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Kölner Expertin erklärtWie es gelingt, endlich mit dem Rauchen aufzuhören

Lesezeit 5 Minuten
Eine Frau drückt eine Zigarette in einem Aschenbecher aus.

Trotz gesundheitlicher Folgen greifen immer mehr Menschen wieder zur Zigarette.

Monika Scheidt, Expertin für Rauchentwöhnung, erklärt, warum Vapes den Entzug nicht zwingend fördern und wie sie Raucher stattdessen behandelt.

Rund 19 Prozent der Menschen in NRW rauchen laut Angaben von It.NRW, trotz der gesundheitlichen Folgen. Auch bundesweit greifen immer mehr Menschen zur Zigarette. Warum viele die schlechte Angewohnheit nicht ablegen können und was man tun kann, um dem Suchtverhalten Einhalt zu gebieten, erklärt Pneumologin und Expertin für Raucherentwöhnung am St. Vinzenz-Hospital, Monika Scheidt.

Frau Dr. Scheidt, seit Jahren kommen Raucher zu Ihnen, um die Sucht zu überwinden. Zu welchem Zeitpunkt entscheiden sich die Menschen Ihrer Erfahrung nach zu diesem Schritt?

Die Entscheidung zum Rauchstopp fällt meistens dann, wenn das Rauchen gesundheitliche oder private Probleme verursacht. Zu mir kommen überwiegend Menschen über 55 Jahre, die bereits die körperlichen Folgen des Rauchens spüren oder manifest erkrankt sind. Häufige Gründe sind zunehmende Atemnot bei Belastung, Lungenkrebs oder ein durchgemachter Herzinfarkt oder Schlaganfall. Oder die rauchfreien Kinder oder Enkelkinder machen keinen Hehl mehr aus ihrer Abneigung gegen die „süchtigen“ Eltern oder Großeltern. Das schmerzt sehr.

Wie gehen Sie in Ihrer Sprechstunde vor?

Ich versuche als erstes die Motivation zum Rauchstopp zu stärken. Und die Patienten zu ermutigen. Etliche, besonders Frauen, rauchen nur heimlich, schämen sich wegen ihrer Sucht. Bei allen Patienten wird die Intensität der körperlichen und psychologischen Abhängigkeit ermittelt und ein individueller Behandlungsplan erstellt. Doch Grundvoraussetzung für jeden Erfolg bleibt die Motivation und der feste Entschluss zum Rauchstopp.

Warum ist es so schwer, mit dem Rauchen aufzuhören?

Weil Nikotin süchtig macht. Manche Forscher sagen, ähnlich wie Heroin. Und diese Nikotinsucht wird mit den Jahren unweigerlich immer schlimmer. Dazu kommen die liebgewordenen Rauchrituale, die man sich ohne Zigarette überhaupt nicht mehr vorstellen kann, sowie die Verankerung des Rauchens in den sozialen Beziehungen. Und die festverwurzelte Überzeugung, dass in den mannigfaltigen Krisensituationen des Lebens nichts anderes als eine Zigarette helfen und trösten kann.

Monika Scheidt hat lange blonde Haare und trägt eine beige Bluse.

Seit etwa 20 Jahren arbeitet Monika Scheidt als Expertin für Rauchentwöhnung. Sie ist Fachärztin für Lungenkrankheiten.

Welche Mythen oder Fehleinschätzungen bringen Patienten am häufigsten mit in die Therapie?

Häufig ist die Erwartung, dass eine Raucherentwöhnung vollkommen anstrengungsfrei funktionieren müsse. Sozusagen auf Knopfdruck. Noch weiter verbreitet ist der Mythos, dass Nikotin bei der Rauchsucht keine wirklich wichtige Rolle spielt. Begründet wird dieser Mythos damit, dass Nikotin nach etwa drei Tagen komplett aus dem Körper ausgeschieden ist, und dann das Problem gelöst sei. Das ist natürlich Unsinn, dann fängt das Problem erst richtig an!

Führen auch neuere Geräte wie Vapes dazu, dass mehr Menschen mit dem Rauchen anfangen?

Ja, definitiv. Insbesondere die Einweg-E-Zigaretten sind auf eine ultrarapide Anflutung des Nikotins in den Körper und damit auf eine rasche Abhängigkeitsentwicklung ausgelegt. Nur dafür werden sie hergestellt und vermarktet. Oft sind es sogar Kinder, die zu diesen Produkten greifen. Verführerisch ist der süße Geschmack, der viel zu geringe Einstiegspreis und die einfache Anwendung des Produktes. Dies alles macht Kinder in kurzer Zeit zu „Nikotin-Junkies“. Wenn die Jungen und Mädchen dann dem bunten Glitter entwachsen sind, steigen sie in aller Regel um auf die Tabakzigarette.

