Bei mildem VerlaufForscher unterscheiden 7 Formen von Covid-19-Symptomen

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Wer eine Covid-19-Infektion hat, muss nicht immer unter den selben Symptomen leiden (Symbolbild).

Köln/Wien – Forschende der MedUni Wien haben nun gezeigt, dass eine milde Covid-19-Infektion unterschiedliche Formen und Symptome zeigen kann. Die Wissenschaftler haben sieben verschiedene Krankheitsformen dokumentiert. Außerdem haben die Studienleiter, der Immunologe Winfried F. Pickl und der Allergologe Rudolf Valenta, herausgefunden, dass bei Sars-CoV-2 auch zehn Wochen nach der Erkrankung noch deutliche Veränderungen im Immunsystem zu erkennen sind.

Für die Studie haben die Mediziner 109 Genesene zehn Wochen nach ihrer milden Sars-CoV-2-Infektion untersucht und 98 gesunde Personen zum Vergleich. Von den 109 Genesenen mussten acht im Krankenhaus behandelt werden. Die sieben Formen von milden Verläufen haben die Mediziner durch eine statistische Methode ausgemacht:

Grippale Symptome

Fieber, Müdigkeit, Schüttelfrost und Husten traten bei dieser Form auf. Die Forscher haben festgestellt, dass mit rund 84 Prozent Müdigkeit das häufigste Symptom der Genesenen war. Gut jeder Zweite litt unter Fieber.

Schnupfensymptome

Niesen, Schnupfen, ein trockener Hals und eine verstopfte Nase zählten hier zu den Symptomen. Eine verstopfte Nase trat bei rund 43 Prozent auf.

Gelenks- und Muskelschmerzen

Über Muskelschmerzen klagten etwas mehr als die Hälfte der Genesenen und rund jeder Zweite hatte Gelenkschmerzen.

Augen- und Schleimhautentzündungen

Etwas mehr als jeder Dritte litt während der Infektion unter einer Entzündung der Schleimhaut im Hals.

Lungenprobleme

Es traten Lungenentzündungen und Kurzatmigkeit auf. Etwa 42 Prozent der Genesenen klagten über Atemprobleme.

Magen-Darm-Probleme

Durchfall, Übelkeit, Kopfweh und Erbrechen gab es in dieser Gruppe. Magen-Darm-Symptome traten bei den wenigsten der 109 Befragten auf. Nur rund sechs Prozent mussten sich übergeben, jedem Fünften war übel.

Verlust von Geruchs- und Geschmacksinn und andere Symptome

Das in anderen Studien als starker Indikator für eine Covid-19-Infektion identifizierte Symptom des Verlusts des Geschmacks- und Geruchssinns trat in der Untersuchung der MedUni Wien bei rund 66 Prozent der Genesenen auf.

Symptome von Covid-19 können in den Gruppen überlappen

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Immunologe Winfried F. Pickl

Immunologe und Studienleiter Winfried F. Pickl erklärt: „Bei letzterer Gruppe konnten wir zudem feststellen, dass vom Geruchs- und Geschmacksverlust vermehrt Personen mit einem ‚jungen Immunsystem‘ betroffen sind.“ Jung bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht auf das Alter des Patienten.  Wie ‚jung‘ ein Immunsystem ist, wurde anhand der kürzlich aus dem Thymus (die Thymusdrüse ist ein wichtiger Bestandteil des Immunsystems) ausgewanderten T-Lymphozyten (Immunzellen) bestimmt. „Das heißt, wir konnten ganz klar systemische (beispielsweise Gruppe 1 und 3) von organspezifischen Verlaufsformen (zum Beispiel Gruppe 6 und 7) der primären Covid-19-Erkrankung abgrenzen.“ Die systemischen Symptome sind vor allem Fieber und Müdigkeit – sie betreffen den ganzen Körper. Dazu komme auch die Lungenproblematik, also die Unterversorgung mit Sauerstoff, die sich auf den kompletten Organismus auswirke, erklärt Pickl.

Die Erkenntnisse aus der Studie bedeuten nicht, dass es nicht auch Überlappungen zwischen den sieben identifizierten Gruppen geben könnte. Es gibt Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Symptomen und den Reaktionen des Immunsystems: Genesene, die unter dem Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns litten, wiesen einen höheren Spiegel von T-Lymphozyten im Blut auf. Eine Covid-19-Infektion mit hohem Fieber korreliert mit dem Immunologischen Gedächtnis des Körpers.

Veränderungen im Blut nachgewiesen

Covid-19 hinterlässt einen Fingerabdruck im Blut: Bei den Genesenen konnten die Wissenschaftler Veränderungen im Blut nachweisen, die die Infektion zurückgelassen hat. Die Anzahl der Granulozyten, sie gehören zur Gruppe der weißen Blutkörperchen und sind im Immunsystem für die Bekämpfung von bakteriellen Krankheitserregern zuständig, ist in der Covid-19-Gruppe signifikant niedriger, so Pickl. „Dafür entwickelten die CD4- und CD8-Immunzellen [die Rezeptoren helfen dem Körper dabei, Krankheitserreger und körpereigene Zellen zu erkennen und zu unterscheiden] ein Gedächtnis und CD8-T-Zellen bleiben stark aktiviert. Das zeigt, dass sich das Immunsystem auch viele Wochen nach der ersten Infektion immer noch mit der Krankheit intensiv auseinandersetzt.“

Dass nach einer Erkrankung nur wenige Granulozyten im Blut nachweisbar sind, komme auch bei anderen viralen Infekten wie den Masern vor. Allerdings sei es ungewöhnlich, dass dies auch noch so lange (zehn Wochen) nach der Erkrankung der Fall sei, sagt Pickl. Eine mögliche Erklärung: Das Immunsystem bildet Antikörper gegen die Granulozyten. Heißt: Der Körper greift die eigenen Abwehrzellen an. „Wir haben außerdem festgestellt, dass regulatorische T-Lymphozyten bei den Covid-19-Patienten dramatisch vermindert sind. Diese T-Zellen treten immer auf den Plan, wenn im Körper eine akute Entzündung abklingt. Sie tragen dazu bei, dass die Entzündung abflaut. Sie wirken also wie eine Bremse im Immunsystem." Der Mangel an den T-Lymphozyten ist ein Hinweis auf den Ausbruch einer Autoimmunerkrankung. Die Wissenschaftler wollen diese beiden Hypothesen nun mit weiterer Forschung untersuchen und prüfen.

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Die Forschenden haben außerdem festgestellt, dass vermehrt Antikörper produzierende Immunzellen im Blut der Genesenen nachweisbar sind. Je stärker bei milden Verläufen das Fieber der Betroffenen war, desto höher waren auch die Antikörperspiegel gegen das Virus ausgeprägt. Die Studie zeige deutlich, wie das Immunsystem Krankheitserreger abwehre: Gemeinsam setzen sich Immunzellen und Antikörper zur Wehr. Die Zellen können sich auch einprägen, wie das Virus agiert und können bei seinem nächsten Angriff besser und schneller reagieren.  Es gehe nun darum, die Erkenntnisse umzusetzen und für die Entwicklung von Impfstoffen auszunutzen.

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