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EndometrioseRegelschmerzen oder chronische Krankheit?

Lesezeit 4 Minuten

Etwa jede zehnte Frau im gebärfähigen Alter ist Schätzungen zufolge von Endometriose betroffen. Sie reichen von Schmerzen im Unterbauch über Migräne bis zu Beschwerden beim Stuhllassen.

Mit Schmerzen im Unterbauch fing es an. Ziehende Krämpfe, die Rosi Batzler jeden Monat während ihrer Periode für einige Tage auf die Couch zwangen. Heute hat die 56-Jährige ständig Schmerzen. Seit 26 Jahren leidet sie unter Endometriose – einer chronischen Erkrankung, verursacht durch Zellen der Gebärmutterschleimhaut, die sich außerhalb der Gebärmutter ansiedeln. Wie sie dorthin kommen, darüber gibt es nur Vermutungen. Hormongaben wie die Anti-Baby-Pille können die meist zyklisch auftretenden Beschwerden lindern. Das schmerzende Gewebe kann operativ entfernt werden. Doch bei manchen Frauen werden die Regelschmerzen trotzdem schlimmer. Sie müssen damit leben.

Jede zehnte Frau ist betroffen

Etwa jede zehnte Frau im gebärfähigen Alter ist von Endometriose betroffen, schätzt die Stiftung Endometriose-Forschung. Die Dunkelziffer ist hoch, denn die Symptome einer Endometriose sind nicht eindeutig. Sie reichen von diffusen, periodenabhängigen Schmerzen im Unterbauch bis zu Übelkeit, Migräne, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und Beschwerden beim Stuhlgang. Das macht eine Diagnose schwierig. Für die Betroffenen beginnt dann oft ein Ärztemarathon zu Gynäkologen, Internisten und Neurologen.

Bei sieben verschiedenen Ärzten war zum Beispiel die 38-jährige Karin Menzel, bis die Endometriose diagnostiziert wurde. Bis dahin litt sie jeden Monat unter Schmerzen in den Beinen, fühlte sich „ihrem Unterleib ausgeliefert“. „Durchschnittlich vergehen bis zur Diagnose knapp sieben Jahre“, sagt Stefan Renner, Leitender Oberarzt der Frauenklinik am Universitätsklinikum Erlangen und Leiter des dortigen Endometriose-Zentrums. Oft denken Frauenärzte gar nicht an diese Erkrankung. Denn Regelschmerzen gelten als normal.

„Wenn die Betroffene ihr Leben durch die Schmerzen nicht mehr im Griff hat, spätestens dann ist es Zeit, zum Arzt zu gehen“, rät Prof. Uwe Ulrich, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe des Martin-Luther-Krankenhauses Berlin. Sieben Jahre bis zur Diagnose sollte keine Frau warten, betont auch Christian Albring, Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte. Stattdessen sollte die Patientin bei der Suche nach einer Diagnose hartnäckig bleiben, wenn sie Regelschmerzen hat, die sie nicht hinnehmen will.

Die fünf wichtigsten Fragen zu Endometriose:

Was verursacht Endometriose?

Wie es zu der Erkrankung kommt, hat die Forschung noch nicht ausreichend klären können. Bekannt ist jedoch, dass die Schmerzen durch Zellen, die der Gebärmutterschleimhaut ähneln, verursacht werden. Diese Zellen verbreiten sich im Körper – meistens im Unterleib – und verhalten sich dort ähnlich wie die Schleimhaut der Gebärmutter. Beeinflusst durch die Hormone, die die Gebärmutterschleimhaut zum Anschwellen und Abbluten bringen, wachsen und bluten auch diese Zellen jeden Monat. Doch den Körper verlassen können sie nicht. Stattdessen verursachen diese sogenannten Endometrioseherde Entzündungen, Schmerzen, Verklebungen, Vernarbungen und im schlimmsten Fall auch Zysten, Tumore und Unfruchtbarkeit. Rund die Hälfte der Frauen, die nicht schwanger werden können, leide an einer Endometriose, schätzt Renner.

Wie wird Endometriose diagnostiziert?

Normalerweise ist es nur über eine Bauchspiegelung möglich, die Krankheitsherde zu finden. Für eine endgültige Diagnose müsse zusätzlich eine Gewebeprobe entnommen werden, sagt Ulrich. Belegt diese den Verdacht einer Endometriose, beginnt die Behandlung nach der Leitlinie für die Diagnostik und Therapie der Endometriose, die unter seiner Leitung entstand. Spätestens dann sollte die Betroffene ein Endometriose-Zentrum aufsuchen, rät Ulrich.

Wie wird therapiert?

Der erste Schritt der Behandlung sei eine Hormontherapie, etwa mit der Pille. Dadurch werde die Regelblutung unterdrückt und auch das schmerzende Gewebe außerhalb der Gebärmutter ruhiggestellt, erklärt Ulrich. Doch nicht jede Frau reagiert darauf. Und spätestens sobald die Hormone abgesetzt werden, beginnen die Schmerzen erneut. „Die zentrale Therapie der Endometriose ist immer noch eine Operation“, sagt Ulrich. Dabei werden die Endometrioseherde mittels einer Bauchspiegelung entfernt. Danach werden wieder Hormone gegeben.

Ist eine Operation sinnvoll?

Auch diese Behandlung hilft nicht immer. Rosi Batzler hat zwölf Operationen hinter sich. Die Schmerzen sind geblieben. „Oft werden nicht alle Herde gefunden“, weiß Ulrich. „Wenn die Herde in der Gebärmutterschleimhaut sitzen, sind sie beispielsweise schwer zu sehen“, ergänzt Albring. Doch wenn mehrere Operationen nicht helfen, sollte nicht weiter geschnitten werden. „Spätestens ab der fünften Operation müssen sich alle Beteiligten fragen, ob das noch gut ist“, sagt Ulrich. Im Fall von Rosi Batzler sei eine gute Schmerztherapie angebrachter als eine weitere Operation.

Hilft eine Umstellung der Ernährung?

Bei Karin Menzel hat eine Operation gereicht. Die 38-Jährige ist heute beschwerdefrei. Geholfen hat ihr nach der Operation eine Ernährungsumstellung, sie isst kein Fleisch mehr, keinen Industriezucker, ernährt sich vollwertig. Mit alternativen Heilmethoden, wie Ernährungsumstellung, Homöopathie oder Akupunktur, haben viele Frauen gute Erfahrungen gemacht. Auch die meisten Ärzte raten zu Alternativen, wenn die Schulmedizin nicht weiter weiß. Diese Methoden haben Rosi Batzlers Schmerzen zeitweise gelindert. Dauerhaft beim Umgang mit dem Schmerz helfen konnte ihr aber nur der Kontakt zu anderen Betroffenen im Endometriose-Netzwerk Baden-Württemberg, das sie mitgegründet hat. „Das hat mir das Gefühl gegeben, dass jemand weiß, wovon ich rede.“ (dpa)