Ähnliches gilt für die unter Jugendlichen weit verbreitete und beliebte Wasserpfeife, die Shisha. Sie ist gefährlich, weil Shisha-Raucher entgegen einem weit verbreiteten Irrtum besonders viele Giftstoffe einatmen. 

Laut einer Studie der University of East Anglia in Norwich könnten Vapes für Raucher eine weniger schädliche Ausstiegsalternative sein. Sind Vapes trotz ihrer Gefahr ein möglicher Ansatz, langsam mit dem Rauchen aufzuhören?

Bei Nutzung von E-Zigaretten wird ein nikotinhaltiges Liquid verdampft, und dieser Dampf wird inhaliert. Die körperliche Abhängigkeit vom Nikotin bleibt erhalten. Die psychische Abhängigkeit vom Rauchvorgang, jetzt Dampfvorgang, bleibt ebenfalls erhalten. Es ist kein Ausstieg, es ist ein Umstieg. Die verdampften Liquids enthalten auch Giftstoffe, doch weniger als der Rauch von Tabakzigaretten. Daher hat man diesen Umstieg als kleineres Übel gesehen. Lange Zeit hat man gehofft, dass es gelingen könnte, mit diesen E-Zigaretten auch den allmählichen Ausstieg zu schaffen. Stattdessen hat sich gezeigt, dass etwa ein Jahr nach dem Umstieg weit über die Hälfte der Patienten Tabakzigarette und E-Zigarette parallel nutzen, und damit ihre gesundheitliche Situation weiter verschlechtern. Das ist ein sehr enttäuschendes Ergebnis.

Welche Methoden zur Rauchentwöhnung sind aus wissenschaftlicher Perspektive am wirksamsten?

Der sogenannte Goldstandard der Tabakentwöhnung ist die Verhaltenstherapie mit medikamentöser Unterstützung, letztere nur falls erforderlich. In Gruppen oder Einzelbehandlung, je nach persönlicher Präferenz. Auch Akupunktur, vor allem Laserakupunktur, kann sehr hilfreich sein, insbesondere in Kombination mit guter Beratung.

Hat die Forschung in den vergangenen Jahren neue therapeutische Ansätze für die Rauchentwöhnung hervorgebracht?

Ja, definitiv, insbesondere was die medikamentöse Therapie betrifft. Die Nikotin-Ersatz-Therapie ist facettenreicher geworden und damit besser auf den individuellen Patienten anwendbar. Und das Anti-Raucher-Medikament Vareniclin ist wieder verfügbar, eine letzte Hoffnung für alle Patienten, bei denen nichts anderes geholfen hat. Doch damit sollte man sehr vorsichtig umgehen. Und auch dieses Medikament kann nicht viel bewirken, wenn die Motivation zum Rauchstopp fehlt. Das gleiche gilt für das Medikament Cytisin, das in Osteuropa weit verbreitet ist. Außerdem gibt es heute recht erfolgreiche Onlinemethoden, die es jedem ermöglichen, zu Zeiten, die ihm gut passen, in einen Smartphonekurs einzusteigen.

Erinnern Sie sich an einen Fall, der Sie besonders bewegt hat?

Ja, vor vielen Jahren, ein achtzehnjähriges Mädchen. Diese jüngste Patientin mit Lungenkrebs hatte bereits mit sieben Jahren angefangen zu rauchen. Sie war als Kind von ihrer älteren Schwester dazu verleitet worden. Ein sehr typischer Rauch-Einstieg, doch bei ihr tragischerweise ungewöhnlich früh. Die Ältere hat das Rauchen später einstellen können, der Jüngeren ist das nicht gelungen. Sie starb mit nur 19 Jahren an Lungenkrebs. Je jünger man mit dem Rauchen beginnt, desto verheerender sind die Folgen. Und die sind bei Frauen schlimmer und treten vor allem früher auf als bei Männern. Viele Mädchen wissen das nicht, oder wollen das nicht wissen. Das ist sehr schlimm.

Wie hoch ist die Rückfallgefahr, wenn man einmal mit dem Rauchen aufgehört hat?

Generell sind etwa ein Jahr nach der Raucherentwöhnungsbehandlung 50 Prozent der Patienten weiterhin rauchfrei, 50 Prozent sind wieder rückfällig geworden. Und das gilt noch als gutes Ergebnis. Diese traurige Bilanz zeigt, wie wichtig es wäre, junge Menschen vom Raucheinstieg abzuhalten und sie nicht den Vapes oder den Shishas zu überlassen.

Welchen Tipp würden Sie Rauchern mitgeben, die einen Nikotinentzug machen wollen?

Bleiben Sie ganz unbedingt dabei, lassen Sie sich helfen und nicht entmutigen.