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„Täter suchen Opfer, keine Gegner“Kölnerin bringt anderen bei, Stärke zu zeigen

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Tatjana Faranda in ihrem Studio „Phoenix Power“ in der Kölner Südstadt.

  1. Tatjana Faranda weiß selbst ganz genau, was es heißt, Angst zu haben und am Boden zu sein.
  2. Daraus hat sie gelernt und sagt heute: „Stärke hat nichts mit Muskeln zu tun, sondern kommt von innen“.
  3. Aus einer Krise heraus hat sie ein eigenes Studio eröffnet, in dem sie Menschen Selbstverteidigung beibringt und mit ihnen Probleme bespricht.

Köln – Tatjana Faranda möchte Menschen stark machen. Nicht nur körperlich, sondern auch mental. Die Kölnerin mit deutsch-sizilianischen Wurzeln ist davon überzeugt, dass Stärke nichts mit Muskeln zu tun hat, sondern im Inneren sitzt. Das vermittelt sie Menschen seit kurzem in ihrem eigenen Studio „Phoenix Power“ in der Kölner Südstadt, indem sie ihnen Selbstverteidigung beibringt und gleichzeitig auf Probleme eingeht.

Die Menschen sollen selbstbewusst werden

Am Anfang führt sie dazu ein langes Aufnahmegespräch. „Ich schaue, wo sie gerade stehen, was sie bewegt und suche mit ihnen gemeinsam nach Lösungen“, erklärt sie. Im anschließenden Einzelcoaching folgen weitere Gespräche und oft auch Hausaufgaben, zum Beispiel diese Frage: „Wie oft hast du dich diese Woche entschuldigt, obwohl du gar nichts gemacht hast?“ Ihre Vision: „Die Menschen sollen selbstbewusst werden, Eigenverantwortung übernehmen und aus ihrer Opferposition heraus kommen. Sie sollen sich selbst bewusst werden, wissen, wer sie sind und sich nicht an anderen orientieren.“

Oft gehen die Leute über ihre Grenzen und merken es zu spät

Ein wichtiges Thema für viele sei das Wort „Nein“. „Viele Menschen schaffen es nicht, sich von anderen abzugrenzen. Bei mir im Training fließen oft Tränen, weil die Leute sich zum ersten Mal erlauben, etwas rauszulassen und erkennen, wie oft ihre Grenzen übertreten werden“, sagt Faranda.

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Anja Förster und Peter Kreuz: Nein. Was vier mutige Buchstaben im Leben bewirken können, Pantheon Verlag, 14,99 Euro

Menschen stärken ist aber durchaus auch körperlich gemeint. Faranda unterrichtet neben dem Coaching auch Krav Maga, eine Selbstverteidigungsart mit intuitiven, einfachen und effektiven Bewegungen. Die Techniken beruhen auf instinktiven Abwehrmechanismen, die geschult und ausgebaut werden. „Wenn man weiß, wie man sich physisch verteidigen kann, kann man sich selbst und andere anders betrachten. Man bekommt eine andere Ausstrahlung und wirkt nicht mehr wie ein Opfer. Wenn sich jeder verteidigen kann, ist die Welt friedvoller. Denn Täter suchen Opfer, keine Gegner“, glaubt Faranda.

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Selbstverteidigung wird an einer Gummipuppe geübt.

Die Selbstverteidigung fängt im Krav Maga aber schon viel früher an. Ein Leitspruch ist „Checking the area“, also genau hinschauen, in welcher Situation man sich gerade bewegt. Wer kommt mir da entgegen? Macht es Sinn, lieber die Straßenseite zu wechseln? Auf jeden Fall aufmerksam bleiben. Immer wieder gepredigt wird auch: „Weglaufen, wann immer es geht.“

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Krav Maga ist eine Selbstverteidigungsart, bei der einfache, aber wirkungsvolle Griffe geübt werden.

