Nach der ZahnspangeSo bleiben die Zähne das ganze Leben lang gerade

Lesezeit 6 Minuten
Neuer Inhalt

Wenn die kieferorthopädische Behandlung in der Jugend nicht gut gelaufen ist, muss man manchmal im Erwachsenenalter noch eine feste Zahnspange tragen.

  • In unserer Serie „Gesund durchs Jahr” widmen wir uns in jedem Monat einem anderen Themenbereich.
  • Im Juni geht es um das Thema gesunde Zähne.
  • In dieser Folge erklärt ein Kieferorthopäde, wie das Gebiss auch Jahre nach der Zahnkorrektur gerade bleibt.

Köln – Sie gehören zur Jugend wie viel zu bunter Lidschatten und die ersten Bartstoppeln: die kleinen, metallischen Plättchen, die auf die Zähne geklebt und mit Draht verbunden werden. Doch wer glaubt, die feste Zahnspange sei ausschließlich ein Accessoire der Jugend – der irrt. „Man darf nicht in der Fantasie leben: Ich hatte als Jugendlicher eine kieferorthopädische Behandlung, meine Zähne stehen jetzt super und das bleibt auch für immer so“, sagt der Kölner Kieferorthopäde Dr. Marcus Breier. Wir zählen einige Tipps und Tricks auf, damit die Zähne das ganze Leben lang schön gerade bleiben.

Worauf sollte man bei der Behandlung achten?

Los geht es schon mit der Behandlung in der Jugend. „Der Kieferorthopäde sollte zunächst eine umfassende Diagnostik mit Untersuchung, Röntgenbildern und Fotos machen“, rät Marcus Breier. „Die Ergebnisse dessen müssen dann in der Behandlung berücksichtigt werden – sowohl die anatomischen als auch die funktionellen Faktoren.“ Zu anatomischen Faktoren zählen etwa die Größe der Kiefer und der Knochen oder die Achsenrichtung der Zähne. Bei den funktionellen Faktoren geht es vor allem um Zunge und Lippen: „Es sollte ein Gleichgewicht zwischen dem Zungendruck von innen und dem Lippendruck von außen herrschen. Dann können die Zähne sich stabil einstellen.“

Neuer Inhalt

Mit unserer Serie „Gesund durchs Jahr“ legen wir den Schwerpunkt ganz auf Ihre Gesundheit. Jeden Monat gibt es dazu ein Schwerpunktthema, zu dem jede Woche ein neuer Artikel erscheint. Im Dezember dreht sich alles um das Thema Demenz. 

Dabei hat die Zahnstellungskorrektur nicht nur zum Ziel, für schöne, gerade Zähne und ein strahlendes Lächeln zu sorgen. „Das steht zwar für viele Patientinnen und Patienten im Vordergrund. Es geht aber auch um die Kaufunktion, die Abbeißfunktion oder die muskuläre Balance. Wichtig ist, dass man am Ende der Behandlung ein ideales Kausystem hat.“ Breier rät, die Behandlung vom Kieferorthopäden oder Facharzt für Kieferorthopädie durchführen zu lassen und bei der Auswahl des Arztes auf eine umfassende Diagnostik (wie oben beschrieben) zu achten. Der Zahnarzt kann in der Regel bei der Suche eines guten Kieferorthopäden unterstützten.

Wie geht es danach weiter?

Ist die Behandlung abgeschlossen und die feste Zahnspange entfernt, folgt die Phase der aktiven Stabilisierung. „Die Zähne können sich noch ein Jahr lang an ihre schiefe Stellung erinnern“, erklärt Marcus Breier. Damit die Zähne nicht wieder in ihre alte Position zurückwandern, muss man ihre Erinnerung sozusagen löschen. Deswegen ist es wichtig, mindestens ein Jahr nach der Behandlung nachts noch eine lose Spange oder Schiene zu tragen.

Ganz fertig ist man dann allerdings immer noch nicht. Denn so wie der Körper sich an anderen Stellen im Laufe der Jahre verändert – Haare fallen aus oder werden grau, Falten bilden sich, Gelenke nutzen sich ab – kann sich auch die Stellung der Zähne immer wieder verändern. „Bei manchen tritt das früher auf, bei anderen später. Und zwar völlig unabhängig davon, ob man eine kieferorthopädische Behandlung hatte oder nicht“, betont Marcus Breier.

Was kann man also auf lange Sicht tun?

Um die Zähne möglichst ein Leben lang in ihrer perfekt ausgerichteten Position zu halten, empfiehlt der Experte, direkt nach der Behandlung einen Lingual-Retainer im Unterkiefer einzusetzen. Das ist ein schmaler Draht, der mit Kunststoff innen an den Schneidezähnen festgeklebt wird. „Weil die Stellungsänderungen am häufigsten in der Unterkieferfront auftreten, empfehle ich dort einen Retainer einzusetzen. Der bleibt dann über mehrere Jahre dort, stört den Patienten nicht und sorgt für eine sichere Stabilität“, sagt Marcus Breier.

