Virale WerbungGillette setzt sich gegen Sexismus ein – es folgen heftige Diskussionen

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Eine Szene aus dem Gillette-Werbefilm „We Believe: The Best Men Can Be“.

Köln – Wie ist er, der perfekte Mann? Die Werbung hatte Jahrzehnte lang ein genaues und recht konstantes Bild davon. Er ist erfolgreich, kommt bei Frauen gut an und sieht natürlich umwerfend gut aus. Vorne mit dabei bei der Bewerbung dieses Männertyps war auch die Firma „Procter & Gamble“ mit ihren Gillette-Kampagnen für Rasierer. Hinter dem bekannten Slogan „Für das Beste im Mann!“ steckte die gewollt lässige Aussage: Der gut rasierte Mann kann sie alle haben und alles schaffen.

Doch das war gestern. Mit einem neuen Werbeclip schlägt der Rasierklingenhersteller nun ganz bewusst andere Töne an. Und reagiert damit auf die #metoo-Skandale der letzten Jahre und die Diskussionen rund um Sexismus und Männlichkeit.

Werbeclip gegen Mobbing und Sexismus

Zu Beginn des Films sieht man Männer, die in den Spiegel starren, im Hintergrund hört man Gesprächsfetzen aus News-Sendungen: „Mobbing“, „metoo“, „sexuelle Belästigung“, „Männlichkeit“. Dann fragt eine Erzählerstimme: „Ist das wirklich das Beste, was ein Mann werden kann?“

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Es folgen Szenen, in denen man sieht, wie Jungen erniedrigt werden, Männer auf große Macker machen und Frauen an den Hintern packen. Und immer wieder im Bild: kleine Jungs, die sich diese Szenen ansehen.

„Wir können uns nicht für immer verstecken. Das geht schon viel zu lange so“, heißt es dazu im Audio-Kommentar: „Wir können es nicht einfach weglachen. Und immer wieder die gleichen Entschuldigungen bringen. Nach dem Motto: Jungs sind halt so!“

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Jungs müssen eben nicht so sein

Dann wendet sich das Bild. Man sieht, wie Männer andere für ihr belästigendes Verhalten kritisieren, wie sie versöhnend aufeinander zugehen. Wie einem gemobbten Jungen geholfen wird und wie ein Vater zwei raufende Jungen auseinander bringt. Um zu zeigen, dass Jungs eben nicht einfach so sein sollen. Dazu heißt es: „Aber endlich hat sich etwas geändert. Und davon gibt es kein Zurück. Weil wir an das Beste im Mann glauben. Weil die Jungs, die heute zuschauen, die Männer von morgen sind.“

Man kann diesen kleinen Film kitschig, berührend oder beeindruckend finden. Das Thema ist ohne Zweifel wichtig. Und gerade an den tausenden Reaktionen auf diesen Spot wird wieder deutlich, warum. Mehr als 10 Millionen Menschen haben den Film inzwischen gesehen, in den sozialen Medien finden sich dazu unzählige völlig unterschiedliche Kommentare.

Lob, Gelächter und Hass-Kommentare 

Bei vielen kam der Clip gut an. „Ich liebe das. Ich habe selbst zwei Jungen und ein Mädchen und möchte, dass alle meine Kinder in einer Welt aufwachsen, in der sie so sein können, wie sie wollen“, schreibt eine Userin. „Danke, dass ihr eure Stimme erhebt und die Diskussion zum diesem Thema weiter entfacht“, kommentiert ein User. Ein anderer schreibt: „Danke. Das ist das, was unsere Gesellschaft jetzt braucht, das Beispiel guter Männer, zu denen die kleinen Jungen aufblicken können.“

Aber es gab auch erstaunlich viel Hass und Abwehr gegen den Clip im Netz. Während die einen es gar nicht gut fanden, dass Gillette ein ernstes oder gar politisches Thema anschneidet („Ich brauche es nicht, dass mir eine Firma für Schönheitsprodukte eine Standpauke über Moral hält.“), sehen ganz viele darin eine dämonisierende Hass-Kampagne, einen „Krieg gegen Männer“ an sich.

„Kampagne ist sexistisch gegenüber Männern“

„Gillette zeigt wohl nicht das Beste im Mann, wenn sie alle Männer in einen Topf wirft.“, heißt es da. Und: „Diese Kampagne ist sexistisch gegenüber Männern, eurer größten Käufergruppe. Seid ihr gehackt worden oder einfach verrückt geworden?“ Und ein dritter: „Ich hab dieses Männer-bashing so satt. Macht ihr auch mal eine Werbung, die Frauen dafür verurteilt, die boshaft und fies sind und Männer nieder machen?“

Auch an der Tatsache, dass Männer sich überhaupt ändern sollten, stören sich viele. „Hört auf damit, meinen Sohn zu sagen, dass etwas mit ihm nicht stimmt. Er ist ein Junge, der ein Mann wird. Das ist okay. Männlichkeit ist nicht toxisch.“, schreibt eine Userin. „Ich will nicht, dass mein Freund ein Baby ist. Lasst Jungs raue Jungs ein“, schreibt eine andere. Gillette würde mit diesem Clip nur „verweichlichte Beta-Männer“ und „Soja-Jungs“ ansprechen.

Viele fühlen sich von dem Video angegriffen

Es ist auffällig, dass nicht wenige die Botschaft des Films, in dem es schlicht um Respekt und Achtung vor anderen geht, völlig falsch verstanden haben. Oder sich bis aufs Blut davon provoziert und angegriffen fühlen.

Am aussagekräftigsten und erschreckendsten sind tatsächlich die Diskussionen, die die User miteinander führen. Der Ton ist harsch, unversöhnlich und feindselig. Diejenigen Frauen und Männer, die den Spot und seine Botschaft gut finden, werden als blöde Feministen („Zurück an den Herd, ihr Süßen!“) oder als Männer-Hasser beschimpft („Ihr alle sagt, Männer sind von Natur aus böse“). Auf der anderen Seite bekommen die Gegner der Kampagne viel Spott und Ironie ab. „Alle Männer, die diesem Clip persönlich nehmen…ihr seid genau die Art von ‚toxisch‘, gegen die diese Werbung und die ganze Bewegung warnt.“, schreibt einer.

Viele User sind sich indes einig, dass „der Kommentar-Sektor genau zeigt, worum es in dem Video geht.“ Tatsächlich demonstriert die Tatsache, dass ein solches Video einen derartigen Aufruhr und so viele Emotionen auslöst, dass das Thema so aktuell ist wie nie zuvor. Dass die Diskussion erst am Anfang steht. Und genau deshalb ist dieser Spot wichtig. Auch wenn Gillette sicher auch auf kommerzielle Erfolge spekuliert, ist der Film ein mutiger Schritt und ein wichtiger Gegenstand, um die Debatte am Laufen zu halten. Eine Debatte, die dringend weiter geführt werden muss.

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