Streit der WocheIst es richtig, die weiterführenden Schulen jetzt zu öffnen?

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Ab Montag öffnen auch die weiterführenden Schulen mit Wechselunterricht.

  • Jede Woche stellt sich unsere Redaktion einer Streitfrage. Diesmal: Ist es richtig, die weiterführenden Schulen jetzt zu öffnen?
  • Das haben wir Milla (11) und Moritz (13) gefragt. Die beiden sind seit fast zwei Jahren als Kinderreporter für den Kölner Stadt-Anzeiger aktiv.
  • Ja, findet Kinderreporterin Milla (11). Denn: Im Homeschooling kann ich mich schlecht motivieren und außerdem ist es für viele Kinder ungerecht.
  • Nein, entgegnet Kinderreporterin Moritz (13). Wir hätten bis nach den Osterferien abwarten und langfristige Konzepte machen sollen.

Köln – Pro: Homeschooling ist demotivierend und für viele Kinder einfach ungerecht. Mir fehlen meine Freundinnen und Freunde! Im Klassenraum zusammensitzen, lachen, in den Pausen etwas machen, einfach Spaß haben. All das vermisse ich. Sich über Zoom oder irgendeine andere Plattform zu sehen, ist ganz anders, als wenn man wirklich gemeinsam im Unterricht sitzt und lernt. Deshalb finde ich es gut, dass die Schulen wieder teilweise öffnen.

Das Distanzlernen ist zwar in den letzten Wochen immer besser geworden und auch die Technik funktioniert jetzt meistens – und doch nervt es mich, dass ich jeden Tag von 8 Uhr bis 13.30 Uhr vor dem Computer sitzen muss. Mir fällt es richtig schwer, dass ich so wenig Abwechslung habe.

Zu Hause sitze ich immer am selben Schreibtisch

In der Schule ist der Tag ganz anders. Die festen Stundenzeiten müssen wir zwar auch zu Hause einhalten, aber egal in welchem Fach wir gerade sitzen, wir sind doch immer am gleichen Schreibtisch. Nicht im Biologieraum, im Kunstraum oder in der Sporthalle. Manchmal habe ich morgens überhaupt keine Motivation, weil ich das Gefühl habe, dass meine Tage irgendwie immer gleich sind. Vor allem in Fächern, wo man zum Beispiel experimentiert, fällt vieles jetzt einfach weg.

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Kinderreporterin Milla aus Köln (11)

Im „richtigen“ Unterricht arbeiten wir oft in Partner- oder Gruppenarbeit zusammen. Im Moment teilen uns die Lehrer dafür über den Bildschirm in Breakout-Rooms ein. Das erfüllt seinen Zweck, ist aber längst nicht das Gleiche, weil man einfach nicht so diskutiert, wenn man sich nicht in echt sieht.

Im Supermarkt ist es oft voller als in der Schule

Ich kann gut verstehen, dass viele Angst haben, wenn wir wieder in die Schule gehen. Viele Schüler, aber auch Lehrer und Eltern. Die Infektionszahlen sehen  immer noch schlecht aus, die Mutationen sind unheimlich und es gibt weiterhin schwere Krankheitsverläufe. Aber: Wir tragen ja alle FFP2-Masken, wir müssen auf Gängen und dem Schulhof Abstand halten und unsere Klasse wird geteilt: Entweder lernen wir in verschiedenen Räumen oder zu verschiedenen Zeiten. Und das ist doch eigentlich nicht gefährlicher als wenn wir zum Beispiel in den Supermarkt gehen. Dort ist es manchmal viel voller. Oder jetzt an den Wochenenden, wo das Wetter so super war: Da waren am Fühlinger See so viele Leute unterwegs, dass man beim Spazierengehen fast ineinander gelaufen ist. Und wenn so etwas erlaubt ist, dann können wir auch wieder in die Schule gehen!

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Besonders wichtig ist der  Präsenzunterricht vor allem für die Schüler, die dieses Jahr einen Abschluss machen. Deswegen durften die ja auch schon früher wieder zur Schule gehen, genau wie die Grundschüler, die noch mehr Betreuung brauchen. Und das hat doch  gut geklappt. Deshalb denke ich, dass es mit den fünften bis zehnten Klassen auch klappen wird.

Distanzlernen ist nicht gerecht

Was wir keinesfalls vergessen dürfen: Für viele Kinder ist das Distanzlernen einfach ungerecht. Wenn man ein eigenes Zimmer hat, einen eigenen Computer, vielleicht sogar einen Drucker, und wenn man Eltern hat, die man bei Problemen immer fragen kann, dann hat man tolle Voraussetzungen für ein gutes Homeschooling. Viele Kinder haben das aber nicht, und das ist einfach nicht gerecht. Deshalb sollte die Politik in Zukunft ganz viel machen, um das auszugleichen! Und dazu gehört auch,  jetzt schnell die Schulen wieder zu öffnen. Denn im Präsenzunterricht sind solche Chancenunterschiede nicht so groß.

