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Zum Tag der FreundschaftPsychologe: „Männerfreundschaften sind nicht krisentauglich“

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Männer machen lieber was zusammen und reden nicht so gern'. Wenn dann noch ein Feuer im Spiel ist, umso besser. 

Köln – Männer tun sich mit echten Freundschaften oft schwer. Klar, sie haben Kumpel, mit denen sie Sport machen und in die Kneipe gehen. Ernsthaft geredet wird da aber nicht viel. „Das funktioniert gut, so lange alles in Ordnung ist. In Krisensituationen aber versagt das Modell der Männer", sagt der Berliner Psychologe und Psychotherapeut Dr. Wolfgang Krüger. Im Interview spricht er darüber, was sich in Männerfreundschaften ändern sollte, damit es allen besser geht. Herr Krüger, wie sieht eine Männerfreundschaft typischerweise aus? Wolfang Krüger: Nur ein Drittel der Männer hat jemanden, mit dem er über alles reden kann. Die meisten Männerfreundschaften sind von Aktivitäten geprägt – wir fahren Motorrad, besteigen Berge, spielen Tennis. Und wenn wir reden, dann gern über Erfolge. Jeder erzählt, was er besonders gut gemacht hat. Frauen würden schneller mittendrin über ihre Zweifel oder Misserfolge sprechen. So entsteht eine Stimmung von Solidarität. Das eigentliche Problem von Männerfreundschaften ist Rivalität. Meistens gibt es dann einen anderen Mann, der dagegen stichelt. Männer stehen seit Jahrhunderten unter dem Druck, dass sie Helden sein wollen und es meist nicht sind.

Ist das auch so, wenn der Mann mit seinem besten Freund alleine ist? Krüger: Es muss nicht so sein, aber es ist oft so. 

Man muss ja nicht unbedingt über Selbstzweifel sprechen, sondern einfach über positive Dinge. Oder sprechen Männer gar nicht richtig miteinander? Krüger: Es gibt Männer, die über Projekte reden, was sie machen und vorhaben. Aber es werden normalerweise Dinge ausgespart. Bei Frauen reden mehr als 70 Prozent auch offen über ihre Partnerschaft, also auch darüber, dass die Ehe vielleicht schwierig ist oder im Bett nichts mehr läuft. Das würden Männer normalerweise nicht machen. Wenn Männer Angst haben, dass ihre Frau fremd geht oder sie darunter leiden, dass man nicht mehr so oft miteinander schläft, würden sie das meist nicht einmal ihrem besten Freund erzählen. 

Wolfgang Krüger

Der Psychologe und Psychotherapeut Wolfgang Krüger beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Partnerschaft und Freundschaft und hat auch ein Buch zum Thema geschrieben: „Freundschaft. Beginnen, verbessern, gestalten“ (9,90 Euro).  

Deswegen haben Männer wahrscheinlich auch oft Probleme mit den Freundinnen der Frau, oder? Sie haben einfach Angst, dass die Freundinnen zu viel wissen.  Krüger: Ja, natürlich. Die meisten Frauen sagen, dass sie sich mit ihrer besten Freundin besser unterhalten können als mit ihrem Mann, gerade wenn es um intime Themen geht. Und der Mann kriegt ja auch mit, wie oft seine Frau mit ihrer Freundin telefoniert und denkt sich seinen Teil. 

Anscheinend haben ja auch Männer ab und zu das Bedürfnis zu reden und müssen das dann mit ihrer Partnerin tun. Auf diese Weise übernimmt die Frau die Verantwortung für den Gefühlshaushalt des Mannes. Kann das gut gehen? Krüger: Viele Männer, die ich befragt habe, sagen: Meine beste Freundin ist meine Frau. Die Ehefrau ist also die Hausfrau, die Geliebte, die Mutter und dann auch noch die beste Freundin. Die Frauen fühlen sich davon überfordert, weil sie das Gefühl haben, es wäre besser, wenn der Mann bestimmte Dinge mit anderen Leuten besprechen würde. Nicht alle Dinge sind in einer Partnerschaft im Gespräch gut aufgehoben. Größere Themen wie Krankheiten oder Angst vor Arbeitslosigkeit können einen Gesprächspartner alleine auch überfordern. Wenn ich das alles nur in der Ehe ablade, ist das für den anderen zu viel. 

Kann man den Mann irgendwie dabei unterstützen, Freunde zu haben, mit denen er auch Probleme besprechen kann? Krüger: Sie können zum Beispiel sagen, dass sie sich in all diesen Rollen überfordert fühlen. In den meisten Fällen führt dieser Konflikt erst zu einer Krise, wenn Frauen sich trennen und Männer niemanden mehr haben. Dann kommen die Männer völlig verzweifelt zu mir in die Therapie. Frauen haben dann Netzwerke und ihre beste Freundin, mit der sie reden können. Für Männer bricht dann alles zusammen.

Es müsste sich ja so viel ändern, was Männer anbetrifft, eigentlich die gesamte Haltung zum Leben. Wir Männer sind Helden, das machen uns alle Bücher und Filme vor. Wir sind erfolgreich und haben keine Schwächen. Männer müssen lernen, ihr eigenes Ego nicht von einem Erfolg abhängig zu machen. Wir müssen keine Leistung bringen und uns nicht beweisen. So, wie wir sind, ist das eigentlich schon in Ordnung. Wir müssen uns mit dem eigenen Leben und der eigenen Durchschnittlichkeit versöhnen. Wir müssen lernen, dass man aus Gesprächen, in denen wir miteinander ehrlich sind und vielleicht auch miteinander ringen, einen großen emotionalen Gewinn ziehen können. Das müssten ganz andere Erlebnisse sein, wo man es wagt, sich einem anderen auch mit seinen Ängsten und seinem Scheitern anzuvertrauen. Das wäre eine völlig neue Welt und eine völlig neue Erfahrung für Männer. 