Breier_Portraet

Kieferorthopäde Marcus Breier aus Köln

Für den Oberkiefer ist ein Retainer hingegen nicht immer ideal. Denn dadurch, dass die Zähne oben größer seien, müsse der Draht länger sein – und könne sich so leichter verformen. Zudem könne es passieren, dass man mit den unteren Zähnen auf den Draht oben beiße. „Oben verschieben die Zähne sich aber auch nicht so leicht, dort reicht normalerweise eine herausnehmbare Schiene.“ Diese trage man ein Jahr lang zunächst jede Nacht und lasse das dann langsam ausschleichen. Danach sollte man die Schiene aber einmal pro Woche anprobieren – eigentlich sein Leben lang. „Wenn die Schiene locker rein und raus geht, ist alles im grünen Bereich, dann sind die Zähne stabil. Spannt die Schiene aber, haben sich die Zähne minimal bewegt“, erklärt Breier. Dann helfe es häufig schon, die Schiene wieder einige Nächte am Stück zu tragen, um die Zähne in ihre gewünschte Position zurückzubewegen.

Wie geht man mit dem Retainer um?

Statistisch gesehen halte der Retainer zwölf bis 15 Jahre. Ob damit alles in Ordnung ist, kann man beim jährlichen Zahnarzt-Besuch mit kontrollieren lassen. „Wenn sich aber etwas komisch anfühlt, dann sollte man schnell zum Kieferorthopäden gehen“, rät Breier. Denn es kann sein, dass eine Klebestelle abgeplatzt oder sogar der Draht verbogen oder gebrochen ist. So ein falsch sitzender Draht kann dann seinerseits zu Stellungsänderungen der Zähne führen. Wenn einmal eine Klebestelle lose gegangen sei, würden bald danach die anderen folgen, beschreibt Breier seine Erfahrung. Der Kieferorthopäde rät dazu, den Draht zu entfernen – und durch einen neuen ersetzen zu lassen. Denn die Zähne können sich ja immer noch verschieben. 

Und was, wenn die Zähne sich trotzdem verschieben?

Was ist, wenn irgendwo auf dem Weg ein Fehler passiert, anatomische oder funktionelle Beeinträchtigungen nicht beachtet wurden oder das Ergebnis nicht genug fixiert worden ist? Dann verschieben die Zähne sich höchstwahrscheinlich im Erwachsenenalter. Meist passiere das zunächst im Unterkiefer. „Das stört viele Patienten nicht“, sagt Marcus Breier. „Doch oft ist es so, dass der untere Zahn seinen Kumpel oben schon angestoßen und minimal verschoben hat. Das fällt dem Patienten noch nicht auf, aber auf lange Sicht werden dann auch die Zähne oben schief.“ 

Das könnte Sie auch interessieren:

Kleinere Veränderungen kann man mit einer herausnehmbaren Schiene richten, bei größeren Fehlstellungen müsse man auf eine feste Zahnspange zurückgreifen. Doch die ist im Erwachsenenalter nicht besonders beliebt, sagt Breier. Viele bevorzugen daher die relativ neuartigen, durchsichtigen Zahnschienen, die man rund um die Uhr, außer zum Essen und Trinken, trägt und im Zwei-Wochen-Rhythmus erneuert. So werden die Zähne für die Umgebung unbemerkt über Monate hinweg immer gerader. Doch auch eine solche Behandlung solle man ausschließlich beim ausgebildeten Kieferorthopäden vornehmen lassen, betont Breier. „In der Werbung wird suggeriert, dass man dem Computer gewisse Daten überlässt, der rechnet dann etwas aus und am Ende sind die Zähne gerade. Aber der Computer kann bestimmte Parameter nicht wissen und berücksichtigen. Nur der erfahrende Behandler kann dieses Instrument spielen.“ Auch hier sei eine umfassende Diagnostik unerlässlich.

Wer bezahlt das alles?

Bei privat Versicherten ist im Vertrag festgehalten, ob und in welchem Umfang kieferorthopädische Behandlungen mit eingeschlossen sind oder nicht. Sind sie es, so zahlt die Versicherung die Behandlung in jedem Alter, auch die durchsichtigen Schienen.

Bei gesetzlich Versicherten ist die Lage etwas komplizierter. Generell gilt: Bei Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr wird die kieferorthopädische Behandlung finanziell unterstützt – wenn die Kieferfehlentwicklung einen bestimmten Grad erreicht hat. In die Leistung eingeschlossen ist dann eine Grundversorgung. Zu der zählt etwa die lose Schiene zum Fixieren der Zähne, nicht jedoch der festsitzende Retainer. Die Kosten für alles rund um den schmalen Draht müssen gesetzlich Versicherte in jedem Alter selbst tragen. Der Einsatz eines neuen Retainers kostet zwischen 250 und 300 Euro. Auch die durchsichtigen Zahnschienen werden nicht von der gesetzlichen Krankenkasse getragen. Kleinere Behandlungen starten bei 2000 Euro, komplexere können mehrere tausend Euro kosten.

KStA abonnieren