Eigenbrauer-SyndromGanz ohne Alkohol – Mann ist wiederholt von sich selbst betrunken

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Menschen, die unter dem Eigenbrauer-Syndrom leiden, sind auch ohne einen Tropfen Alkohol betrunken (Symbolbild). 

Richmond – Betrunken zu sein, ohne einen Tropfen Alkohol getrunken zu haben – was nach einer Ausrede klingt, kann durch eine Krankheit ausgelöst werden. Bei Menschen, die unter dem sogenannten Eigenbrauer-Syndrom leiden, ist ein Pilz im Magen-Darm-Trakt dafür verantwortlich, dass der Körper selbst Alkohol herstellt.

So erging es auch einem 46-jährigen Mann aus den USA. Mehr als sechs Jahre lang litt der Mann unter depressiven Stimmungen, Gedächtnisausfällen, Schwindel und Niedergeschlagenheit. Schließlich geriet er auch mit dem Gesetz in Konflikt: Bei einer Verkehrskontrolle wurde er mit einem Blutalkoholwert von 200 Milligramm pro Deziliter verhaftet. Zwar beteuerte der Mann, dass er keinen Alkohol getrunken habe, doch die Polizisten glaubten ihm nicht.

Eigenbrauer-Syndrom erstmals in den 1970er-Jahren dokumentiert

Zahlreiche Untersuchungen folgten, bis die Ärzte um Fahad Malik der Uniklinik Richmond das Eigenbrauer-Syndrom bei dem Mann diagnostizierten. Alle Symptome des Mannes konnten auf den chronisch erhöhten Alkoholspiegel im Blut zurückgeführt werden. 

Die Krankheit ist extrem selten und wurde das erste Mal in den 1970er-Jahren in Japan dokumentiert. Im Fachmagazin „BMJ Open Gastroenterology“ haben die Mediziner den Fall des 46-Jährigen beschrieben und davor gewarnt, das Syndrom zu unterschätzen. „Die Patienten leiden unter den gleichen gesundheitlichen und sozialen Folgen wie bei Alkoholismus – auch Verhaftungen wegen Alkohol am Steuer“, heißt es im Bericht.

Die Mediziner haben ein Diagnoseraster entwickelt, damit die seltene Krankheit besser erkannt werden kann. Das Eigenbrauer-Syndrom zeige sich häufig erst an Wesensänderungen, Verwirrtheitszuständen und einem Gedächtnisnebel und nicht direkt in Rauschzuständen. 

Nach einer Antibiotikatherapie konnten sich die Pilze im Darm ansiedeln

1,88 Meter groß, 104 Kilogramm schwer, in seinem bisherigem Leben keine auffälligen physischen oder psychischen Leiden, so beschrieben die Ärzte den 46-Jährigen. Eine gründliche Untersuchung des Mannes löste das Rätsel schließlich: In seinem Magen und im Dünndarm fanden die Ärzte einen Hefepilz, der Alkohol produzieren kann, wenn mit der Nahrung Kohlenhydrate aufgenommen werden. Bei gesunden Menschen besiedelt dieser Pilz den Darm nicht.

Im Fall des Mannes war vermutlich eine längere Antibiotikaeinnahme der Auslöser. Der Hefepilz konnte den Magen-Darm-Trakt des Mannes nach der Antibiotikatherapie befallen, weil die Darmflora durch das Medikament zerstört war, berichteten die Ärzte. Der Mann hatte sich vor sechs Jahren am Daumen verletzt und deshalb das Medikament nehmen müssen.

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Kohlenhydrate sorgten für Gärungen im Darm

Jedes Mal, wenn der Mann Pizza, Pasta, Brot oder sonstige Lebensmittel mit Kohlenhydraten zu sich nahm, produzierten die Hefepilze in seinem Darm Alkohol und er fühlte sich immer wieder berauscht. Eine kohlenhydratarme Ernährung sollte dem Amerikaner helfen, die Therapie zeigte nur zum Teil Wirkung – der Mann hatte zwischendurch Pizza gegessen. Nach einer sechswöchigen Behandlung mit Antipilzmedikamenten konnte der Mann wieder Pizza oder Kartoffeln essen, ohne dass in seinem Bauch Alkohol entstand. (rha)

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