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Sie sagen, in den vergangenen 20 Jahren habe sich nicht viel verändert. Gleichzeitig hat man den Eindruck, dass Männer emotionaler geworden sind und nicht mehr so heldenhaft sein sollen und müssen. Sehen Sie die Entwicklung hin zu offenen Freundschaften zwischen Männern wirklich noch nicht auf dem Weg? Krüger: Nein, ich sehe das nicht. Das ist eine große Schwierigkeit. Auf der einen Seite gehen immer mehr männliche Bereiche verloren. Auf der anderen Seite gibt es Veränderungen. In den 1960er Jahren hätten Männer zum Beispiel keinen Kinderwagen geschoben. Das war unmännlich. Heute sehen sie junge Männer, die voller Stolz Väter sind. Aber es gibt Dinge, die sind relativ konstant geblieben, vor allem die Grundeinstellung zu dem, was Stärke und Schwäche betrifft. In der Politik ist mit Trump, Erdogan und Johnson das männliche Ego zurückgekehrt. Man hat ja das Gefühl, wir landen wieder im Mittelalter. Ich hätte das nie für möglich gehalten, dass eine so primitive Form von Männlichkeit heute wieder Triumphe feiert. Wenn man jemandem etwas anvertraut, macht man sich ja auch verletzlich. Die Zeit ist dafür momentan gar nicht geeignet. 

Ist den Männern überhaupt bewusst, dass sie oft nur eine oberflächliche Freundschaft auf dem Tennisplatz oder an der Theke führen? Krüger: Das allerwichtigste ist zunächst einmal die Freundschaft mit sich selbst. Das man lernt, die eigenen Gefühle, Schwächen, Hoffnungen und Verzweiflung wahrzunehmen und sich so auf andere zuzubewegen. Das wäre die große Lösung. Ich kenne in Diskussionen mit Männern den Standpunkt, dass es auch Freundschaft sei, gemeinsam etwas zu unternehmen. Natürlich können dadurch auch Gefühle entstehen. Aber ich muss vor allem dann reden, wenn ich in einer Krise bin. Was passiert, wenn ein Mann einmal eine schlimme Diagnose bekommt, den Arbeitsplatz verliert oder die Frau sich trennt? Da hilft eigentlich nur noch reden. Die Modelle, die Männer haben, sind nicht krisentauglich. So lange wir im Erfolg schwimmen, sind wir manchmal sogar besser als Frauen, weil wir uns untereinander pushen und Netzwerke haben. Wir können wunderbar rational sein und irgendwelche Schlachtpläne haben. Aber wir sind auf das Scheitern nicht vorbereitet. Unser Leben ist sehr eindimensional. 

Können die Partnerinnen das mit den Männern üben? Also zuhause im geschützten Kreis sprechen und ihn langsam daran heran führen, dass er das auch außerhalb der Wohnung machen kann? Krüger: Die Frauen, die zu mir kommen, klagen meist darüber, dass Männer zu wenig reden. Tiefer gehende Gespräche – auch über die Partnerschaft – fänden nicht statt. Die meisten Frauen signalisieren ein massives Gesprächsdefizit von Männern. Obwohl sie schon viel reden. Sehen Sie sich mal um: Wie oft sehen Sie Männer, die Frauen die Welt erklären und endlos reden? Warum hören die Frauen eigentlich zu? Ich kriege da immer Mitleid. Aber diese Abläufe sind klassisch. Man fühlt sich in eine Sendung von Loriot versetzt. 

Welchen Tipp haben Sie für die Frau, wenn der Mann auf ihre Freundinnen eifersüchtig ist und zum Beispiel nicht will, dass sie alleine mit ihnen wegfährt. Was würden Sie der Frau raten? Krüger: Dass sie auf jeden Fall weg fährt und ihre Freundschaften pflegt. Das Problem ist, dass es in jeder Partnerschaft Machtprozesse und Konflikte gibt, wo Männer nicht das machen, was eigentlich notwendig wäre, zum Beispiel im Haushalt. Es gibt in jeder Liebesbeziehung eine ganze Reihe von Konflikten. Eine der besten Möglichkeiten, solche Machtprozesse zu regulieren, ist, wenn Frauen etwas mehr Abstand einlegen und zum Beispiel mit ihrer besten Freundin verreisen. Wenn sie zurückkommen, ist der Mann relativ geneigt, nachzugeben und fragt von selber, was er besser machen kann. Viele Männer werden relativ handzahm, wenn man ihnen etwas Zuwendung entzieht. Die Frauen reden meistens viel zu viel. Das ist wie in der Kindererziehung, das ist vergebliches Reden, Schallplattengespräche. Die sollen sich die beste Freundin schnappen und Urlaub machen. Im Normalfall ruft der Ehemann nach zwei Tagen an und fragt nach dem Wetter, obwohl ihn das natürlich eigentlich gar nicht interessiert. Er fühlt sich aber einsam. Das ist die beste Möglichkeit, seine Wünsche viel eleganter unterzubringen und den Mann auch gar nicht mehr groß zu nerven. Man muss in Partnerschaften Machtprozesse auflösen, indem man sich mit seinem Angebot ein bisschen entzieht und damit den anderen dazu bringt, mehr auf seine Wünsche einzugehen.

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