen sich die beiden Feministinnen, die selbst Mütter sind und der Politik schon öfter Rede und Antwort gestanden haben mit ihren Thesen. „40 Stunden im Büro oder in der Bäckerei hinter der Theke, und dann um 11 morgens ein Kinderarzttermin? Es wurde uns vorgemacht, das sei alles ganz einfach, wenn wir nur fleißig genug seien und uns ein bisschen organisieren – das stimmt einfach nicht!“

Lesetipp

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Die Kümmerfalle von Susanne Garsoffky und Britta Sembach.

Das Buch „Die Kümmerfalle. Kinder, Ehe, Pflege, Rente – Wie die Politik Frauen seit Jahrzehnten verrät" von Susanne Garsoffky und Britta Sembach ist 2022 als  Taschenbuch im DVA Verlag erschienen und kostet 18 Euro. Es ist eine Mahnung an die Politik mit vielen Fallbeispielen. In ihren Beiträgen über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf legen die beiden Autorinnen immer wieder den Finger in die Wunde, dass viele Frauen nach der Scheidung nicht abgesichert sind. (Foto DVA Verlag)

Neuer Mann ist ein Mythos

Britta Sembach und Susanne Garsoffky kreiden in ihrem Buch auch an, dass der viel gepriesene neue Mann ein Mythos sei. „Wo sind denn all die Väter, die um 16 Uhr an den Kitatoren stehen? Und es stimmt einfach nicht, dass Männer nur darauf gewartet haben, endlich regelmäßig den Wasserkocher entkalken zu dürfen.“ Sie fordern deshalb auch ein Umdenken in Gesellschaft und Politik.

Forderungen an die Politik

„Das Steuerrecht unterstützt immer noch Alleinverdiener-Ehen. Die geplante Reform des Ehegattensplittings ist zwar löblich, aber die Sorgearbeit und ihre Absicherung werden auch von der Ampelkoalition nicht thematisiert“, so Sembach. Die Politik müsste ihrer Meinung nach auch noch mal an das Unterhaltsrecht ran. Sembach: „Es kann doch nicht sein, dass mit dem Moment der Trennung jahrzehntelange Sorgearbeit plötzlich keinen Wert mehr hat.“

Die Einführung einer Kindergrundsicherung, einer finanziellen Unterstützung haushaltsnaher Dienstleistungen, wie sie die neue Bundesregierung jetzt plant, sei begrüßenswert, aber schon lange überfällig. Auch eine höhere Rente für Frauen, die hauptsächlich Sorgearbeit geleistet haben, wäre wünschenswert. Die ganze Fürsorgearbeit, die unentgeltlich geleistet wird, sei kaum in den sozialen Sicherungssystemen abgebildet.

Ältere Frauen werden in Jobfragen diskriminiert

Die Altersdiskriminierung müsse ebenfalls stärker geahndet werden, damit Frauen ein Wiedereinstieg in den Job überhaupt möglich gemacht werden könne, findet die Autorin.

Was Frauen am Muttertag dennoch positiv stimmen dürfte: Die Volksweisheit „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ trifft auf viele getrennte Frauen zu – auch wenn sie sich das anfangs gar nicht vorstellen können mit Blick in eine unsichere Zukunft. Britta Sembach: „Frauen leiden zwar anfangs oft intensiver und länger. Aber sie durchlaufen den Prozess intensiv und oft geht es ihnen am Ende – zumindest emotional – sehr gut! Während Männer, vor allem diejenigen, die keine neue Partnerschaft eingehen, erst im Nachhinein feststellen, wie stark Frauen für das soziale Umfeld gesorgt haben.“

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