In ihrem Studio betreut Faranda hauptsächlich Frauen, Männer sind natürlich auch willkommen. Das Training ist offen für alle, auch auf das Alter kommt es nicht an. Im Coaching sind Menschen zwischen 16 und 80 Jahren. Faranda: „Alle können kommen, die sich verändern wollen. Mein Ziel ist es, die Menschen zu heilen und ein Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen aufzubauen. Besonders wichtig ist mir, dass Frauen sich nicht als Konkurrentinnen sehen, sondern sich gegenseitig unterstützen. Denn nur gemeinsam können wir die Welt verändern.“

Als ihre Oma stirbt, geht es ihr so schlecht, dass sie sich aufgibt

Unterstützung hätte Faranda vor fast fünf Jahren selbst bitter nötig gehabt. Als ihre Großmutter stirbt, fällt die 32-Jährige in ein tiefes Loch, aus dem sie beinahe nicht mehr selbst herausfindet. „Ich habe sehr an ihr gehangen und ihr Tod war mein persönlicher Schicksalsschlag. Ich fühlte mich sehr angreifbar, bekam später sogar Panikattacken und Atemnot“, erinnert sie sich. Aus Angst vor den Alpträumen will sie nicht mehr schlafen, dazu kommen Depressionen, sie traut sich kaum noch vor die Tür. Alles zusammen wird für Faranda so schlimm, dass sie selbst nicht mehr leben will. „Dass ich hier sitze, liegt nur daran, dass ich im entscheidenden Moment das Gefühl hatte, meine Oma wäre bei mir. Es hat mir den Mut gegeben, mich zurück ins Leben zu kämpfen“, sagt Faranda. Sie holt sich professionelle Unterstützung und findet langsam aber sicher aus ihrem Loch hinaus.

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Was bleibt ist die Angst vor körperlichen Übergriffen, „die Angst, dass jemand etwas mit mir macht, was ich nicht will. Ich bin früher oft über meine Grenzen gegangen und habe nichts gesagt. Das möchte ich nie mehr“, sagt Faranda. Um sich sicherer zu fühlen, besucht sie einen Selbstverteidigungskurs, in dem Krav Maga gelehrt wird. „Ich habe sofort eine Gänsehaut gespürt und gedacht: Das will ich lernen. Dadurch, dass ich mich körperlich verteidigen kann, kann ich auch meine inneren Dämonen anschauen.“

„Ich möchte anderen Menschen ihre Angst nehmen“

Sie weiß auch sofort, dass sie auch anderen Menschen damit helfen will. Dabei war sie vorher lange Zeit unsicher, wohin sie sich beruflich orientieren soll, fängt nirgends richtig Feuer. Bis zu dem Tag, an dem sie Krav Maga ausprobiert. „Das ist meine Berufung. Ich möchte anderen Menschen ihre Angst nehmen, denn ich weiß selbst zu gut, wie es ist, welche zu haben. Ich hatte schon immer das Gefühl, dass andere Menschen zu mir kommen, wenn sie ein Problem haben und mir viele Dinge erzählen, die sie zuvor noch nie erzählt haben“, sagt sie. Sie möchte anderen ein Vorbild sein, „zeigen, dass ich zierlich bin und mich trotzdem verteidigen kann.“

Wie der Phoenix aus der Asche neu entstanden

Mit Hilfe von Krav Maga und einem Psychologen rettet Tatjana Faranda sich selbst. Aus dem tiefen Tal ist sie gestärkt hervor gegangen und hat sich ein eigenes Unternehmen aufgebaut, das sie mit Leidenschaft betreibt. Der Name ist genau richtig: „Phoenix Power“. So wie der Vogel aus der Mythologie, der verbrennt und aus seiner Asche aufersteht. Genau das ist das Motto von Tatjana Faranda: „Du hast jederzeit die Möglichkeit, zu verbrennen und neu zu entstehen.“