Kommentar zu Schul-AnmeldungFamilien werden zum Spielball einer unwürdigen Schulplatz-Resterampe

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Ein Kind hält auf einer Demo ein selbst bemaltes Schild hoch.

Letztes Jahr demonstrierten Eltern und Kinder in Köln gegen das Anmeldeverfahren. Die Botschaft bleibt hochaktuell.

Das Vergabeverfahren für die weiterführenden Schulen treibt gerade viele Familien in die Verzweiflung. Schon wieder! 

Es war eine Katastrophe mit Ansage. Am Aschermittwoch haben knapp 500 Kölner Kinder einen Absagebrief in den Händen halten müssen. In den meisten Fällen hat das Los entschieden, dass für sie an ihrer Erst- und Zweitwunschschule kein Platz mehr ist. All die Schnuppertage, Infoabende, das Abwägen der Schulprofile und Schulwege ist nun schlicht hinfällig. Für diese Kinder fängt alles von vorne an. Die Vorfreude auf den neuen Lebensabschnitt wurde jäh von der Realität überrollt.

In vielen Familien gab es Tränen, Panik und noch mehr Fragen. „Warum wurde ich nicht gezogen, Mama?“, wollte meine Tochter immer wieder von mir wissen. „Wo komme ich denn jetzt hin? Können wir gar nichts tun?“ Nicht leicht, einem neunjährigen Kind zu erklären, dass man einem System schlicht ausgeliefert ist und weiter abwarten muss. Denn jetzt geht es darum, bei der Schulplatz-Resterampe noch einen Platz zu bekommen – als ginge es um Geschenke, die man gierig abgreifen will. Von echter Schulwahl ist längst keine Rede mehr.

Wo der Schulplatz liegt, das hat Folgen für die Familien

In der nächsten Runde des Aufnahmeverfahrens muss sich jedes Kind an eine der Schulen bewerben, die noch Restplätze hat. Da es in manchen Gebieten der Stadt jedoch gar keine Schulen mit freien Plätzen mehr gibt, überlegen Eltern nun verzweifelt mit Blick auf die Karte, welche verfügbare Schule für ihr Kind überhaupt alleine erreichbar ist. Schließlich hat der Schulweg für Familien ganz lebenspraktische Folgen. Wir haben zum Beispiel drei Kinder und zwei Jobs und keine Kapazität, unser Kind – und irgendwann wohl auch die Geschwister – notfalls mit dem Auto jeden Morgen ans andere Ende der Stadt zu kutschieren.

Isabell Wohlfarth

Isabell Wohlfarth

Redakteurin im Ressort Freizeit & Ratgeber/Magazin. Schreibt vor allem zu den Themen Familie, Psychologie, Vereinbarkeit und Erziehung. Ihre drei Kinder und ihre riesige Verwandtschaft sind häufig Ins...

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Und noch eine Dimension dieses wahllosen Vergabeverfahrens darf nicht vergessen werden: Kinder werden ihre Jugend an dieser weiterführenden Schule verbringen, schlimmstenfalls in einem Viertel, das weit weg ist von Familie, Nachbarn und Freunden. Sie werden zwischen diesen Welten pendeln müssen, was nicht nur vieles komplizierter, sondern auch die Bindung zur Schule und den Klassenkameraden schwieriger macht. All das nehmen die Verantwortlichen der Stadt in Kauf. Kinder sind hier nur Nummern, die irgendwie einsortiert werden müssen.

Wie viele Plätze an den einzelnen Schulen jetzt noch zur Verfügung stehen, wissen die Familien nicht. Nur wenige Schulen geben diese Information heraus. Niemand hat also eine Ahnung, ob sich am Ende 100 Kinder eines Stadtteils um fünf oder 30 Plätze streiten werden. Beim Blick auf die Gesamtzahlen wird aber klar, auch in der nächsten Runde werden viele leer ausgehen. Was mit diesen Kindern passiert, bleibt fraglich. Es wird viel spekuliert. Die Ungewissheit wächst.

Zu wenig Schulplätze, weil Kinder lange nicht mitgedacht wurden

Die Stadt sagt, sie will diese Familien individuell beraten. Schön und gut. Doch was wird man ihnen sagen können? Werden doch noch Mehrklassen aufgemacht oder Kinder einzeln an Schulen verteilt? Oder müssen manche, wie im letzten Jahr, auf das Kölner Umland ausweichen und dort um einen Platz betteln? Es bleibt sehr zu hoffen, die Stadt hat irgendeinen Plan in der Hinterhand. Fakt ist nämlich: Auch wenn das Anmeldeverfahren nicht mehr so chaotisch ist wie im Vorjahr, wurde es erneut versäumt, genug Schulplätze an den Kölner Gesamtschulen und Gymnasien für alle Kinder zu schaffen – und das war schon vor dem Start des Anmeldeverfahrens klar. Kinder wurden in den letzten Jahrzehnten einfach nicht mitgedacht, sie hatten nicht genug Priorität.

Nun geht es wieder einmal um Schadensbegrenzung auf dem Rücken der Kinder. Dabei sollten diese nicht nur das Recht haben, einen Schulplatz in ihrer Heimatstadt zu bekommen. Sie haben es auch verdient, dafür nicht morgens um halb sieben 90 Minuten mit dreimal umsteigen ans andere Ende der Stadt fahren und dafür auch noch dankbar sein zu müssen.


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