Der Kölner Mediziner Gerd Fätkenheuer erklärt in seinem Gastbeitrag sehr anschaulich, welche Vorteile das Impfen für alle hat.
Kölner Mediziner Gerd Fätkenheuer erklärtDer Sinn der Grippeimpfung und warum die Zahlen so niedrig sind

Die Zahl der Grippeimpfungen in Deutschland sinken.
Copyright: Friso Gentsch/dpa
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die Impfung gegen Influenza (Grippe) für Menschen ab 60 Jahren und für chronisch Kranke. Sie soll jedes Jahr in der Wintersaison erfolgen – also jetzt! In der Praxis hapert es jedoch beträchtlich mit der Umsetzung dieser Empfehlung. So berichtete der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erst kürzlich, nach den Zahlen des Robert-Koch-Instituts seien 2023 nur 38 Prozent der über 60-Jährigen gegen Grippe geimpft worden – Tendenz fallend. Woran liegt das, und was bedeutet das für die Ungeimpften?
Es gibt sicher eine Reihe von Gründen für die niedrige Quote: Man muss an die Impfung denken, einen Termin ausmachen, Zeit einplanen und muss Zeit dafür einplanen. Entscheidend aber scheint mir die Frage zu sein, ob man vom Sinn der Impfung überzeugt ist.
Auf den ersten Blick wirken die Zahlen nur mäßig überzeugend
Welchen Nutzen hat die Impfung gegen Influenza also für den Einzelnen? Ist man tatsächlich wirksam gegen Grippe geschützt? Und muss man sich wirklich jedes Jahr neu impfen lassen? Schaut man auf die Zahlen, wirken diese zunächst nur mäßig überzeugend. Die Schutzwirkung der Impfung gegen eine Influenza-Erkrankung liegt bei etwa 40 bis 50 Prozent und ist damit im Vergleich zu vielen anderen Impfungen relativ niedrig. Das liegt unter anderem an der großen Variabilität der Influenza-Viren. Diese verändern sich ständig durch genetische Mutationen, und die jedes Jahr angepassten Impfstoffe können nicht alle Varianten erfassen.
Alles zum Thema Corona
- Fernsehen Auf der Suche nach Halt - das Jugenddrama „Polizei“
- Kölner Mediziner Gerd Fätkenheuer erklärt Der Sinn der Grippeimpfung und warum die Zahlen so niedrig sind
- Nach Rekordjahren Geschäft mit Feuerwerk läuft exzellent – aber ohne China-Importe geht auch bei Weco nichts
- Autobranche EU-Automarkt wächst im Oktober - Absatz von Tesla bricht ein
- Vor-Corona-Niveau übertroffen Importe von Böllern und Raketen steigen auf Rekordniveau
- Wirtschaftspolitik IG Metall: Unternehmen müssen sich zu Deutschland bekennen
- Etat 2026 Klingbeil: Haushalt 2026 war nur das Warm-Up
Nun ist eine Schutzwirkung von 40 bis 50 Prozent allerdings auch nicht nichts bei einer potenziell schwer oder sogar tödlich verlaufenden Infektionskrankheit. Und wir wissen, dass sich die Schutzwirkung verbessert, wenn man sich jedes Jahr neu impfen lässt. Dies ist – neben der jährlichen Anpassung an die in der Bevölkerung zirkulierenden Viren – ein wesentlicher Grund für die Empfehlung zur jährlichen Impfung.
Viel Forschung soll die Grippeimpfung verbessern
Die Grippeimpfung schützt nicht vor den vielen anderen Viren, die Infektionen der Atemwege auslösen können. Wenn man trotz Impfung schnupft und hustet, handelt es sich also eher selten um die gefährliche „echte Grippe“ (Influenza). Verantwortlich ist dann vielmehr meistens eines der anderen Viren. Gegen zwei weitere Erkrankungen, Covid-19 (Corona) und die RSV-Infektion, gibt es mittlerweile auch wirksame Impfungen. Damit ist ein Schutz vor den aggressivsten und verbreitetsten Viren, die vorwiegend die Atemwege befallen, für diejenigen möglich, die am meisten gefährdet sind.
Viel Forschungsarbeit wird aktuell darauf verwendet, die Wirkung der Grippeimpfung zu verbessern – mit beachtlichen Fortschritten bei der Entwicklung besser wirksamer Impfstoffe, die für ältere Menschen empfohlen und seit wenigen Jahren auch eingesetzt werden. Gerade sind Ergebnisse einer großen Studie mit mehr als 18.000 Teilnehmern bekannt geworden, in der ein auf RNA-Basis produzierter Impfstoff getestet wurde – jener Technologie, die bei der Impfung gegen Covid-19 erstmals verwendet wurde. In dieser Studie war die Wirkung hinsichtlich einer im Labor bestätigten Influenza-Erkrankung mit dem neuen RNA-Impfstoff deutlich höher als mit einem herkömmlichen Präparat. Allerdings gab es auch etwas mehr Nebenwirkungen (Schmerz an der Einstichstelle, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit), die aber insgesamt mild waren und meist innerhalb von zwei Tagen verschwanden.
Grippeimpfung schützt Patienten mit Herzleiden
Wie sieht es aus mit anderen Effekten der Grippeimpfung? Hier wurden in den vergangenen Jahren sehr viele neue Erkenntnisse gewonnen. Insbesondere versteht man heute die Influenza nicht nur als eine Infektion der Atemwege, sondern als eine den gesamten Organismus betreffende Erkrankung. Damit sind auch Auswirkungen der Infektion auf andere Organe stärker in den Fokus gerückt, insbesondere die auf das Herz- und Kreislaufsystem.
Wir wissen inzwischen, dass sich durch Influenza das Herzinfarkt-Risiko erhöht – je schwerer der Verlauf der Influenza, desto höher das Risiko. Umgekehrt schützt eine Grippeimpfung Patienten mit Herzleiden (Angina pectoris, chronisch Herzschwäche etc.) vor einer Verschlimmerung. Geimpfte Patienten haben sogar einen Überlebensvorteil gegenüber nicht geimpften. Und auch hier gilt: je öfter die Impfung, desto besser der Schutz.
Die Daten sind so überzeugend, dass die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) inzwischen für Patienten mit Erkrankungen des Herzkreislaufsystems die jährliche Grippeimpfung zur Vorbeugung empfiehlt, in einem Atemzug mit anderen Maßnahmen wie der Senkung des Cholesterinspiegels im Blut mit Medikamenten.
All diese Erkenntnisse sind leider noch zu wenig bekannt. Deshalb ist eine breite Aufklärung notwendig. Wer dann über diese Zusammenhänge Bescheid weiß, wird vermutlich leichter zu dem Entschluss kommen: Grippeimpfung? Ja bitte!