Über die Autorin: Milla ist 11 und geht in die 6. Klasse eines Kölner Gymnasiums. Seit fast zwei Jahren ist sie Duda-Kinderreporterin beim Kölner Stadt-Anzeiger. In der Corona-Krise vermisst sie  ihre Familie in Wilhelmshaven und ihre Hockeymannschaft. Ihre Lieblingsfächer sind Musik, Bio und Sport – hoffentlich bald wieder mit Versuchen und in der Sporthalle!

Contra: Es ist falsch, die Schulen jetzt wieder überstürzt zu öffnen

Da sage ich ganz klar: Nein. Warum jetzt öffnen, zwei Wochen vor den Osterferien? Das führt doch nur wieder zu Chaos, Hektik und Unruhe bei den Lehrkräften, uns Schülern und den Eltern. Wäre es nicht besser, jetzt noch etwas geduldig zu sein, damit wir dauerhaft zurück zur „Normalität“ kommen – als ständig in der Unsicherheit zu leben, dass gerade eingeführte Konzepte  morgen ihre Gültigkeit verlieren, weil die Zahlen wieder steigen?

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Kinderreporter Moritz aus Köln (13)

Jetzt muss alles wieder ganz schnell gehen, der Unterricht muss umgestellt werden. Das geschieht vermutlich zu Lasten der Zeit, die unsere Lehrer sonst für den aktuellen Unterricht gehabt hätten. Stattdessen könnten die Osterferien dafür genutzt werden, das Wechselmodell in Ruhe vorzubereiten. Auch für die Familien wäre das besser. Denn bis zuletzt war noch gar nicht klar,  ob alle Schulen dasselbe Wechselmodell umsetzen, wie viele Stunden überhaupt in der Schule stattfinden und wie der „Unterricht“ zu Hause dann aussehen wird.

Kein Gigabitanschluss an der Schule

An meiner Schule zum Beispiel fehlt ein Gigabitanschluss. Deshalb ist es gar nicht möglich, Videokonferenzen aus dem Klassenzimmer heraus zu übertragen. Die Lehrer haben bisher alle Videokonferenzen von zu Hause aus gemacht.

Bereits die Rückkehr der Q1 und Q2 in den Präsenzunterricht seit dem 22. Februar hat dazu geführt, dass wir in der Mittelstufe weniger Videokonferenzen haben, da die Lehrer dafür erst einmal zurück nach Hause fahren müssen, um ein verlässliches Internet nutzen zu können. Deshalb wird der Wechselunterricht zumindest in der Distanzlernphase bestimmt einen Rückschritt bedeuten – und wir werden wieder überwiegend Wochenpläne abarbeiten müssen.

Videounterricht ist zur Routine geworden

Bei uns in der Schule hat mittlerweile jeder Schüler einen Laptop. Schüler und Lehrer haben sich daran gewöhnt, die Lernplattform zu nutzen, der Videounterricht ist zur Routine geworden. Manches könnte besser laufen, aber mein Eindruck ist, dass wir annähernd genau so viel lernen, wie dies im Präsenzunterricht der Fall wäre. Natürlich wäre es mir lieber, in die Schule gehen zu können! Mir fehlt der direkte Austausch mit den Lehrerinnen und Lehrern, ich vermisse meine Freunde und auch eine Klassenfahrt würde mir zur Abwechslung mal wieder gut gefallen.

Ich bin zuversichtlich, dass dies alles bald wieder möglich sein wird. Aber nur,  wenn wir die Schritte aus dem Lockdown vernünftig gehen. Deshalb wäre es  meiner Meinung nach richtig gewesen, mit der weiteren Öffnung der Schulen bis nach den Osterferien zu warten. Das wären vier weitere Wochen gewesen, in denen die Inzidenz hätte sinken können. Außerdem ist es Mitte April auch wieder wärmer. Dann wäre ständiges Stoßlüften  nicht mehr so problematisch und einige Schülerinnen und Schüler könnten mit dem Rad zur Schule fahren. Das würde wiederum die öffentlichen Verkehrsmittel entlasten.

Ein durchdachter Neustart wäre sinnvoller gewesen

Und ganz ehrlich: Bei allen Argumenten, die für eine Öffnung der Schulen sprechen, ich persönlich hätte mir wirklich gewünscht, dass die zwei Wochen bis zu den Osterferien nicht schon wieder Veränderung bedeutet hätten. Mag sein, dass manche durch Corona die chilligste Zeit ihres Lebens haben, aber ich finde diese Monate echt anstrengend. Und so geht es bestimmt auch vielen Eltern und Lehrern. Wäre da ein Neustart nach den Ferien mit neuer Energie und nachhaltigeren Konzepten nicht sinnvoller gewesen?

Über den Autor: Moritz ist 13 Jahre alt und geht in die 8. Klasse eines Kölner Gymnasiums. Seit fast zwei Jahren ist er Duda-Kinderreporter beim Kölner Stadt-Anzeiger. Sein Lieblingsfach ist Sport. Er  vermisst seine Fußballmannschaft, das Phantasialand und sich spontan mal mit Freunden verabreden zu können.

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