Chaos bei der DigitalisierungMuss die Gesundheitskarte weiterhin zum Arzt kutschiert werden?

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Gesundheitskarten verschiedener Krankenkassen liegen auf einem Tisch.

Patienten müssen für eine Krankschreibung nicht mehr zwingend zum Arzt. Aber was ist mit der Gesundheitskarte?

Müssen Patienten, die sich telefonisch krankschreiben lassen, anschließend dennoch die Praxis aufsuchen, um ihre Gesundheitskarte einzulesen?

Seit der Wiedereinführung der telefonischen Krankschreibung beim Hausarzt im Dezember herrscht Uneinigkeit darüber, ob das Vor-Ort-Einlesen der Gesundheitskarte dabei notwendig ist oder nicht. Auf Nachfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ äußerten sich Vertreter des GKV-Spitzenverbandes und der Kassenärztlichen Vereinigung konträr zu den Bedingungen. Eine einheitliche Regelung sucht man vergebens.

Das Einlesen der Gesundheitskarte einmal im Quartal dient dem Arzt als Abrechnungsgrundlage gegenüber der Krankenkasse. Patientinnen und Patienten sind daher bislang gezwungen auch bei beispielsweise Rezeptbestellungen den Arzt aufzusuchen und die Karte einzulesen. Geregelt ist das im sogenannten Bundesmantelvertrag, in dem es heißt: „Zum Nachweis der Anspruchsberechtigung ist der Versicherte verpflichtet, eine elektronische Gesundheitskarte gem. § 291 Abs. 2a SGB V vorzulegen.“ Damit soll laut Kassenärztlicher Vereinigung Nordrhein möglicher Missbrauch mit abgelaufenen oder gestohlenen Versicherungskarten zum Schaden der Allgemeinheit verhindert werden. Aus Datenschutzgründen können Gesundheitsdaten nur über die gesicherte Autobahn der Kartenlesegeräte und eben nicht über das Internet verschickt werden.

Krankenkassen: Karte muss weiter zum Arzt gebracht werden

Patienten, die eine telefonische Krankschreibung bei einem einfachen Infekt nutzen, stehen nun vor der Frage, ob sie nach dem Telefonat dennoch zum Arzt gehen müssen, um dort ihre Gesundheitskarte einzulesen. Der GKV-Spitzenverband meint: Ja. Die Gesundheitskarte muss noch am Tag der Krankschreibung physisch beim Arzt eingelesen werden. Zumindest dann, wenn der Patient im laufenden Quartal dort noch nicht in Behandlung war.

Ein Sprecher des GKV-Spitzenverbandes schreibt auf Anfrage: „Auch die fortschreitende Digitalisierung des Gesundheitswesens wird nicht vermeiden können, dass eine Patientin oder ein Patient im Krankheitsfall die Ärztin oder den Arzt aufsucht bzw. in der Vergangenheit aufgesucht hat und dafür entsprechend die Gesundheitskarte vorlegt bzw. vorgelegt hat.“

Kassenärzte: Karte muss bei telefonischer Krankschreibung nicht gebracht werden

Bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist man anderer Meinung. Auf Anfrage teilt der Sprecher mit, ein Einlesen der Gesundheitskarte sei für das Ausstellen der telefonischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung „nicht erforderlich“. Auch wenn der Patient im laufenden Quartal die Praxis noch nicht aufgesucht habe, „übernimmt die Praxis die Versichertendaten für die Abrechnung im Ersatzverfahren aus der Patientenakte“. Zur Authentifizierung könne das Fachpersonal Patientendaten abfragen.

Das Chaos und die Umständlichkeit mit der Gesundheitskarte wird voraussichtlich noch mindestens die kommenden zwei Jahre anhalten. Vom Jahr 2026 an soll als alternativer Versicherungsnachweis die Gesundheits-ID genutzt werden können, bestätigt eine Sprecherin der Gematik, der Nationalen Agentur für Digitale Medizin. Schon jetzt können Versicherte eine Gesundheits-ID bei den Krankenkassen beantragen. Die Ablösung der Gesundheitskarte und damit „ein wesentlicher Schritt in die kartenunabhängige Zukunft der Telematikinfrastruktur“ ist laut Gematik aber erst für 2026 geplant. Als Grund für die Übergangszeit führt die Gematik die Notwendigkeit umfangreicher Softwareupdates in den Praxen an.

Eine Krücke für den Übergang bietet die Techniker Krankenkasse seit April vergangenen Jahres in einem Pilotprojekt ihren Versicherten an. Zusammen mit drei Softwareherstellern hat man laut einer Sprecherin eine sichere Datenautobahn für den Abgleich der Versichertennummer geschaffen, falls der Versicherte die Gesundheitskarte einmal vergessen hat. Die Erfahrungen seien sehr positiv, denn sowohl für Arzt als auch Patient und Kasse sinke dadurch der Aufwand. Offiziell ist aus Datenschutzgründen bei einer vergessenen oder verlorenen Gesundheitskarte nämlich eine postalische Bestätigung der Kasse an den Versicherten nötig, den der dann wiederum zur Identifikation zum Arzt bringen muss.

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